Der Chor «Les Marmottes» begeisterte sein Publikum im Girardsaal in Grenchen mit «Deutsches Requiem» von Johannes Brahms.
Viel zu schnell verging in nur 75 Minuten im überaus gut besuchten Girardsaal das «Marmottes»-Abendkonzert mit dem Chorwerk «Deutsches Requiem» und fünf eingeschobenen Choralvorspielen nach Bach-Themen. Zu gern hätte sich das abschliessend begeistert applaudierende Publikum der herben Schlichtheit und flutenden Bewegtheit der sieben grossen Chorsätze, der kunstvollen Mitwirkung der beiden Solostimmen Stephanie Bühlmann (Sopran) sowie Patrick Oetterli mit klangvollem Bariton und dem Klavierspiel von Evelyne Grandy und Adalbert Roetschi noch länger hingegeben, um die intensive Erfahrung dieses Konzertes zu vertiefen.
Die gedeckten, im Hier und Jetzt verwurzelten Klangfarben bei Brahms fordern zu einer Konzentration auf die Texte heraus. Und darin lag für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts seine rebellische Neuerung. Denn der bibelkundige Protestant Brahms verzichtete in seinem Requiem auf die traditionell für Totenmessen verwendeten lateinischen Messtexte zugunsten der von ihm ausgewählten Worte aus der Luther-Bibel.
Er stellt darin der Unausweichlichkeit des Todes die Hoffnung auf die Ewigkeit gegenüber. Sein nicht konfessionell gebundenes Werk strahlt nach der Trauer über das Lebensende («Denn alles Fleisch ist wie Gras») für die Weiterlebenden sprachlich und musikalisch eine verlässlich tröstende Wärme aus wie im letzten Chorsatz «Selig sind die Toten».
Die motivische Arbeit der gesamten Komposition vermittelt ergreifende Gemütstiefe, die der Chor in seiner wort-nahen Interpretation eindrücklich aufnahm. Das 1869 im Gewandhaus in Leipzig in der endgültigen siebenteiligen Fassung für gemischten Chor, zwei Solostimmen und Orchester uraufgeführte Werk brachte dem gebürtigen Hamburger und späteren Wahl-Wiener Johannes Brahms internationale Anerkennung und den Durchbruch in seiner künstlerischen Tätigkeit. Brahms kompositorisches Schaffen unterschied sich indes deutlich von seinen Zeitgenossen, die dem Fortschrittsgedanken in der Musik der Neudeutschen Schule anhingen.
Brahms hält stattdessen in Harmonik und Satzbau am Überlieferten fest. Er verwendet – wie im Konzert hörbar – klassische und barocke Formen, spielt mit dem fugierenden Stil und liebt in seinen fülligen Chorsätzen Kirchentonarten. Die seit sieben Jahren von Stefan Schmid geleiteten und inspirierten 53 Marmottes-Mitglieder, unten ihnen allein 22 Männerstimmen, liessen in dieser Aufführung ihre anspruchsvolle Jahresarbeit erleben, die sie in diesem Werk mit exzellenter Aussprache, korrekten Einsätzen und durchaus stimmschön bestätigten.
Bei Aufführungen in grossen Konzerthäusern wird das Requiem zumeist vom Orchester begleitet. Die «Marmottes» hatten sich für die Klavierfassung entschieden, die ebenso aus der Hand von Brahms stammt, in dieser Form bearbeitet von August Grüters. Das Künstlerpaar Evelyne Grandy und ihr früherer Musiklehrer Adalbert Roetschi zeigten im Spiel an zwei Klavieren virtuose Übereinstimmung.
Wie in einer Dichtung erhielt das Gesamtwerk mit untermalter Dramatik und gesteigerter Stimmung zusätzliche Identität. Gefällig und filigran wirkten die kurzen Zwischenspiele als Transkriptionen der Choralvorspiele von Johann Sebastian Bach, die der 1926 geborene György Kurtag schrieb.