Der Schnottwiler Künstler Marc Reist ist in Grenchen geboren und aufgewachsen – nun ehrt ihn die Stadt mit dem Kulturpreis.
Der 58-jährige Schnottwiler Künstler Marc Reist wird kommenden Donnerstag von der Stadt Grenchen mit dem Kulturpreis ausgezeichnet.
Er sei überrascht gewesen, als er von der Auszeichnung erfahren habe, sagt der Bildhauer und Maler in seinem Atelier in Schnottwil. «Für mich ist das irgendwie eine Bestätigung. Denn besonders in der eigenen Stadt ist es oft schwieriger, eine gewisse Anerkennung zu erlangen». Eigene Stadt? Gewiss, denn Marc Reist ist in Grenchen geboren und aufgewachsen, als Sohn eines Bäckers, seine Grossmutter hatte lange Zeit das Schwingerstübli geführt. In Grenchen lernte er auch seine Frau Iris kennen, Tochter einer Metzgerfamilie, die an der Schild-Hugistrasse eine Metzgerei führte. Die beiden besuchten im zarten Alter von 14 Jahren gemeinsam den Religionsunterricht, verliebten sich ineinander und sind seither ein Paar.
Reist verbrachte seine Jugendjahre in Grenchen, besuchte hier die Schulen, absolvierte nach der Handelsschule eine Ausbildung zum Bildhauer (Stein und Metall) und belegte an der Schule für Gestaltung Bern verschiedene Freikurse. Ab 1983 arbeitete Reist freischaffend als Künstler – gleichzeitig zog die junge Familie um nach Schnottwil in ein altes Bauernhaus, wo Reist die Möglichkeit hatte, ein eigenes Atelier aufzubauen.
Der Künstler fertigte in den letzten Jahrzehnten unzählige grosse und kleine Kunstwerke. Einige davon zeugen stark von seiner Verbindung zu Grenchen, sagt der Künstler: «Beispielsweise das Werk ‹Tag und Nacht›, das am Ende der Lindenstrasse an der Kreuzung zur Absyte südwestlich der Eusebiuskirche steht: Dieses Kunstwerk wurde eigens für genau diesen Platz geschaffen, ich erachte es als eines meiner wichtigsten Kunstwerke, das direkten Einfluss auf die Stadt nimmt.» Zuerst wurde es zusammen mit Leuten des Arbeitslosenwerks aus Holz gebaut, aber es drohte zu verfallen. Deshalb konnte Reist es Jahre später aus Beton wieder nachbauen – das rot-blaue Kunstwerk ist weitherum bekannt.
Ebenfalls ein ortsgebundenes Kunstwerk des Bildhauers ist «Neuron», eine Skulptur am Aareufer neben der Archbrücke. Neuron entstand aus Elementen und Überresten der alten, einstreifigen Archbrücke, die Reist als «Nabelschnur» zwischen der ländlichen Gegend des Bucheggbergs und der industrialisierten Gegend Grenchens bezeichnet. Damit dieses Kunstwerk finanziert werden konnte, hatte die Bevölkerung gesammelt, das Grenchner Tagblatt war massgeblich an der Aktion beteiligt.
In Grenchen stehen noch weitere, der Öffentlichkeit zugängliche Werke Reists: «Structures» vor und in der Raiffeisenfiliale an der Solothurnstrasse, «Fazzolettos» bei der Firma Feller Pivotages, «Spatium» bei Strausak, ein Torso aus Holz beim Alterszentrum Weinberg, die Platzgestaltung hinter der SoBa sowie Kunst am Bau bei der Rodania.
Sein Schaffen hat aber schon seit Jahren eine Ausstrahlung weit über die Region hinaus. Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland zeugen davon. Reist veröffentlichte auch viele eigene Publikationen zu den Ausstellungen und zu seinen Werken, den Ideen, die dahinter stecken. 2011 wurde Reist mit dem Bucheggberger Kulturpreis ausgezeichnet. 2014 erreichte er im Wettbewerb der Grenchner Triennale den 2. Preis für 3-D-Druck. Und letztes Jahr erhielt er in Bad Ragaz für sein Werk «Globo uovo» den 1. Schweizer Skulpturenpreis. Das überdimensionale Ei steht übrigens jetzt beim Restaurant Attisholz, nachdem es im Centre Dürrenmatt in Neuenburg und in Bad Ragaz ausgestellt war.
Für das Jahr 2019 sind vier Ausstellungen geplant: «Globo uovo» hätte an der Skulpturenausstellung «Skulptura» in Wasserburg, Deutschland gezeigt werden sollen, aber das Gelände dort eigne sich nicht besonders gut. Reist will stattdessen andere Skulpturen zeigen. Ende Mai findet in Jegenstorf die dritte Ausstellung «Kunst im Wald» statt, wo Reist gemeinsam mit anderen Künstlern präsent sein wird. Mitte Juni bis Mitte Juli stellt der Schnottwiler Skulpturen und Bilder in der Galerie «Alte Brennerei» in Unterramsern aus und vom 16. August bis 6. September sind Skulpturen und Bilder am Menuhin Festival in Gstaad zu sehen.
«Marc Reist ist nicht ein Künstler, der sich anpasst, er ist sich treu. Nie würde er etwas schaffen, nur um zu gefallen. Seine Bescheidenheit und Zurückhaltung sind vielleicht nicht ‹marktfördernd›, aber eben ehrlich und zeugen von Grösse. Ausserdem ist er Perfektionist und ein absoluter Ästhet», schreibt die Stadt Grenchen in ihrer Medienmitteilung zum Kulturpreisträger 2019. Eine Einschätzung, der sich jedermann, der sich mit den Werken Reists, den Ideen dahinter und mit seiner Person auseinandergesetzt hat, anschliessen kann. Reist tut nichts Unüberlegtes, ist immer am Tüfteln, am Sammeln von Ideen.
Sein letztes Werk, «Globo uovo», habe ihn sehr in Beschlag genommen, auch zeitlich, sagt er. Er habe immer zu wenig Zeit. Nun könne er sich endlich den neuen Ideen widmen und diese umsetzen. Besonders die Druckgrafik hat es ihm angetan. Nicht zuletzt, weil er die alte Druckmaschine des Grenchner Künstlers Peter Wullimann in seinem Atelier in Betrieb nehmen konnte.
«Marc hatte schon immer ein Problem mit Zeitmanagement», meint seine Frau Iris lachend. Aber zuerst müsse er jetzt die Präsentation und die Dankesrede für Donnerstag vorbereiten, sind sich die beiden einig.
Preisverleihung: Donnerstag, 17. Januar, Sonderpädagogisches Zentrum Bachtelen, Girardsaal (Anlass öffentlich).