Pro und Kontra
«Logische Weiterentwicklung» versus «bewährtes Vorgehen»: Der Streitpunkt Bettlachstrasse

SP-Gemeinderat Alex Kaufmann hat eine Petition für die versuchsweise Teilsperrung der Bettlachstrasse im Sommer lanciert. SVP-Gemeinderat Richard Aschberger wehrt sich gegen das Vorhaben. Im «Pro & Kontra», können sie je ihre besten Argumente dafür und dagegen darlegen.

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Ein Fahrverbot auf der Bettlachstrasse: Ja oder Nein?

Ein Fahrverbot auf der Bettlachstrasse: Ja oder Nein?

Andreas Toggweiler

Pro: «Logische Weiterentwicklung»

Für Alex Kaufmann ist der Versuch ein Qualitätsförderungsprojekt für das Grenchner Stadtzentrum.

Die Sperrung dieses Strassenabschnittes ist die logische Folge der Begegnungszone im Zentrum von Grenchen, die sich in den letzten Jahren entwickelt hat. Diese Massnahme ist ein wichtiger Teil des bereits umgesetzten Zentrumskonzeptes. Die Bettlachstrasse wurde im Zentrumskonzept ursprünglich als verkehrsfrei geplant.

Alex Kaufmann Erstunterzeichner und SP-Gemeinderat der Stadt Grenchen

Alex Kaufmann Erstunterzeichner und SP-Gemeinderat der Stadt Grenchen

hansruedi riesen hrr switzerlan

Verschiedene Anlässe und Events im Zentrum haben aufgezeigt, dass dieser Strassenabschnitt bei einer Sperrung des Durchgangsverkehrs an Qualität gewinnt. Dieser Strassenbereich ist ein belebter und intensiv genutzter Standort in unserer Stadt mit viel Potenzial. Das Strassencafé lädt zum Verweilen ein und ist ein Publikumsmagnet für verschiedenste Gelegenheiten und Anlässe. Unsere Stadt ist seit Jahren bemüht, ein attraktives Stadtbild im Zentrum zu erhalten. Mit der Umsetzung des verkehrsfreien Marktplatzes und der Einführung von Begegnungszonen hat Grenchen städtebaulich an Qualität dazugewonnen.

Die Schliessung während der Sommermonate beinhaltet kein Wegfallen von Parkplätzen. Kein Gewerbebetrieb an diesem betroffenen Strassenabschnitt verliert einen Parkplatz; weil gar keine Parkplätze vorhanden sind.

Foto Ryf hat den Zugang weiterhin von Westen und die Gewerbebetriebe zwischen Fust und Kreuzung Kapellstrasse von Osten oder via EPA-Parkplatz von Süden. Ebenso sind die Zufahrten für den Warenumschlag und zu den Mieterparkplätzen im Schmiedehof jederzeit gewährleistet (Zubringerdienst gestattet). Als positive Nebenerscheinung würde auch die wilde Parkiererei, wie sie aktuell praktiziert wird, mit dieser Massnahme wegfallen.

Zudem handelt es sich um eine befristete Massnahme über die Sommermonate. In den restlichen Monaten des Jahres bleibt die Situation, wie sie heute ist.

Es ist an der Zeit, in dieser Sache einen Schritt vorwärts in die Zukunft zu tätigen und im Zentrum etwas zu bewegen. Nach der zweimaligen Ablehnung im Gemeinderat ist es nun an der Zeit, dass die Bevölkerung aktiv wird und die Möglichkeit erhält, sich für die verkehrsfreie Strasse einzusetzen.

Leider widerspiegelt der Gemeinderat heute nicht mehr zwingend die Meinung der Bevölkerung. Dies liegt nach der mageren Stimmbeteiligung der letzten Gemeinderatswahlen von rund 31 Prozent auf der Hand.

Das Ganze ist über die Jahre gereift und muss jetzt umgesetzt werden; wenn auch in einem ersten Schritt nur versuchsweise. Wie müssen die Qualitäten unserer Stadt fördern, wo sie vorhanden sind, und nicht in Schubladen von Verwaltungen verstauben lassen.

Die Petition wird bewusst von der «Interessengemeinschaft verkehrsfreie Bettlachstrasse im Sommer» lanciert. Die Initiative soll aus der Bevölkerung kommen.

Kontra: «Gewerbe trägt die Konsequenzen»

Für Richard Aschberger ist das Projekt «alter Wein in neuen Schläuchen» und eine Bevorzugung Einzelner.

Neue Verbote und Einschränkungen in der Stadt Grenchen gilt es genau zu hinterfragen. Es ist wichtig, dass man immer beide Seiten der Medaille betrachtet. Der aktuelle Fall der Bettlachstrasse zeigt dies deutlich. Auf den ersten Blick ist es verlockend, eine Strasse für mehrere Monate zu sperren und so eine «Dolce-Vita-Zone» einzuführen. Doch es gibt auch Schattenseiten zu diesem Vorhaben. Dieses Anliegen ist nicht grundlos bereits mehrfach abgelehnt worden, das letzte Mal vor ziemlich genau einem Jahr im Gemeinderat mit einem deutlichen Votum von 10:4 Stimmen.

Richard Aschberger Kantons-, Gemeinde- und Bürgerrat, SVP

Richard Aschberger Kantons-, Gemeinde- und Bürgerrat, SVP

zvg

Ein einziges Restaurant hätte hier einen gewaltigen Standortvorteil gegenüber anderen Lokalen der Stadt – wo bleibt hier die Fairness gegenüber den Wirten am anderen Ende der besagten Zone? Es stellen sich auch weitere Fragen: Wie sieht es mit einer finanziellen Abgeltung für die Nutzung der Gemeindestrasse aus, vor allem über einen Zeitraum von mehreren Monaten hinweg? Zudem hat die Stadtpolizei letztes Jahr erklärt, dass eine Schliessung auf Höhe «Kuoni» zu einer Sackgasse führen würde. Somit wäre das Wenden von Fahrzeugen erheblich erschwert und damit erzeugt man unnötigerweise neue Gefahrenpotenziale. Auch die Anlieferung für Betriebe wird durch eine Vollsperrung erschwert und verkompliziert. Solche Verkehrsmassnahmen müssen zwingend mit dem Gewerbe abgesprochen und von ihm unterstützt werden, dies ist derzeit klar nicht der Fall. Unsere Gewerbler haben schon genug zu kämpfen und bei einem negativen Ausgang eines solchen Versuchsballons tragen sie und damit auch ihre Angestellten und deren Familien die vollen Konsequenzen. Auch bin ich überzeugt, dass sich die Mehrheit der direkt betroffenen Anwohner gegen eine monatelange Sperrung der Bettlachstrasse mit entsprechender Feststimmung und Lärmpegel aussprechen würden.

Es ist einfach, etwas für andere zu bestimmen, wenn man als Petitionär selber gar nicht in der besagten Zone wohnt.

Das bisherige Vorgehen der letzten Jahre hat sich bewährt, ist breit abgestützt inklusive des Segens vom Gewerbever- band und ist auch von den allermeisten Anwohnern akzeptiert: Wenn ein Anlass stattfindet, kann man einen Teil der Strasse temporär schliessen und bei Nichtgebrauch wieder öffnen. Ansonsten sollte zuerst ein verbesserter Vorschlag zusammen mit der Bevölkerung und den Gewerblern erarbeitet werden, bevor das Thema erneut dem Gemeinderat vorgelegt wird – sonst verschwenden wir nur Zeit und Energie für alten Wein in neuen Schläuchen. Die Verwaltung ist bereits aktiv, die Wirtschaftsförderung wurde beauftragt und in wenigen Wochen starten der Dialog und die Erarbeitung der Vorschläge für die Attraktivierung des Stadtzentrums. Das ist das richtige Vorgehen, denn einen Flickenteppich haben wir sonst schon genug auf unseren Gemeindestrassen.

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