Ständeratskandidaten
Kurt Fluri: Seine Stärke ist auch seine Schwäche

Kurt Fluri will für die FDP Rolf Büttikers Sitz im Ständerat verteidigen. Die sachbezogene Arbeit und Gesprächskultur im Ständerat würde dem spröde wirkenden Politiker liegen.

Stefan Frech
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Kurt Fluri (56) gefällt der Grüngürtel im Norden der Stadt Solothurn, wo auch das Kunstmuseum steht.

Kurt Fluri (56) gefällt der Grüngürtel im Norden der Stadt Solothurn, wo auch das Kunstmuseum steht.

Felix Gerber

Kurt Fluri sitzt auf einem Bänkli vor dem Kunstmuseum Solothurn. Die warme Herbstsonne scheint ihm ins Gesicht. Er wirkt entspannt. Erstaunlich entspannt für einen Menschen, der – nicht nur jetzt im Wahlkampf – von Anlass zu Anlass hetzt, bis in die Nacht hinein arbeitet und deshalb seine Kinder fast nur am Wochenende sieht (seine Frau auch nicht viel häufiger).

Der 56-Jährige ist gleichzeitig Stadtpräsident, Nationalrat, Mitglied von knapp 30 Gremien und Vater von fünf Kindern. Und jetzt will dieser «politische Hansdampf in allen Gassen» noch in den Ständerat? Und Stadtpräsident bleiben. Geht das auf? «Ja», sagt Fluri überzeugt. «Ich rechne mit einem zeitlichen Ausgleich: Im Ständerat wird mehr in den Kommissionen gearbeitet, dafür sind die Sessionstage kürzer.»

Fluri ist kein «Medienpolitiker»

Die sachbezogene Arbeit und Gesprächskultur im Ständerat würde dem spröde wirkenden Politiker liegen. «Ich könnte mich dort besser einbringen als im Nationalrat, wo oft Hahnenkämpfe und Selbstdarstellungen vorherrschen.» Fluri ist sich bewusst, dass er kein «Medienpolitiker» ist, keiner der im Scheinwerferlicht der Kameras das Gegenteil von dem behauptet, was er kurz zuvor in der Kommission vertreten hat.

Fluri sieht seine persönliche Stärke in der Gründlichkeit, mit der er sich in die politischen Geschäfte einarbeitet. «Ich will wissen, von was ich spreche.» Er liest alle Vorlagen und Protokolle selber, er hat keinen persönlichen Mitarbeiter wie viele andere Parlamentarier. Dieser Drang nach Gründlichkeit sei aber zugleich eine seiner persönlichen Schwächen, sagt Fluri. «Sie führt zu grosser Belastung. Ich habe nicht Zeit wie andere für Weiterbildungen, etwa für Sprachen.»

«Eine harte Zeit für meine Mutter»

Ist ihm manchmal nicht alles zu viel? Hat er noch Freude an der Politik? «Wie am ersten Tag», sagt Fluri. Politisiert wurde er von einem politischen Gegner, seinem damaligen Geschichtslehrer an der Kantonsschule und späteren CVP-Regierungsrat Thomas Wallner. «Er hat begeisternd vom Liberalismus im 19. Jahrhundert erzählt», erinnert sich Fluri. «Ich habe in meiner Jugend wahnsinnig viele Geschichtsbücher gelesen.» Ausserdem trat er in die «Wengia», die liberale Studentenverbindung in Solothurn, ein. Als Fluri 18 war, gründete er mit zwei Kollegen eine Ortssektion der Jungliberalen Bewegung.

Nach der Matura studierte Kurt Fluri in Bern und Basel Rechtswissenschaften. Das war keine Selbstverständlichkeit. Fluri wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. Der Vater, ein Uhrenmacher in Grenchen, starb, als Kurt zweieinhalb Jahre alt war. Die Mutter musste ihre zwei Söhne mit Heimarbeit ernähren. «Sie nähte als Weissnäherin Knopflöcher – oft auch am Abend und am Wochenende.» Kurt half beim Ausliefern mit. «Es war eine harte Zeit für meine Mutter.» Ferien gab es nicht.

«Ich bin gerne unter Leuten»

Nach dem Jusstudium arbeitete Kurt Fluri neun Jahre lang als selbstständiger Rechtsanwalt und Notar in Solothurn. Er beschäftigte sich mit fast allen Seiten des Rechts, vom Straf- bis zum Baurecht. «Mich fasziniert die Vielfältigkeit, die Breite –auch in der Politik», sagt Fluri. Also tauchte er immer tiefer ins politische Leben ein.

1985 wurde er in den Gemeinderat gewählt, vier Jahre später in den Kantonsrat. 1993 wurde er Stadtpräsident von Solothurn und machte die Politik zu seinem Beruf. «Es war für mich ein logischer Schritt, ganz in die Politik einzusteigen.»

Sein Amt übt er heute so gern aus wie am ersten Tag. «Ich komme in Kontakt zu allen Bevölkerungsgruppen. Ich bin gerne unter Leuten.» Klar gebe es Angriffe gegen ihn, «in der Regel werde ich aber fair behandelt». Die städtische Politik in Solothurn sei nicht gehässig. Es herrsche ein gutes Klima im Gemeinderat. «Das motiviert mich.»

Die «hypothetischen Hobbies»

Kurt Fluri schaut auf die Uhr. Es ist schon fast 11 Uhr. Der nächste Termin ruft. Wie erholt er sich nach hektischen Tagen? Mit Hobbies? «Ich habe nur hypothetische Hobbies», sagt Fluri lachend. Er wandert gerne im Jura – für mehr als zwei Wanderungen pro Jahr reicht die Zeit allerdings nicht. Kurt Fluri hört gerne Musik – aber nur passiv; er würde gerne Klavier spielen lernen. Dafür hat er aber keine Zeit. Kurt Fluri würde gerne Geschichtsbücher lesen – zurzeit reicht es aber «nur» für die Zeitungslektüre.

Den Privatmenschen Fluri gibt es also eigentlich nicht. «Mein Leben besteht aus Familie und Politik.» Kurt Fluri steht auf. Er muss los. «Sehen Sie?», er zeigt aufs Kunstmuseum, auf den Abfallkübel, aufs Bänkli. «Alles um uns herum wurde einmal durch Politiker beschlossen. Das ganze Leben ist Politik.»