Vernissage
Kunst-Broschüre ermöglicht einen ganz neuen Blick auf Grenchen

Seit Donnerstag liegt die Broschüre «Kunst im öffentlichen Raum» im Stadthaus und an weiteren Orten gratis auf.

Oliver Menge
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V.l.: Friederike Schmid, die Vertreterin des anonymen Mäzens, die Künstlerin Gillian White und Silvan Granig,Leiter des Standortmarketings Kultur und Sport der Stadt, posieren bei «Zwischen uns – Berg und Tal I» am Girardplatz.

V.l.: Friederike Schmid, die Vertreterin des anonymen Mäzens, die Künstlerin Gillian White und Silvan Granig,Leiter des Standortmarketings Kultur und Sport der Stadt, posieren bei «Zwischen uns – Berg und Tal I» am Girardplatz.

Oliver Menge

Am Dienstagabend fand beim Girardplatz die Vernissage der neuen Broschüre der Stadt Grenchen «Kunst im öffentlichen Raum – Innenstadt-Rundgang und Velo-Rundfahrt» statt. Gleichzeitig wurde das neueste Kunstwerk im öffentlichen Raum, die Skulptur mit dem Titel «Zwischen uns – Berg und Tal I» von Gillian White im Beisein der Künstlerin eingeweiht.

Internationale, nationale und regionale Künstler haben in der Stadt Grenchen ihre Spuren hinterlassen. Die Dichte der Kunst im öffentlichen Raum ist beachtlich und scheut den Vergleich mit anderen Städten keineswegs. «Im Gegenteil: Fast unbemerkt entstand seit den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts bis heute eine Art Freilichtmuseum, in einer Zeitspanne, in der die meisten Kunstwerke entstanden sind», erläuterte Silvan Granig, Leiter Standortmarketing, Kultur und Sport der Stadt Grenchen anlässlich der Vernissage des neuen Kunstführers.

Die 56 Seiten starke Broschüre begleitet die Leserinnen und Leser auf zwei Rundgängen in der Stadt – der eine zu Fuss durch die Innenstadt, der andere mit dem Fahrrad in den Aussenbezirken. Die umfassende Broschüre konnte dank der grosszügigen Unterstützung eines anonymen Spenders aus dem Kanton Solothurn realisiert werden. Derselbe Spender ermöglichte übrigens auch den Kauf der Skulptur von Gillian White, die auf dem Kreisel am Girardplatz steht und anlässlich der Vernissage eingeweiht wurde.

Die 56-seitige Broschüre istan diversen Orten gratis erhältlich.

Die 56-seitige Broschüre istan diversen Orten gratis erhältlich.

Oliver Menge

Umfassend – nicht abschliessend

118 Kunstwerke, die im öffentlichen Raum oder in öffentlich zugänglichen Gebäuden wie Schulhäusern, Alterszentren und Verwaltungsgebäuden zu sehen sind, werden im Kunstführer vorgestellt. «Die Auswahl ist umfassend, aber nicht abschliessend», sagte Granig. Um die Einladung an die Leserinnen und Leser zu Spaziergang und Rundfahrt nicht in die Lektüre eines Nachschlagewerkes kippen zu lassen, habe man sich bei der Werkauswahl auf je rund 60 Werke pro Tour eingeschränkt, aber es sei geplant, auf der Webseite der Stadt ein ständig wachsendes und aktualisiertes Verzeichnis aller Kunstwerke einzurichten.

Mit welchem Aufwand dies verbunden ist, veranschaulicht aber beispielsweise das Sonderpädagogische Zentrum Bachtelen, das allein in seinen Räumlichkeiten rund 350 Kunstwerke ausweist.

Kunst sei immer auch ein Spiegelbild der jeweiligen Kulturpolitik, des Zeitgeistes und des Kunstverständnisses, so Stadtpräsident François Scheidegger im Vorwort der Broschüre. Auch ein Spiegelbild der finanziellen Möglichkeiten der Stadt: Zahlreiche Kunstwerke seien von der Stadt erworben worden, andere seien ihr geschenkt worden. «Andere gelangten durch das kulturelle Engagement des Kantons, von Institutionen, Unternehmen und Privatpersonen in den öffentlichen Raum.»

Nur wenige der Kunstwerke seien umfassend dokumentiert, meinte Granig. Die Erarbeitung der Broschüre sei für alle Beteiligten eine wahre Schatzsuche gewesen. Die Grenchner Jahrbücher hätten sich als hervorragende Quelle erwiesen, aber auch Gespräche mit Zeitzeugen, Kenner der Materie, Eigentümer der Werke und mit Kunstschaffenden seien unerlässlich gewesen. Die Broschüre richtet sich sowohl an Touristen und Auswärtige, als auch an Einheimische, die Grenchen auf neue Art erleben möchten. Sie erhebe keinen Anspruch auf kunsthistorische Vollständigkeit, sondern stelle ein kultur-touristisches Instrument dar, sagte Granig.

Zwei Mal 45 Minuten

Der Rundgang durch die Innenstadt beginnt beim Kunsthaus beim Bahnhof Süd und endet auch wieder dort. Auf dem Weg trifft man unter anderem auch auf das wohl meist «benutzte» Kunstwerk in der Stadt, die als Sitzbänke dienenden Fische von Peter Travaglini beim Migros. «Ich bin schon als kleiner Junge auf dieser Skulptur rumgeklettert», sagte Granig. Die Betonskulpturen – ursprünglich waren noch weitere Elemente vorhanden – zeigten exemplarisch, wie das Verständnis für Kunst im öffentlichen Raum oft fehle, seien doch Teile ohne Wissen des Künstlers überbaut worden oder weggekommen.

Der letztes Jahr verstorbene Travaglini aus Büren ist übrigens der am meisten vertretene Künstler im Führer mit 13 Kunstwerken. Die Fahrrad-Rundfahrt startet an der Aare, wo zwei der neun nationalen Velorouten durch Grenchen laufen und führt als eigentliche «Tour d’écoles» zu verschiedenen Schulhäusern im Westen und Norden und in die Industriezone im Osten und Süden der Stadt.

Friederike Schmid, die Vertreterin des anonymen Sponsors, würdigte die Arbeit der an der Broschüre Beteiligten. «Kunst ist Ausdruck einer Gesellschaft, ihrer Menschen und ihrer Zeit.» Sie sei ein Spiegel politischer und gesellschaftlicher Statements. Schmid stellte den Anwesenden die Künstlerin Gillian White vor, die ihr Werk aus zwei zusammengestellten Cortenstahl-Elementen geschaffen hat. Die 1939 in England geborene Künstlerin meinte selber zu ihrem Kunstwerk: «Cortenstahl hat den Vorteil, dass die Korrosion einen Schutzfilm bildet. Der Rost ist also die Schutzschicht», meinte sie lachend. Man könne viel in ihrer Skulptur sehen. «Wie der Werktitel sagt, bezieht sich das Werk auf die Berge und Täler mit ihren Flüssen in der Schweiz. Manche sehen auch Hände, aber eigentlich ist es jedermann überlassen, das zu sehen, was er will.»

«Kunst im öffentlichen Raum will uns etwas erzählen», sagte der Kulturverantwortliche Silvan Granig. «Die Auseinandersetzung mit den Kunstwerken in Grenchen ermöglicht einen ganz neuen Blick auf unsere Stadt».