André Sauvain, Ur-Grenchner und Schrift- und Reklamemaler, feiert das 30-jährige Bestehen seiner Firma. Ein Augenschein im Atelier.
An der Jurastrasse ist ein Schild sichtbar, welches auf den Zugang zu André Sauvains Atelier hinweist. Auf dem geräumigen Vorplatz der Jurastrasse 85 steht eine Sitzbank. Im Erdgeschoss hat Sauvain Räumlichkeiten gemietet, die für sein Handwerk angemessen sind. Dodo, die englische Bulldogge, döst und macht keinen Wank, als der Besucher näher tritt. Kurz erhebt sich der Hund, schnuppert und fläzt sich wieder träge auf den warmen Asphalt.
«Mein Inkasso-Hund», kommentiert Sauvain grinsend. «Mutig, unsportlich, loyal, grimmig im Aussehen, aber überaus liebenswürdig im Wesen», wird die Rasse im Hundebuch beschrieben. Sauvain bestätigt die Aussage, hat sich längst in die Bulldoggen verliebt. Nach einer «bewegten» Jugend, O-Ton von André Sauvain, und er schmunzelt bei seiner Aussage, fand er eine Lehrstelle als Schriftenmaler. Damals ein begehrter Job. Unterricht an der Kunstgewerbeschule gehörte zur Ausbildung. Nach der Lehre arbeitete der 53-Jährige einige Jahre in einer bekannten Werbeagentur. Als junger Berufsmann wurde er zu einem Anlass eingeladen. Seine Aufgabe war es, auf der Bühne in Frakturschrift einen Schriftzug live zu zeichnen.
«Nervös war ich», erinnert er sich, als er langhaarig, im weissen Schurz seine Fähigkeiten als junger Berufsmann demonstrierte. «Wie vom Blitz getroffen fühlte ich mich», berichtet er, als er von seinem Werk zurücktrat. Es hatte sich ein Rechtschreibfehler eingeschlichen.
Nach einem kurzen Aufenthalt in Solothurn kehrte er in die Uhrenstadt zurück. In einer günstigen Unterkunft richtete er sich ein. Ein Hellraumprojektor stand in seiner Klause, Transparentpapier war entsprechend montiert und der Bleistift war bereit. Eine Wäscheleine trennte den Wohn- und Arbeitsraum. Ein wichtiger Kundenbesuch in dieser Wohnung hat zu einem guten Resultat geführt, trotz zum Trocknen aufgehängten Wäschestücken. «Ich musste damals wenig für Logis und Krankenkassenprämien bezahlen», erklärt er seinen damaligen Entschluss.
Mit 23 Jahren hat er sich im kleinen Stil selbstständig gemacht und ist es bis heute geblieben. Er arbeitete für Uhrenfirmen, beschriftete Autos, wagte sich an Flugzeuge, überzog einen Helikopter mit Folie, beschriftete gar Lokomotiven fürs Schweizer Fernsehen, gestaltete Kühlschränke und Tanksäulen, dies alles damals noch ohne Computer. Im Internet sind Beispiele seiner Arbeiten in einer ansehnlichen Präsentation bei YouTube ersichtlich. Heute entwirft er unter anderem Logos für Firmen und Einzelpersonen und führt die weiteren, anfallenden Arbeiten aus.
Die persönlichen Gespräche über Zweck und Vorstellungen sind ihm wichtig. Er versucht immer, das Maximum herauszuholen. «Perfekt oder gar nicht», lautet sein Motto. Manche Auftraggeber machen dann mit den Entwürfen, was sie wollen. Oft wundert sich der Schriftenmaler und ärgert sich ab und an über den lapidaren Umgang mit seiner Arbeit. Ungelernte «Naturtalente» mit wenig Flair machen sich breit. Die Ansprüche sind gesunken.
Zurück auf den Vorplatz beim Atelier. Dodo döst noch immer. Sauvain hat an die 30 Agenden herausgetragen. Mit Spannung blättert er in seinem kalendarischen Archiv. «Dieser Auftrag war geil», erinnert er sich und zeigt auf einen Eintrag, der viele Jahre zurückliegt, und stutzt beim nächsten, weil der damalige Auftraggeber verstorben ist. Mögen noch viele Kalender in Zukunft zu der Sammlung dazukommen. Freude am Beruf, Hoffnung auf gute Momente und die tägliche Kreativität sind Sauvain ungebrochen geblieben.