Grenchen
Konkurs angemeldet: Michel war einst die schönste Fabrik

Die jetzt konkursite Firma Michel Präzisionstechnik AG gehörte einst zu den Uhrenpionieren. Zeitweise residierte die Firma im wohl schönsten historischen Fabrikgebäude Grenchens.

Andreas Toggweiler
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Der repräsentative Portalbau zum Fabrikkomplex ist bis heute erhalten geblieben. Archiv

Der repräsentative Portalbau zum Fabrikkomplex ist bis heute erhalten geblieben. Archiv

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1893 gründeten Jean Schwarzentrub und Arthur Müller an der Schützengasse die Uhrenfabrik Schwarzentrub und Müller. Nach mehreren Besitzerwechseln wurde die Anlage 1904 Sitz der 1898 in Lengnau gegründeten Firma Adolf Michel. Sie ist Ursprung und Namensgeberin der Michel Präzisionstechnik AG, die letzten Freitag nach anhaltenden Schwierigkeiten Konkurs angemeldet hat (wir berichteten).

Die Firma residierte zeitweise im wohl schönsten historischen Fabrikgebäude Grenchens an der Schützengasse, unweit des Nordbahnhofs. Der Firmengründer Adolf Michel, 1865 in Grenchen geboren, war ein genialer Maschinenkonstrukteur und später ein schillernder Patron. 1911 beschäftigt er 200, 1913 gar 300 Personen.

1919 wurde das Fabrikareal mit einem repräsentativen Erweiterungsbau ergänzt, der heute teilweise erhalten ist und dessen Südostfassade manche Postkartenansicht Grenchens zierte.

Kurz zuvor machte die Fabrik aber auch noch Negativschlagzeilen: 1914 war sie Ausgangspunkt eines mehrmonatigen Streiks, an dem sich 2000 Uhrenarbeiter beteiligten. Dabei wurden die Gewerkschaften erstmals anerkannt, doch 1000 ausgesperrte Arbeiter fanden keine Arbeit mehr.

In ihren Anfängen stellte die Fabrik Roskopf-, Zylinder- und Ankeruhren her. 1918 erfolgte die Umwandlung in eine reine Rohwerkunternehmung. 1919 ist noch ein Boomjahr, dann bricht eine schwere Wirtschaftskrise aus. Adolf Michels Unternehmen gerät in Schieflage. 1922 beruft Michel den späteren Bundesrat Hermann Obrecht an die Spitze des Verwaltungsrates. Die Firma Michel SA war 1926 eine der Mitbegründerinnen der Ebauches SA, der Holdinggesellschaft der Schweizer Uhrwerkindustrie. Bald setzt ein neuer Aufschwung ein und 1927 ist ein Rekordjahr mit über 700 Beschäftigten.

Am 21. Februar 1928 stirbt Adolf Michel. Noch kann die Familie mit zwei Schwiegersöhnen ihren Einfluss in der Ebauches SA geltend machen. Einer nimmt sich aber 1934 das Leben. Ab jetzt ernennt die Ebauches SA bzw. die Asuag die Direktoren.

Nach der Schaffung der SMH-Gruppe wurde die Michel SA 1985 in die ETA integriert (als ETA Werk 17). Der heutige ETA-Chef Pierre André Bühler beispielsweise startete seine Laufbahn 1977 als Atelierchef der Michel SA.

1980, der Hauptsitz war inzwischen an der Maienstrasse, begann Michel im Zulieferbereich der Automobilindustrie tätig zu werden, was bis zuletzt ihr Kernbereich blieb. Bekannte Abnehmer waren unter anderem Bosch, Continental, Delphi oder Caterpillar. Der Wettbewerb in der Zulieferbranche war aber sehr intensiv.

2008 trennte sich die Swatch Group von der Michel SA. Käufer war die Ferton Holding AG in Delsberg, von der Swatch ihrerseits den Bereich Uhrenbestandteile der Firma Burri SA übernahm. Die Michel SA hatte seither Probleme, den Produktionsstandort Grenchen zu sichern, und schrieb mehr rote Zahlen als schwarze. Heute beherbergt die Fabrikanlage an der Schützengasse zwei Firmen, die zur Swatch Group gehören: eine Forschungs- und Entwicklungsfirma des Konzerns sowie Meco, welche Uhrenbestandteile, insbesondere Kronen, herstellt.

Quellen: Grenchner Jahrbuch 1998 (German Vogt: 100 Jahre Michel AG), 150 Jahre Uhrenindustrie (Grenchen, 2001)