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Am 1. Oktober ist Robert Gerber seit 25 Jahren Polizist in Grenchen, davon 20 Jahre als Kommandant der Stadtpolizei. Gerber über seine Arbeit und die Gründe, warum Grenchner offenbar weniger kriminell sind als Solothurner oder Oltner.
Robert Gerber, sind Sie noch nicht amtsmüde?
Robert Gerber: Nein, bis dato nicht.
Warum?
Den Polizeiberuf finde ich noch immer sehr interessant und ich verspüre wenig Abnützungseffekte. Es ist wichtig, dass man sich abgrenzen kann von gewissen Dingen, was mir glaube ich recht gut gelingt. Wo ich heute manchmal aufpassen muss, ist, wenn ich mich im Verborgenen über Dinge aufrege, die andere Mitarbeiter der Stadt nicht wissen. Dann fällt mir ein, dass sie es gar nicht wissen können, weil sie noch nicht so lange dabei sind. Als amtsältester Abteilungsleiter habe ich inzwischen mit drei Stadtpräsidenten zu tun gehabt.
Wie hat sich die Polizeiarbeit in dieser Zeit verändert?
Ein Polizeischüler bekam früher einen Ordner mit den Informationen, die für die nächsten vielleicht zehn Jahre Gültigkeit hatten. Heute hat man ein ausgeklügeltes Informatiksystem, das zwar auch persönlich, aber immer up to date ist. Denn die Informationen und Richtlinien ändern sich dauernd.
Und auf der Streife?
Die Struktur der Kriminalität ist heute schon eine andere. Die Drogenszenen sind praktisch verschwunden. Wobei zu sagen ist, dass Grenchen von diesem Problem nie gross betroffen war. Vielleicht auch, weil unser Stadtpark nicht an der Bahnlinie nach Zürich liegt. Schon früher gab es Kriminaltouristen, sie agierten aber viel diskreter und weniger aggressiv. Sie sind heute auch mobiler, kommen mit dem eigenen Auto und flüchten oft ins Ausland, wo sie leider kaum mehr verfolgt werden. Es gibt auch neue Formen der Kriminalität, Trickdiebstähle beispielsweise an den Bancomaten.
Grenchen hat die niedrigste Kriminalitätsrate der drei Solothurner Städte. Sind Sie stolz darauf?
Darauf bin ich und das Korps sehr stolz. Denn es widerspricht diametral dem negativen Image, das Grenchen vielerorts hat. Wir haben weniger als die Hälfte der Delikte der Stadt Solothurn, obwohl beide Städte praktisch gleich gross sind.
Das ist aber kaum allein das Verdienst der Polizei?
Unsere Bestrebungen hinsichtlich der Prävention fruchten eben doch. Wir sind mit Kontaktbeamten in jedem Schulhaus präsent, machen Aktionen wie «wachsamer Nachbar» oder «Gardien» und versuchen in der ganzen Stadt regelmässig präsent zu sein. Ständige Kontrollen haben einen Vertreibungseffekt. Dazu kommt die Zusammenarbeit mit den anderen Abteilungen der Stadt, beispielsweise mit dem Sozialamt. Und wir sind froh, dass wir ein gutes Verhältnis zur Bevölkerung haben.
Eine Untersuchung hat gezeigt, dass die Zusammenarbeit mit der Kapo ebenfalls in Grenchen am besten klappt. Woran liegt das?
Wenn ein solches Projekt aufgezogen wird, ist ein zweihundert prozentiger Einsatz nötig. Es reicht nicht, grosse Sprüche vor der Mannschaft zu schwingen und danach im Kaffeeraum zu sagen, das ist ein «Seich». Wir haben am Stichtag 1. Februar 2010 das alte System buchstäblich abgestellt und das neue gestartet. Ich sagte am Rapport 2014. «Ihr alle wolltet in einer höheren Liga spielen. Jetzt spielen wir darin.»
Die Herausforderung bleibt aber bis heute bestehen. Ich bestehe bei den Patrouillen darauf, dass alle alles machen. Damit ist die Herausforderung für alle gleich und man begegnet sich auf Augenhöhe und kann gleichwertige Erfahrungen sammeln.
... und dennoch wird alle paar Jahre wieder ein Zusammenschluss der Polizei gefordert. Sie sind dagegen. Warum?
Fusionen entsprechen offenbar dem Zeitgeist - aber nur in der deutschen Schweiz. In der Romandie und im Tessin ist die Bewegung gegenteilig. Schlussendlich ist es eine politische Frage. Aber es lässt sich nicht wegdiskutieren, dass eine Polizei vor Ort mit Polizistinnen und Polizisten vom Ort, - rund drei Viertel unseres Korps wohnen hier - sehr viele Vorteile hat. Die Leute sind oft noch hier aufgewachsen, kennen jeden Winkel, die Leute, bisweilen auch das «Milieu». Die Polizisten müssen auch anständiger sein zu den Leuten, wenn sie ihnen am nächsten Tag beim Einkaufen wieder in die Augen schauen wollen. Das sehen nicht alle so, ich bin aber davon überzeugt.
In letzter Zeit sind Sie in der Kritik der Konzertveranstalter gestanden Stichwort Headbangers Ball, Rock am Märetplatz. Sind Sie zu streng mit den Bewilligungen? Oder wo liegt das Problem?
Wir sind gar nicht Bewilligungsinstanz, sondern der Kanton. Jedenfalls wenn Alkohol ausgeschenkt wird und das ist ja bei solchen Anlässen immer der Fall. Im Übrigen ist es immer eine Frage der Güterabwägung, ob man die Interessen der Konzertverantwortlichen oder die Interessen der «lärmgeplagten» Anwohnerschaft priorisiert. Bei Grossanlässen auf dem Marktplatz bin ich zudem der Meinung, dass dort Toiletten hingehören. Sonst benutzen die Leute die Hauseingänge. Dass für Bewilligungen künftig die Gemeinden zuständig sein sollen begrüsse ich im Übrigen.
Was waren für Sie die schönsten Momente bei Ihrem Job und was die schlimmsten?
Wenn ein Grossanlass wir die Tour de Romandie oder ein Schwingfest reibungslos klappt, sind das für mich freudige Momente. Auch das Polizei-Openair «Ice Breaker» 2009 mit 4000 Jugendlichen auf dem Marktplatz war ein schöner Erfolg, an den ich gerne zurückdenke. Zu den traurigen Erinnerungen gehört natürlich der Dreifachmord. Schade ist auch die Entwicklung beim Uhrencup, wo immer mehr Polizei nötig ist wegen der Fussball-Hooligans. Ich bin jedenfalls froh, sind die Fans im Velodrome nicht so (lacht).
Ist man als Polizeichef eigentlich immer im Dienst?
Ja. das kann man schon so sagen. Ich lasse mich auch nachts oder in den Ferien über wichtige Vorfälle orientieren. Denn ich will Bescheid wissen, wenn ich auf etwas angesprochen werde.
Nolens volens sind Sie neuerdings auch Chef von Feuerwehr, Rettungsdienst und Zivilschutz. Was heisst das für Ihre Arbeitsbelastung?
Die Verantwortung ist natürlich schon gross, gleich drei Organisationen mit 24-Stunden-Bereitschaft zu führen. Man muss gut zirkeln für die Sitzungen und damit man seine Ferien beziehen kann. Ich stamme aus einfachen Verhältnissen und musste früh lernen, Verantwortung zu tragen. Vielleicht kommt mir das heute zugut...
...und überdies sind Sie auch noch bis im Herbst Synodepräsident der grössten reformierten Kirche der Schweiz (Bern -Jura -Solothurn). Braucht man als Polizist eigentlich viel Gottvertrauen?
Ich würde schon sagen. Man ist mit vielen bisweilen schwer fassbaren Dingen konfrontiert. Mit Menschen und Schicksalen, die oft nicht einfach sind. Man weiss, erfährt und erlebt sehr vieles, manchmal mehr, als einem lieb ist.
Offenbar wurde Ihr zackiger Stil in der Synode sehr geschätzt. Zum Abschied gabs Standing Ovations...
Ja. (lacht). Man hat mich bei der Verabschiedung, an der übrigens der Solothurner Kirchendirektor Remo Ankli auch dabei war, in Handschellen gelegt. Zum Glück nur als Jux. Dass ich Polizist bin, hat die Synodalen offenbar schon beeindruckt. Meine Wahl hatte damals sogar schweizweites Medienecho ausgelöst, was sonst ja bei kirchlichen Dingen kaum der Fall ist. Auch habe es bisher noch nie eine so originelle Verabschiedung gegeben, habe ich mir sagen lassen.