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Die Kinolandschaft verändert sich rapide. Neue Technologien und riesige Kinotempel nehmen den Kinos in eher ländlichen Regionen immer mehr Besucher weg. Folge sind Kinoschliessungen und Besitzerwechsel.
«Die Zahl der Kinoeintritte ist 2010 landesweit auf rund 15,1 Millionen leicht gesunken», erklärt René Gerber, Geschäftsleiter des Branchenverbandes Pro Cinema. Dies entspreche einem Rückgang von rund 4 Prozent. Es habe ein Blockbuster wie «Ice Age 3» gefehlt, begründet er den Rückgang. Der Animationsfilm lockte über 1 Million Besucherinnen und Besucher an. Zudem sei während der vierwöchigen Fussball-WM in den Kinosälen relativ wenig gelaufen.
Aufgrund der vorliegenden Zahlen zeichne sich ab, dass sich die Kinos in den grösseren Städten «gut gehalten haben». Dagegen sei der Rückgang in Kleinstädten und auf dem Land stärker ausgefallen.
Die Betreiber von Kinos in der Region bestätigen den Befund. Elisabeth Künzli von der Tonfilm-Theater Capitol AG in Langenthal kann zwar noch keine konkreten Zahlen vorlegen. «Aber das Kinojahr 2010 ist ganz sicher nicht besser als das Vorjahr.» Sie betreibt zusammen mit ihrem Bruder die drei Kinos Scala und Capitol in Langenthal sowie das Rex in Murgenthal. Von «einem leichten Rückgang» spricht Mark von Gunten von der Cinesol AG, die die Kinos Palace und Capitol in Solothurn führt. Beide Kinos zusammen zählen jährlich rund 50000 Eintritte. «Wir mussten einen grösseren Rückgang als landesweit hinnehmen», berichtet Manuel Zach von der Cinergie-Kinokette, die in Grenchen, in Lyss, in Worb, in Burgdorf sowie in Belp sechs Kinos mit insgesamt sieben Leinwänden betreibt.
Zu wenig Kopien im Umlauf
Elisabeth Künzli weist auf einen wunden Punkt hin. «Wir müssen teilweise warten und können wichtige Filme nicht gleichzeitig mit den Grosszentren starten, weil zu wenig Kopien im Umlauf sind. Da sind wir von den Verleihern abhängig.» Und das gehe ins Geld. Denn die so entstehenden Ausfälle in der ersten oder zweiten Woche könnten in der Regel nicht mehr aufgeholt werden. Das Publikum warte nicht, bis der Film auch in Langenthal zu sehen sei, sondern fahre nach Bern oder nach Luzern. «Deshalb sind wir um jede nationale Premiere froh, die wir mitmachen können.»
Weniger Probleme damit hat Mark von Gunten. «Solothurn ist gross genug, und wir müssen nur in ganz wenigen Ausnahmen mit dem Filmstart zuwarten.»
In einem Punkt sind aber alle gefordert: Die Kinos müssen technologisch aufrüsten. Die Umstellung vom analogen (Filmrollen) auf digitales Filmmaterial ist nicht aufzuhalten. Das ist die Voraussetzung, um Filme in 3-D zeigen zu können. Die Umrüstung kostet Geld - je nach System zwischen 120 000 und 180 000 Franken pro Saal.
Eigentlich wollte Elisabeth Künzli ihr Scala in Langenthal schon auf den vergangenen Sommer hin mit 3-D aufrüsten. Der Plan ist vorerst ein Plan geblieben. «Es kostet einfach sehr viel Geld. Wir sind immer noch am Rechnen», sagt die Kinobetreiberin. Es stelle sich die Frage, wie diese hohe Investition amortisiert werden könne. «Unser Ziel ist es aber immer noch, im Scala die 3-D-Technologie zu installieren.» Sie hütet sich aber diesmal, einen Zeithorizont anzugeben.
Auch für Mark von Gunten ist die Umrüstung ein Thema, aber nicht akut. Denn mit dem Canva gibt es in Solothurn bereits ein Kino mit 3-D. «Damit ist das Bedürfnis auf dem Platz vorerst abgedeckt.» Die Investition sei zwar kostspielig gewesen, aber «wir mussten mitziehen, weil sonst die Filmfans andere Kinos besuchen», sagt Ines Frey vom Solothurner «Mini-Multiplex-Kino» Canva mit drei Sälen. Mit rund 51500 Eintritten 2010 sei das Vorjahr nicht erreicht worden. «Aber ohne die 3-D-Vorführungen wäre der Rückgang sicherlich stärker ausgefallen.»
Wie Elisabeth Künzli mussteauch Walter Loosli zurückbuchstabieren. Er wollte eigentlich das Kino Rex in Grenchen im vergangenen Jahr 3-D-tauglich machen. Doch aus finanziellen Gründen war er gezwungen, das Vorhaben zurückstellen. Loosli will aber seine Pläne nicht aufgeben. «Wir prüfen nun verschiedene Finanzierungsmodelle.» Er, seit 30 Jahren im Geschäft, glaubt an die Zukunft der Kinos in Kleinstädten und ländlichen Regionen.
Verändertes Ausgehverhalten
So hat er im Sommer die Führung des Kinos Rex in Herzogenbuchsee übernommen, obwohl es nur noch wenige Zuschauer anlockte und nur über eine veraltete Technik verfügt. Sein Vorgänger hatte nach nur anderthalb Jahren das Handtuch geworfen. Loosli betreibt damit mit dem Royal in Aarberg und dem Rex in Grenchen drei Kinos. Sein Ziel ist, alle drei Kinos definitiv zum Laufen zu bringen. Es müsse gelingen, die ortsansässigen Filmfans dazu zu bringen, wieder ins Kino in der eigenen Gemeinde zu gehen. Künzli stellt ein verändertes Ausgehverhalten, insbesondere unter den jungen Menschen, fest. «Dank der hohen Mobilität sind die Leute nicht mehr auf das Kino in der Region angewiesen.» Gleichzeitig ist beiden klar: «Investitionen in die Technologie, um digitalisierte Vorführungen anbieten zu können, sind unabdingbar.»
Genau diesen Weg geht Manuel Zach von der Cinergie. Seit Oktober in Grenchen und seit Dezember in Burgdorf kann er Filme in digitaler Qualität und in 3-D anbieten. Der Trend sei nicht aufzuhalten, auch wenn sich der Hype wieder etwas abgekühlt habe, sagt Zach. Die Zahlen scheinen ihm recht zu geben. In Grenchen habe er in zweieinhalb Monaten seit der 3-D-Einführung massiv mehr Eintritte verzeichnen können. Das gleiche Bild in Burgdorf, wo Weihnachtsfilme in 3-D viele Zuschauer angelockt hätten. Letztlich müssten wohl alle auf die Digitaltechnik umstellen, weil sonst ein Teil der Filme gar nicht gespielt werden könne. Als Präsident der Vereinigung schweizerischer Kleinstadt- und Landkinos sieht er, dass «die Situation in vielen Landkinos angespannt ist. Die Umsatzrückgänge sind da.»
Bauchweh bereitet den Landkinos auch die steigende Zahl an Multiplex-Kinos. Die grossen Kino-Komplexe ziehen viele Besucher an. Entsprechende Erfahrungen machte Mark von Gunten, der neben den Solothurner Kinos auch noch das Scala in Zofingen betreibt. Genauer gesagt: betrieben hatte. «Wir haben das Kino in Zofingen im vergangenen August schliessen müssen.» Hauptgrund sei die Abwanderung der Kinokundschaft ins nahe Oftringen gewesen. «Das dortige Multiplex mit fünf Kinosälen hat eine enorme Sogwirkung.»