Ferienpass
Kinder tauchen ein in die leidvolle Vergangenheit der Stadt Grenchen

Monika Bruder führte am Grenchner Ferienpass durchs Kultur-Historische Museum der Stadt.

Oliver Menge
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Ferienpass Grenchen vor 100 Jahren im Kultur-Historischen Museum
15 Bilder
 Filmclips Industrialisierung
 Herr Gschwind erzählt über sich.
 Die Pioniere von Grenchen, die den Flughafen gebaut haben.
 Einstempeln an der Stempeluhr
 Charlie Chaplin Filmausschnitte aus Modern Times
 Kleider und Kopfbedeckungen aus dem Tripoli
 Auf der Baustelle des Grenchenbergtunnels
 «Mit der Uhrmacherlupe sehe ich gar nichts.»
 Die Uhrenindustrie wird zu Grabe getragen.
 Die Halter werden mit uralten Federn bestückt.
 So hat man früher geschrieben: mit Feder und Tintenfässlein.
 Auch die Jungs üben sich in Schönschrift.
 Den eigenen Namen mit Feder und Tinte schreiben
 Welches Menu stelle ich in den Zeiten grösster Not zusammen?

Ferienpass Grenchen vor 100 Jahren im Kultur-Historischen Museum

Oliver Menge

12 Kinder hatten sich für den Ferienpasskurs «Grenchen vor 100 Jahren» angemeldet. Das älteste 12-jährig, das jüngste nicht älter als sechs. Nachdem sie von ihren Eltern beim Museum abgegeben und von Monika Bruder und Rosmarie Dietrich in Empfang genommen waren, lauschten sie als erstes gespannt den Ausführungen des Uhrmachers Adolf Gschwind, der im Erdgeschoss über seine Zeit in der Hochblüte der Uhrenindustrie erzählt.

Im ersten Stock hörten und sahen sie viel über die Arbeitsbedingungen in den Anfängen der industriellen Revolution. Gebannt schauten sie sich Ausschnitte aus Charlie Chaplins Meisterwerk «Modern Times» an, der das Thema Arbeit am Fliessband mit viel schwarzem Humor thematisierte. Die Erläuterungen der Kulturvermittlerin Monika Bruder setzten die «lustigen» Clips in den richtigen Zusammenhang. Jedes Kind konnte sich einstempeln und erfuhr, was es in den Anfängen der Stempeluhr hiess, wenn die Uhrzeit nicht schwarz, sondern rot gedruckt wurde: Lohnabzug fürs Zuspätkommen.

Tunnelbau und Tripoli

Zentrales Thema auf diesem Stock ist der Bau des Grenchenbergtunnels, wo grösstenteils italienische Arbeiter unter schwierigsten Bedingungen arbeiten mussten. Ohne Schutzhelm unter Tage, immer mit nassen und kalten Kleidern und Füssen, was vielen von ihnen Krankheit und Tod bescherte. Untergebracht waren sie im «Tripoli», der damaligen Arbeitersiedlung. In einem Koffer gab es für die Kinder Kleider, Kopfbedeckungen und diverse Gegenstände zum Anfassen und Anprobieren. Per Knopfdruck konnte man sich auch akustisch in die Baustelle im Berg zurückversetzen lassen. Für die Knaben und Mädchen gab es viel Interessantes zu sehen und Knöpfe, um drauf zu drücken. Hier zum Beispiel erfuhren sie auch, was die Tunnelarbeiter an italienischer Kultur mitgebracht hatten, die heute selbstverständlich sind: Pasta und Pizza, Boccia und einiges mehr. Auf demselben Stock durften die Ferienpässler auch in den Schubladen einer Uhrmacherei mit unzähligen Uhrenbestandteilen herumwühlen.

Hunger, Not und Landesstreik

Einen Stock höher versuchte Monika Bruder, die Kinder für das schwierige Thema Landesstreik zu interessieren. Das Museum bringt dem Besucher auf eindrückliche Weise die prekären Lebensumstände näher, mit denen die Bevölkerung nach Ende des Ersten Weltkriegs zu kämpfen hatte. In Grenchen half die Stadt damals tatkräftig mit, die Not zu lindern. Suppenmarken wurden verteilt und Tausende von Litern Suppe wurden ausgeschenkt. Die Kinder konnten sich ein Bild davon machen, indem sie den Tageslohn eines Arbeiters von 3 Franken 50 gegen die nötigsten Lebensmittel aufwogen und feststellten, dass es für nichts reichte.

Für das eigentliche Thema Generalstreik hingegen waren die Kinder wohl noch etwas zu jung. Die Knaben interessierten sich in erster Linie für das ausgestellte Maschinengewehr. Ein Junge versuchte gar, sich den Patronengurt wie Rambo umzuhängen.

Zum Abschluss hatten die Kinder die Gelegenheit, sich im Schreiben auf der Schiefertafel und auf Papier mit alten Federn zu üben. So wie einst in der Schule. Dazu erzählten die beiden Leiterinnen, wie Lehrer in früheren Zeiten für Disziplin gesorgt haben, mit Fingertatzen und anderen, zum Glück heute verbotenen Methoden. Ein Klassenfoto aus den 40er-Jahren gab viel Gesprächsstoff: «Wieso schauen die alle so ernst?»