Stadtbummel
Keine guten Vorsätze – mit einer Ausnahme

Brigitte Stettler
Brigitte Stettler
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Bruno Kissling

Die Tage «zwischen den Jahren» sind etwas Besonderes. Viele gönnen sich nach dem Weihnachtsfest ein wenig Ruhe, andere gehen einkaufen oder machen Ausflüge auf den schönen Grenchenberg und für so manche ist bereits der Arbeitsalltag wieder eingekehrt. Auch «zwischen den Jahren» müssen Kranke gepflegt und Alte betreut werden. Vom Verkaufspersonal wird ein freundliches Lächeln erwartet, egal, wie viele Geschenke zurück genommen, wie viele Gutscheine eingelöst werden müssen. Und der öffentliche Verkehr sollte uns bitte sehr pünktlich von A nach B bringen.

Die Tage «zwischen den Jahren» lassen uns den einen Blick nach rückwärts tun, den anderen richten wir nach vorne, in eine hoffentlich blühende Zukunft. Man nimmt sich fest vor, im kommenden Jahr fast alles noch viel besser zu machen, um dann irgendwann im nächsten Jahr festzustellen, dass wieder einmal mehr ein Vorsatz nicht geklappt hat. Ich habe beschlossen, mir absolut nie mehr irgendetwas vorzunehmen. Dann erlebe ich vielleicht mehr positive als negative Überraschungen. Doch, einen Vorsatz fasse ich dennoch. Ich muss unbedingt sorgfältiger lesen und verstehen zu lernen. Das hat absolut rein gar nichts mit der PISA-Studie zu tun, sondern mit meinem Onkel Hugo. Der schenkte mir jedes Jahr einen Pestalozzi-Kalender, meistens noch einen vom vergangenen Jahr. Er war halt eher einer vom Stamme der Nimm, der Hugo.

Ich fand den Kalender grauenhaft langweilig, wollte ihn regelmässig an meinen Bruder abgeben. Aber der las viel lieber Karl May. Und weil mich der gute Hugo im Januar nach dem Inhalt des Kalenders fragte, musste ich wohl oder übel ein wenig darin blättern. Und so lernte ich, Zeilen, ja manchmal ganze Seiten zu überfliegen, Hauptsache, der Hugo war zufrieden. Mein Lesemanko aber ist geblieben. Ich sehe beispielsweise die «Planzer» Lieferwagen an mir vorbei fahren und war jahrelang der festen Überzeugung, dass auf den Wagen «Pflanzen» steht und ich froh und dankbar war, in einer derart grünen Stadt zu leben, in der sich die Menschen so überaus häufig Pflanzen nach Hause liefern liessen. Oder ich lese auf einem Plakat vor einer Metzgerei, dass der Hinterschinken heute besonders günstig ist, verstehe «Hinterfinken» und frage mich, warum der Metzger kein Fleisch mehr hat und aus der Not heraus Pantoffeln verkauft.

Logisch ist das alles nicht. Wenn im TV Werbung kommt, dann erledige ich noch rasch irgendetwas Dringendes und höre mit halbem Ohr zu. Dann kann mich auch die Aussage verunsichern, dass aus einer Bettflasche eine sprudelnde Erfrischung gemacht werden soll und man nichts mehr schleppen müsse, danach. Ich habe mich an Bettflaschen meiner Lebtag nie «überlüpft» und merke erst Wochen später, dass es in diesem Spot um PET-Flaschen geht und die sind einerseits, wenn sie gefüllt sind, sauschwer und andererseits biologisch glaub’ nicht abbaubar. Wie dem auch sei. Der Pestalozzi war ein guter Mann, gewiss, über den Onkel Hugo lässt sich streiten. Die einen sagen so, die anderen.... Trotzdem, und aus diesen Gründen werde ich meinen Vorsatz für nächstes Jahr in die Tat umsetzen. Langsam und gründlich lesen, damit ich alles gut verstehe.

Das gilt, dies nur noch nebenbei gesagt, auch im Besonderen für Koch- und Backrezepte. Die man gründlich lesen sollte. Es sei denn, man ist ein Liebhaber von höchst eigenwilligen kulinarischen Kreationen. Auf der Weihnachtskarte der Stadt Grenchen steht folgender Spruch: «Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen». Auch ein guter Vorsatz. Also bitte weniger Bürokratie, dafür Platz für ganz viel Fantasie. Und auch wenn in diesen Tagen mancher Kopf ein wenig leer und manchmal auch ein bisschen schwer ist, so wünsche ich Ihnen allen einen guten, unfallfreien Rutsch ins neue, noch unverbrauchte, unentdeckte neue Jahr, viel Freude, ausnahmslos vergnügliche Lesestunden und viele bereichernde Begegnungen in und mit unserer Stadt.