Grenchen
Kein Mittagstisch mehr: Nach 14 Jahren ist im Lindenhaus ausgegessen

Das Lindenhaus in Grenchen wird von den Schulen abgelöst, dem Team wurde gekündigt. Bitterkeit ist bei den Mitarbeitenden nicht zu spüren, wohl aber etwas Wehmut.

Daniela Deck
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Der Mittagstisch im Lindenhaus wird aufgehoben. Das Team (v.l.) Teamleiterin Regula Lüthi, Monique Simmen, Maritza Schürch;hinten: Andreia Fischer, Heidi Luder. Es fehlen Anita Ledermann und Emiko Grögli.

Der Mittagstisch im Lindenhaus wird aufgehoben. Das Team (v.l.) Teamleiterin Regula Lüthi, Monique Simmen, Maritza Schürch;hinten: Andreia Fischer, Heidi Luder. Es fehlen Anita Ledermann und Emiko Grögli.

Oliver Menge

Heute Freitag geht eine Ära zu Ende. Der Mittagstisch im Lindenhaus schliesst nach 14 Jahren. Der Aufbau von Tagesstrukturen in den Schulhäusern macht ihn im kommenden Schuljahr überflüssig. Teamleiterin Regula Lüthi blickt zurück auf Gespräche und Schweigen, Esskulturen und Vorlieben und auf die Leistung der Mittagsfrauen. «Wir waren ein tolles konstantes Team mit wenig Wechseln. Die Frauen haben stets ihr Bestes gegeben, und zeitweise war es nicht einfach, die verschiedenen Kulturen und Temperamente unter einen Hut zu bringen», sagt Regula Lüthi.

Unterstützt vom damaligen Schuldirektor Erwin Egli, hat sie den Mittagstisch im Lindenhaus aufgebaut. In der Blütezeit versorgte die Institution 25 bis 30 Kinder, die meisten im Primarschulalter sowie einige aus der Oberstufe, mit einem gesunden Menü, wahlweise mit Fleisch oder Vegi. Geliefert wurde das Essen erst vom benachbarten Restaurant Parktheater, dann von der Rodania und schliesslich wieder vom «Parktheater».

Dem Alltag Struktur geben

Zutrauliche, gesprächige Kinder, schüchterne und distanzierte, Geschwister, die über Jahre miteinander oder nacheinander im Lindenhaus am Tisch sassen, Lachen und Weinen, Streit und Versöhnung: Die Mittagstisch-Frauen haben viel erlebt. «Besonders in Erinnerung geblieben ist mir ein Junge, der nie auch nur ein Wort gesagt hat. Er sass einfach da, hörte den anderen zu und ass seinen Teller leer», erzählt Regula Lüthi.

Im Zusammenhang mit dem Essen hätten die Kinder ohnehin nicht viel gesagt. «Hätten wir sie wählen lassen, was sie essen wollen, so hätten sie sich jahrein, jahraus von Hamburgern, Pommes frites und Pizza ernährt. Unser Ziel war, die Kinder mit gesundem Essen vertraut zu machen. Daneben haben wir auch Struktur in den Tagesablauf von Kindern gebracht, die das zu Hause nicht kennen.»

Flexibel sein und improvisieren

Gesellschaftliche Veränderungen haben sich am Mittagstisch deutlich gezeigt. «In den ersten Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass wir einem Kind im Schulalter das Essen mit Messer und Gabel beibringen müssen. In letzter Zeit hat es das gelegentlich gegeben», so die Teamleiterin. Grundsätzlich sei der Erziehungsaufwand gestiegen. Da seien die Hausregeln und ihre konsequente Durchsetzung eine wichtige Hilfe gewesen.

Die grosse Stärke der Institution «Lindenhaus-Mittagstisch» sei die Flexibilität gewesen, ist Regula Lüthi überzeugt. In Notfällen, etwa wenn eine Mutter plötzlich krank wurde, habe das Team improvisiert, ein Kind zusätzlich verpflegt und damit eine Lösung geboten, die die besagte Familie entlastete.

Vom Mittagstisch zur Mikrowelle

Der Aufbau der Tagesstrukturen im Schulhaus Eichholz letztes Jahr und im Schulhaus Halden für das kommende Schuljahr, machen den Mittagstisch im Lindenhaus nun überflüssig. Der benachbarte Schulkreis Zentrum wird künftig nur noch die Oberstufe beherbergen, mit einem speziellen Aufenthaltsraum, in dem mitgebrachtes Essen in der Mikrowelle gewärmt werden kann. Da braucht es keinen betreuten Mittagstisch mehr.

Durch den Wegfall der Eichholz-Schüler sei die Teilnehmerzahl am Mittagstisch schon im letzten Jahr um einen Drittel gesunken, erklärt Regula Lüthi. Weil die Schulhäuser die Tagesstrukturen mit ihrem eigenen Personal aufbauen, müssen sich die Mitglieder des Lindenhaus-Mittagstisches nun beruflich neu organisieren. Bitterkeit ist im Team nicht zu spüren, wohl aber etwas Wehmut. «Es ist schade, dass nicht einmal das Geschirr für die neuen Tagesstrukturen gebraucht wird», findet Regula Lüthi. Deshalb habe man es den Deutschkurs-Frauen gratis angeboten und so habe einiges eine neue Verwendung gefunden.