Grenchen
Kartonschwemme als Folge des Internet-Shoppings – und die Stadt zahlt drauf

Die Stadt Grenchen dementiert Gerüchte, die Kartonsammlung werde demnächst eingestellt. Doch auch sie bekommt nichts mehr für den gesammelten Rohstoff. Im Gegenteil: sie muss draufzahlen.

Andreas Toggweiler
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Andreas Toggweiler

Wer zurzeit bei der privat betriebenen Multisammelstelle hinter dem Werkhof Grenchen Karton vorbeibringt, bezahlt eine Gebühr von 3 Fr. für Kleinmengen bis 30 kg und 10 Fr. ab 100 kg. Dies seit 1. November. Simon Schlunegger vom Entsorgungsunternehmen Schlunegger Recycling AG bedauert diese Entwicklung. Die Firma betreibt in Büren und in Grenchen je einen Entsorgungswerkhof, wo allerlei recyclingfähiges Material abgegeben werden kann – grösstenteils gratis, teilweise gegen eine Gebühr, die sich nach der Marktlage für den Rohstoff richtet.

«Wir haben lange 40 bis 50 Fr. pro Tonne Karton erhalten, doch die Preise sind dieses Jahr total zusammengebrochen. Heute müssen wir 10-15 Fr. pro Tonne draufzahlen, wenn wir Karton zum weltweiten Recycling in Biel annliefern», erklärt Schlunegger zur Marktentwicklung. Diese Kosten müsse man als Privatunternehmung irgendwie decken. Die Selbstkosten je Tonne betragen rund 80 Fr. (Land, Halle, Presscontainer, Arbeitsplätze, Transport, Deponiegebühr).

Leute reagieren unterschiedlich

Wie reagieren die Leute, die Karton anliefern, auf diese Entwicklung? – «Unterschiedlich», meint Simon Schlunegger. Es sei natürlich schon stossend, wenn man plötzlich für etwas bezahlen müsse, das bisher gratis war. Dafür hätten manche kein Verständnis. «Andere hingegen schon, wenn man ihnen die Situation erklärt.»

Verantwortlich für die Situation seien die Überkapazitäten auf dem Weltmarkt. «Länder, welche bisher Rohstoffe zugekauft haben, haben inzwischen genug davon, weil sie begonnen haben, selber Recycling-Infrastruktur aufzubauen», erläutert der Recycling-Unternehmer.
Die Entwicklung hat auch mit der globalen Handels- und Konjunktursituation zu tun: Letztes Jahr hatte China den Import ausländischer Abfälle gestoppt. Der Preiszerfall wird laut Medienberichten damit in Zusammenhang gebracht.

Michael (links) und Simon Schlunegger bedauern, dass sie in ihrem Recyclingwerkhof Gebühren für Karton erheben müssen.

Michael (links) und Simon Schlunegger bedauern, dass sie in ihrem Recyclingwerkhof Gebühren für Karton erheben müssen.

Oliver Menge

Auch das Altmetall rentiert nicht mehr

Laut Simon Schlunegger ist von dieser Entwicklung nicht nur der Karton betroffen. Dasselbe gelte für Altpapier und auch für Metalle. «Auch für Altmetall bekommen wir zurzeit kein Geld mehr.» Im Moment verzichte man aber auf Gebühren für Altmetall. Eine Vielzahl von Wertstoffen kann in der 2018 eröffneten Multisammelstelle weiterhin gratis abgegeben werden, so Altglas, Elektroschrott, PET, Batterien, Leuchtmittel etc. Das Bürener Unternehmen hat damals 2 Mio. Fr. in die neue Infrastruktur investiert. «Wenn wir nur schon wieder 10 Fr. pro Tonne Karton erhalten würden, könnten wir die Gebühr sofort wieder abschaffen», erklärt Simon Schlunegger weiter. Den Karton aus ökologischen Gründen weiter zu sammeln sei jedenfalls sinnvoll. «Die Politik sollte dazu beitragen, dass diese Infrastrukturen weiterhin Sinn machen», meint Schlunegger, «Doch auch der Konsument kann mit seinem Einkaufsverhalten seinen Teil beitragen. Was im Internet gekauft wird, kommt in der Regel mehrfach und in Karton verpackt. Darüber müsste man sich Gedanken machen.»

In Grenchen wird derweil auf vielbeachteten einschlägigen Internetportalen (Facebook) bereits das Gerücht gestreut, die Stadt werde demnächst ihre monatliche von Karton einstellen. Dies dementiert Stadtbaumeister Aquil Briggen klar. «Die Kartonabfuhr wird nicht eingestellt. So etwas wurde intern nicht einmal andiskutiert.» Und dies obwohl die Stadt gleichermassen von der Entwicklung betroffen sei. Auch sie zahlt bei der Anlieferung 10 Fr. pro Tonne Karton. Dazu kommen die Kosten fürs monatliche Einsammeln und den Transport. Der Werkhof versuche beim Recyclingmaterial stets die bestmöglichen Preise zu erzielen, betont Briggen weiter. Immerhin sei es so gelungen, beim Altglas dank einer umfangreichen Verhandlungsrunde eine deutliche Preisverbesserung zu erzielen.