Grenchen
Kaputtes und Kurioses wurde geflickt

Parktheater: Die Reparateure und Reparateurinnen des ersten Repair Cafés in Grenchen hatten viel zu tun. 65 Reparaturen wurden von den freiwilligen Reparateuren des Vereins durchgeführt, mehr als die Hälfte erfolgreich - und erst noch gratis.

Oliver Menge
Drucken
Repair Café Grenchen
35 Bilder
 Geschafft!
 Das defekte Teil ist identifiziert.
 Nicht ganz einfach: Das Elektropiano kriegt keinen Strom.
 Reparatur einer weiteren Kaffeemaschine.
 Der Lampenfuss wird mit zusätzlichen Schrauben gesichert.
 Reparatur einer Küchen-Multimaschine.
 Ein Schoggipapierli blockierte den Motor. Besitzerin Beatrice Bucher, beim Putzen des Filters.
 Diese Nähmaschine von 1910 muss zu einem Spezialisten.
 Hannelore Kiefer mit ihrem Metallhund, der ein Ohr verloren hat.
Repair Cafè Grenchen Vor dem Kleben muss der alte Leim runter.
 Meesen ist das A und O.
 Die Touch-Lampe funktioniert nicht mehr.
 Sascha Nussbaumer misst.
 Es muss die Elektronik sein.
 Ein normaler Schalter bringt Licht.
 Der lärmende Staubsauger von Alfred Benoit.
Repair Cafè Grenchen Demontier wird der Motor gereinigt und geölt.
 Hier wird gelötet
Repair Cafè Grenchen
 Ein kleiner Verstärker hat den Geist aufgegeben.
 Der Besitzer hilft bei der Reparatur.
Repair Cafè Grenchen Der Kinderkochherd von Ruth Schild wird geprüft.
 Sascha Nussbaumer und Ruth Schild.
 Der Staubsauger isr fertig, aber er heult immer noch.
 Auch diese Tasche wird geflickt.
 Auch Textilien werden repariert.
 Margrit Conrad ist die Spezialistin für Textilien und Nähmaschinen.
 Das Bügeleisen läuft nicht mehr.
 Doch der Schaden ist grösser und kann nicht repariert werden.
 Auf einem Flipchart werden alle Reparaturen erfasst und geordnet.

Repair Café Grenchen

Oliver Menge

Kaum öffnete der Verein Repair Café Grenchen die Türen zum kleinen Saal im Obergeschoss des Parktheaters, trudelten auch schon die ersten «Gäste» ein. Drinnen waren Tische vorbereitet, auf denen eine Unmenge an Werkzeugen – Zangen, Schraubenzieher, Lötkolben, Messgeräte, Pinzetten und vieles mehr – sowie eine stattliche Anzahl an Boxen mit Schrauben, elektrischen und elektronischen Ersatzteilen jeglicher Art bereitstanden. Sascha Nussbaumer, Präsident des Vereins Repair Café und sein Vater Peter, die das Grenchner Repair Café iniziiert haben (wir berichteten), hatten zusammen mit sieben weiteren Reparateurinnen und Reparateuren schon bald alle Hände voll zu tun.

Die meisten Leute, die mit ihren defekten Geräten ins Parktheater kamen, waren ältere Semester – 69% über 65 Jahre, wie man am Ende des Tages feststellte. Jeder Kunde, jede Kundin wurde erfasst und erhielt eine Nummer. Die insgesamt 65 Reparaturen wurden auf einem Flipchart festgehalten, das einen Überblick über die noch zu erledigenden Reparaturen ermöglichte. Und über jede Reparatur wurde ein Protokoll erstellt, mit einem abschliessenden Prüfbericht, sofern es sich um ein elektrisches Gerät handelte.

30 Minuten pro Reparatur

Eine halbe Stunde pro Reparatur hatten die Verantwortlichen angesetzt, immer mit tatkräftiger Mithilfe der Besitzer. Das klappte nicht immer: Manche Geräte wollten einfach nicht preisgeben, wo das Problem liegt. Und bei manchen Geräten verzweifelten die Reparateure beinahe nur schon beim Versuch, sie zu öffnen und an an die Innereien zu gelangen, um den Defekt zu eruieren. Nähmaschinen, die blockiert waren, Küchengeräte, die plötzlich einfach nicht mehr liefen, Bügeleisen, die den Geist aufgegeben hatten, Tisch- und Ständerlampen, die man nicht mehr einschalten konnte – die Auswahl war unerschöpflich.

Es gab auch einige Überraschungen: Ruth Schilt aus Grenchen brachte beispielsweise einen kleinen Kinderkochherd vorbei, mit dem sie schon als Kind gespielt hatte. Rund 70 Jahre hatte das edle Kinderspielzeug mit Backofen und drei kleinen Herdplatten, alles aus massivem Metall, schon auf dem Buckel. Nur mittlerweile wurden die Platten nur noch lauwarm und auch der Ofen heizte nicht mehr richtig. Aber Nussbaumer schaffte es, mit etwas Kontaktspray und anziehen einiger Schrauben bei den Schaltern den Kinderbackofen wieder in Gang zu bringen. Wenigstens teilweise, denn eine Platte hatte wohl komplett das Zeitliche gesegnet. «Jetzt geh ich nach Hause und werde ihn gleich ausprobieren: Hörnli und Ghackets – das haben wir schon als Kinder immer gekocht, dazu noch kleine Apfelkuchen aus dem Backofen», sagte die strahlende Besitzerin. «Aber nur an einem Stromanschluss mit Schutzschalter verwenden», so die Ermahnung der Profis.

«Es ist berührend, wie sich manche Leute freuen, wenn eine Reparatur gelingt», sagte Nussbaumer. So sei zum Beispiel eine Dame mit einem defekten rund 50-jährigen Stabmixer vorbeigekommen, den sie vor etwa 10 Jahren in einem Brocki gekauft hatte. Die Reparateure schafften es, das Gerät zu flicken. «Sie hat einfach nur noch gestrahlt und gesagt, sie sei überglücklich, denn dieser Mixer sei ihr so gut in der Hand gelegen wie kein anderer», so Nussbaumer.

Manchmal mussten die Reparateure aber auch pragmatisch vorgehen: Bei einer defekten Lampe, die sich per Berührung ein- und ausschalten liess, war die Elektronik ausgestiegen. Mit Einverständnis des Eigentümers ersetzte Nussbaumer die defekte Steuerung durch einen einfachen Kippschalter. «So kann ich sie wenigstens weiterverwenden», meinte der Besitzer.

Nicht alles ist reparierbar

Nicht alles liess sich reparieren, die Erfolgsquote lag am Ende des Tages bei 55%, wie Nussbaumer mitteilte. Bei einem Bügeleisen beispielsweise, bei dem zunächst ein defekter Schalter vermutet wurde, stellte sich heraus, dass die Heizung defekt war – eine zu heikle Geschichte. Bei anderen Geräten verhinderte die Konstruktion schlicht eine Reparatur: Peter Nussbaumer musste einen defekten Föhn mit Gewalt öffnen, weil die Kunststoffschalen bei der Herstellung derart ineinandergepresst werden, dass ein Öffnen ohne Schaden schlicht unmöglich war. «Schade, denn eigentlich hätte man nur eine gebrochene Lötstelle neu verlöten müssen, und das Gerät hätte wieder funktioniert.» Oder ein in kleiner Staubsauger, der zwar ausgezeichnet funktionierte, aber seit geraumer Zeit ein ohrenbetäubendes Geheul von sich gab. Selbst eine komplette Demontage mit Ausbau des Motors, einer Reinigung der Lager und Ölen half nicht, er funktionierte immer noch, bei gleichem Geräuschpegel wie vorher. Bei anderen Geräten gelang hingegen die Reparatur: Bei Beatrice Buchers Staubsauger jüngeren Datums entfernte der Reparateur nach einer aufwendigen Komplett-Demontage ein folienbeschichtetes Schokoladenpapier aus dem Motor, welches irgendwie dorthinein gelangt war und einen Ventilator blockierte, was zur Überhitzung und Abschaltung des Geräts geführt hatte. Kleine Ursache, grosse Wirkung. Und bei wieder anderen Geräten schickten die Reparateure des Vereins Repair Café die Besitzer zu Spezialisten, wie beispielsweise Emanuel Stöckli aus Meinisberg, der mit einer wunderschönen Nähmaschine aus dem Jahr 1910 gekommen war. «Da würden wir unter Umständen noch mehr kaputt machen, wenn wir dieses antike Gerät aufzumachen versuchen. Dafür gibt es qualifizierte Spezialisten», sagt Reparateur Martin Heiniger.

Einige Geräte stellten die Geduld der Reparateure gewaltig auf die Probe: Margreth Flury aus Bettlach beispielsweise brachte ihre Kaffeemaschine, einen etwa vierjährigen Vollautomaten, zur Reparatur: Einer der sechs Knöpfe auf dem Bedienfeld für die Auswahl von Tassengrösse und Anzahl war ins Gehäuse «gefallen» und nicht mehr zu gebrauchen. Ein schwieriger Fall, alleine die Demontage verlangte Peter Nussbaumer einiges ab. Doch er schaffte es und fand den Fehler: Ein Kunststoffteil, auf dem der Knopf eingerastet wird, war gebrochen, nicht zu reparieren. Entweder man benutzt die Maschine so weiter, oder man schmeisst ein funktionierendes Gerät weg und kauft sich ein neues. Nussbaumer entschied sich dafür, das defekte Kunststoffstück zu fotografieren und bei der Herstellerfirma nachzufragen, ob dieses Ersatzteil erhältlich ist. Dann wird er es beim nächsten Repair Café Ende September einbauen. Und bis dahin funktioniert die Maschine mit fünf Knöpfen.

Die jüngste Kundin war übrigens die siebenjährige Louisa, die ein kaputtes Barbie Kleidchen zur Reparatur brachte, das von Margrit Conrad fachmännisch geflickt wurde. Einer der speziellsten defekten Gegenstände war eine Puppe, die nicht mehr «Mama» sagen wollte – leider liess diese sich nicht mehr flicken.

Etwas tun gegen die Wegwerfgesellschaft. Dieser Gedanke war bei manchen der «Kundinnen und Kunden» erkennbar. Andere freuten sich einfach darüber, dass sie auch künftig nicht auf ihr «Lieblingsgerät» verzichten müssen.