Grenchen
Jugendbefragung in Grenchen zeigt klare Anliegen der Jungen

1931 Jugendliche zwischen 16 und 25 Jahren wurden von der Stadt persönlich angeschrieben, sich zu ihren Wünschen und Bedürfnissen zu äussern – 160 haben geantwortet. Studierende der Fachhochschule Nordwestschweiz haben die Resultate ausgewertet.

Oliver Menge
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Die Studierenden für angewandte Psychologie der Fachhochschule Nordwestschweiz bei der Auslosung der Gewinner eines Einkaufsgutscheins. V.l.: Evelyn Ott, Linda Wick, Cynthia Künzi, Alessandra Castelli und Nadine Dönz.

Die Studierenden für angewandte Psychologie der Fachhochschule Nordwestschweiz bei der Auslosung der Gewinner eines Einkaufsgutscheins. V.l.: Evelyn Ott, Linda Wick, Cynthia Künzi, Alessandra Castelli und Nadine Dönz.

Oliver Menge

«Der Rücklauf hat uns überrascht, wir hatten mit weniger gerechnet», war die eine erstaunliche Aussage der fünf Studentinnen, welche die Studie im Auftrag der Stadt als Projektarbeit in ihrem Studium durchgeführt haben. Von den 1931 persönlich angeschriebenen Personen zwischen 16 und 25 Jahren, haben 160 geantwortet. Das entspricht einem Rücklaufwert von 8,28%. «Ein sehr guter Wert. Normalerweise beträgt der Rücklauf bei solchen Umfragen 0,5%», wurde von einer der Studierenden angemerkt.

Jugendleitbild und UNICEF-Label «kinderfreundliche Stadt»

Im Rahmen der Schaffung eines Leitbilds für die Kinder- und Jugendpolitik in der Stadt Grenchen wurde als erste der acht Massnahmen im Aktionsplan der UNICEF-Labels «kinderfreundliche Stadt» eine grosse Befragung bei den jugendlichen Einwohnerinnen und Einwohnern zwischen 16 und 25 Jahren der Stadt Grenchen durchgeführt. Was wünschen sich die Jugendlichen? Wo drückt der Schuh? Was muss verbessert werden? Wo muss die Stadt aktiv werden?

Die Studie wurde von einer Gruppe Studierender für angewandte Psychologie der Fachhochschule Nordwestschweiz in Zusammenarbeit mit der Verwaltung der Stadt, konkret mit der Standortförderung, Mike Brotschi, Projektleiter Standortförderung Kultur, Sport und Freizeit realisiert. Die Resultate wurden den Verantwortlichen, Gesamtschulleiter Hubert Bläsi und Jugendkommissionspräsident Fabian Affolter, SVP-Gemeinderat, heute präsentiert.

Doch nicht nur das ist überraschend: Nebst eines durchwegs positiven Feedbacks der jungen Leute, die sich dankbar zeigten, sich überhaupt äussern zu dürfen, gab es doch einige Punkte, die auffallen. So wünscht sich beispielsweise mehr als die Hälfte der befragten Jugendlichen eine Ansprechperson in irgendeiner Form. Sei es bei der Verwaltung oder bei einer einfach zugänglichen Institution, wie zum Beispiel dem Jugendhaus oder der Jugendkommission, wo die Jugendlichen ihre Bedürfnisse und Anliegen deponieren können und diese dann weitergeleitet werden. Mehr als die Hälfte der Jugendlichen wäre ausserdem sehr daran interessiert, selber bei einem Projekt mitzuarbeiten. Beispielsweise einem Jugendcafé, einer Bar oder einem Treffpunkt. Denn die befragten Jugendlichen möchten einen Ort, an dem sie miteinander kommunizieren können. «Dabei streben die Befragten, die diesen Punkt angesprochen haben, ganz klar die Face-to-Face-Kommunikationan, die sie der Kommunikation über die sozialen Medien klar vorziehen». Das heisse aber nicht etwa, dass die sozialen Medien im Leben der Jungen keine Rolle mehr spielen: Es habe sich klar abgezeichnet, dass sich die Jugendlichen nach wie vor ihre Informationen online und über die sozialen Medien holen, über Apps wie Instagram beispielsweise. Aber, und das habe man deutlich herauskristallisieren können: Die persönliche Kommunikation von Angesicht zu Angesicht habe bei den Jungen einen sehr hohen Stellenwert.

Stresslevel ist hoch

In der Umfrage wurden die Jungen auch danach befragt, wie gestresst sie sind. Die Resultate sind ziemlich deutlich: Der Stresslevel bei den 16-25-Jährigen ist hoch. Die Studentinnen führen das auf die hohen Anforderungen und die Veränderungen in dieser Lebensphase zurück.

Eine Kontroverse ist bei der Befragung auch deutlich geworden: Im Rahmen der Untersuchung haben die Studierenden auch sogenannte «Experten-Interviews» durchgeführt. Befragt wurden Tamara Moser, die Leiterin des Lindenhauses, Daniel Lüdi, damals noch Präsident der Jugendkommission, Kurt Boner, Leiter Soziale Dienste Oberer Leberberg (SDOL) und natürlich auch Stadtpräsident François Scheidegger sowie Mike Brotschi, Projektleiter Standortförderung Kultur, Sport und Freizeit. «Alle haben die Wichtigkeit und den hohen Stellenwert der Jugend betont, das sei die kommende Generation, die Zukunft der Stadt, zu der man Sorge tragen müsse», erklärte eine der Studienleiterinnen. «Nur kommt diese Message beim Zielpublikum offensichtlich nicht an». Viele fühlen sich laut den Ergebnissen nicht besonders ernst genommen und empfinden den Stellenwert der Jugend in der Stadt als nicht besonders hoch, was die Anstrengungen der Stadt anbelange.

Bessere ÖV-Anbindung

Ein weiteres Thema, das sich bei der Befragung herauskristallisierte, war die ÖV-Anbindung an Solothurn, Biel und die grösseren Zentren Bern und Zürich. Grenchen bietet für «ältere» Jugendliche wenig Ausgangsmöglichkeiten. Umso wichtiger sei für diese Altersgruppe, abends zu einer vernünftigen Zeit, also nicht zu früh, noch mit dem Zug zurück nach Grenchen fahren zu können. Nur leider sei oft in Solothurn Schluss. Projektleiter Mike Brotschi meinte im Anschluss an die Veranstaltung mit einem Augenzwinkern, am liebsten würde er das Aaremürli von Solothurn nach Grenchen zügeln, «der Treffpunkt für die Jugend schlechthin». Grenchen habe leider keinen solch attraktiven Hotspot, an dem sich die Jungen treffen und die Zeit miteinander verbringen könnten.

Die Projektarbeit der Studentinnen ist nun abgeschlossen, der Ball liegt bei der Stadt.

Stadtpräsident François Scheidegger sagte auf Anfrage: «Wir haben diese Studie unter anderem in Auftrag gegeben, weil wir spürten, dass wir die Jungen nicht so recht erreichen. Die Hemmschwelle ist irgendwie zu gross.» Von daher sei der Rücklauf doch erfreulich. «Uns ist bewusst, dass ein Vakuum für diese Altersgruppe besteht. Es braucht einen Jugendtreff als Anschlusslösung fürs Lindenhaus und gescheite Projekte für und mit Jugendlichen.» Anliegen, wie zum Beispiel die Ansprechperson, seien erkannt. «Wir werden nun die Ergebnisse prüfen und zusammen mit den zuständigen Instanzen, beispielsweise der Jugendkommission, die nötigen Schritte ins Auge fassen, um die Brücke zu schlagen.»