Grenchner Gewerbe
«Jetzt müssen alle rudern, um nicht unterzugehen»: Grenchner Gewerbe hofft auf Treue der Kunden

Geschäfte und Restaurants in der Stadt Grenchen lassen sich vom Coronalockdown nicht unterkriegen.

Daniela Deck
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Leere innenstadt: Am Freitagmorgen ist hier normalerweise Markt.

Leere innenstadt: Am Freitagmorgen ist hier normalerweise Markt.

Tom Ulrich

Not macht bekanntlich erfinderisch und so lassen sich die Grenchner Geschäfts- und Restaurantinhaber nicht unterkriegen. Obwohl ihnen vom zahlenlastigen Ausfüllen der Kurzarbeitsanträge im Moment die Köpfe rauchen, entwickeln sie in aller Eile Überlebensstrategien. Denn Trübsal blasen kommt für sie nicht in Frage, wie eine kleine Umfrage zeigt.

«Jetzt müssen alle rudern, um nicht unterzugehen, und wir sind schliesslich Sportler und können ausdauernd rudern», sagt der Geschäftsführer von Wirth Sport, Philipp Schluep, zuversichtlich. Er und sein Team liefern der Kundschaft auf Rechnung Auswahlsendungen nach Hause. Was nicht passt oder nicht gefällt, wird wieder abgeholt. Besonders gefragt seien Jogging- und Wanderschuhe, Fitnesszubehör für daheim sowie Spielgeräte, sagt Schluep.

Über Instagram und Facebook tritt das Team mit Videobotschaften mit den Kunden in Kontakt. Derzeit in Vorbereitung: ein Kurzfilm, um Sportartikel daheim fachgerecht zu waschen. Allem Kampfgeist zum Trotz: Der erwirtschaftete Umsatz ist «ein blosser Zustupf an unsere Fixkosten», wie Schluep sich mit einem Seufzer ausdrückt. Er hofft auf die Treue der Kundschaft, «eine Rückkehr zum regionalen Denken» und das Entgegenkommen des Vermieters.

Frühzeitig Computervorrat angelegt

Im «Digirama» sind jetzt je nach Bereich die Voraussetzungen unterschiedlich, wie Geschäftsführer Stephan Buser erklärt. Internetzubehör, TV und Radio gehören zur Grundversorgung, für den Rest setzt das Geschäft auf den bewährten E-Shop. «Für den Grundbedarf dürfen wir weiterhin zu den Kunden nach Hause, um diese Dinge zu installieren und auszutauschen», so Buser. Soweit möglich, arbeite man mit vereinbarten Abholpunkten, sodass der persönliche Kontakt auf ein Minimum beschränkt werden kann.

Durch die Krise komme es zunehmend zu Lieferengpässen, sagt Buser: «Headsets und Webcams sind ausverkauft und nicht nur in der Schweiz. Ich glaube geschäftlich derzeit nur an das, was ich in den Händen halte.» Deshalb ist er froh, dass er den Rat eines Freundes beherzigt und einen Vorrat an Notebooks (Computern) gekauft habe, als in China die ersten Coronafälle auftraten. Ab nächster Woche will Buser das Geschäft zumindest stundenweise wieder öffnen. Das sei wichtig für die Leute, zum Beispiel zum Laden von Handyguthaben.

Restaurant-Atmosphäre am Bürotisch

Das Restaurant Grenchner Hof hat neben dem bewährten Mahlzeitendienst (seit 1997) einen Take-away-Betrieb auf die Beine gestellt. Dieses werde zu 90 Prozent von den umliegenden Geschäften genutzt, deren Angestellte sonst in den Lokalen im Stadtzentrum essen, sagt Restaurantinhaber Robert Laski. Das Besondere am Angebot: Das Essen wird auf dem Restaurantservice ausgeliefert, mit Besteck, Brot und Servietten. Nach dem Essen wird das Geschirr zum Abwaschen am Hintereingang deponiert. «Die Leute schätzen das gepflegte Angebot sehr, das erfahre ich jeden Tag», sagt Laski. Geschirr komme kaum weg oder zu Schaden. «Ich vertraue meinen Kunden und sie vertrauen mir.»

Grundsätzlich habe er für seinen persönlichen Geschmack aber längst nicht genug zu tun, obwohl auch der Weinverkauf als Abholservice weiterläuft, sagt Laski. Sein Zwölf-Jahr-Jubiläum in Grenchen, das diese Woche ansteht, hatte er sich anders erhofft. Einen Teil der freien Zeit nutze Laski, um seine Lieferanten, besonders diejenigen in Italien, zu ermutigen. Aktuell habe er täglich Kontakt zu ihnen.

Auf dem Berg warm essen

Ab diesem Wochenende wollen die Untergrenchenberg-Pächter ihr Take-away-Angebot (Brot, Züpfe und Cremeschnitten) um zwei oder drei einfache warme Mahlzeiten erweitern. Aus diesem Grund war diese Woche fleissig Probeessen angesagt. Vreni Schneider geht es auf dem Berg wie den Befragten in der Stadt: Herumsitzen und auf bessere Zeiten warten, ist nicht nach ihrem Geschmack. «Ich will etwas tun für die Leute.» Aus diesem Grund habe sie mit dem Revierförster besprochen, wie das improvisierte Kioskfenster des Gasthofs mit richtungsgetrennten Bahnen für den Zutritt regelkonform signalisiert und betrieben wird.

Ihr grösstes Problem ist die Sperrung der Toiletten. «Die meisten Leute verstehen das, wenn wir es erklären, mühsam ist es trotzdem.» Die Folgen dieser seuchenpolizeilichen «Hygienemassnahme»: Die Leute pinkeln in den Wald. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass es Verzögerungen gebe beim Schlachten der Tiere und das verursache zusätzliche Futter- und Haltungskosten, sagt Schneider.
«Zahlensalat» - ein
notwendiges Übel
Das notwendige Übel, mit dem sich diese Woche alle kontaktierten Geschäftsinhaber befassen mussten, waren die Anträge für Kurzarbeit. «Mir wurde gesagt, das Verfahren sei vereinfacht worden. «Schön wär’s», bemerkt Schneider dazu. «Die Berechnungen und überhaupt der ganze Zahlensalat sind unglaublich kompliziert, und wehe, man bleibt nicht konzentriert bei der Sache. Dann kann man gleich wieder von vorn anfangen.»
Die Übrigen empfinden das ähnlich. Glücklich, wer in dieser Frage einen Profi zur Seite hat, der mit der Firma bereits vertraut ist. «Zum Glück haben wir eine kompetente Treuhänderin», sagt Schluep vom Wirth Sport. Denn ein Mysterium der Krise ist für ihn die Tatsache, dass der Papierberg auf seinem Schreibtisch nicht ab- sondern zugenommen habe.
Hinweis
Übersicht über die Angebote der Grenchner Firmen (wird laufend aktualisiert):
www.gvg-grenchen.ch