Grenchen
Ist die Jungbürgerfeier nur noch ein alter Zopf?

«Diesen Aufwand wollen wir nicht mehr betreiben, wir werden die Feier künftig nicht mehr in der heutigen Form durchführen», sagt Marlyse Frey, die für die Planung und Durchführung der diesjährigen Jungbürgerfeier in Grenchen verantwortlich zeichnete.

Oliver Menge
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Nur gerade fünf Jungbürger hörten sich die Ausführungen von Andreas von Aesch vom Flughafen an.

Nur gerade fünf Jungbürger hörten sich die Ausführungen von Andreas von Aesch vom Flughafen an.

AZ

Man hatte sich etwas einfallen lassen, Beziehungen spielen lassen und wollte den jungen Grenchner Bürgerinnen und Bürgern auf dem Flughafen Grenchen etwas Besonderes bieten.

Aber von 120 Eingeladenen hatten sich nur gerade acht angemeldet. Eine Person meldete sich kurzfristig am Morgen noch ab, zwei erschienen ganz einfach nicht, am Ende warens nur gerade drei junge Damen und zwei junge Herren, die sich in die Geheimnisse des Flughafens einführen liessen und sogar Schnupperflüge über die Stadt machen konnten (wir berichteten).

«Absagen wollten wir die ganze Sache trotz des geringen Interesses auf keinen Fall», sagt Frey. «Das wäre den Jungen gegenüber, welche doch erschienen, nicht fair gewesen.»

Aber angesichts der schwachen Beteiligung der letzten Jahre - letztes Jahr nahmen nur gerade vier Jungbürgerinnen und Jungbürger am Ausflug auf den Rütihof teil - habe man sich wirklich ernsthaft überlegen müssen, ob man die Veranstaltung tatsächlich noch in der Form durchführen wolle.

«Als die Jugendkommission die Jungbürgerfeier vor sieben Jahren das erste Mal organisierte, kamen immerhin 30 Leute. Wir besuchten den Seilpark bei der Bison-Ranch in Plagne und das hat die Jungen anscheinend animiert.»

Auch im Jahr darauf vermochte der Besuch des Keltenhauses in Guggisberg 20 Jungbürgerinnen und Jungbürger zu interessieren, erzählt Frey. Aber bereits im Jahr darauf, als man im Ratskeller ein Apéro spendierte und anschliessend im Lindenhaus selber Pizza backen konnte, seien die Jungen zwar anfangs recht zahlreich erschienen, aber plötzlich seien alle verschwunden.

Der Grund: In Solothurn war HESO. Nur die Erwachsenen seien zurückgeblieben, die Jungen zogen den Schanzengraben vor. Warum die jungen Bürgerinnen und Bürger so desinteressiert sind, weiss Frey nicht. Sie vermutet, dass die junge Generation lieber andersweitig konsumiert oder sonst in den Ausgang geht, als sich an einer Jungbürgerfeier Reden anzuhören.

Die Jungen einbeziehen

Einer, der auch am vergangenen Freitag eine kurze Rede hielt und die Jungbürgerinnen und Jungbürger über ihre neuen Rechte und Pflichten aufzuklären hatte, war Stadtpräsident Boris Banga. Für ihn ist klar, dass es nicht etwa an Politikverdrossenheit liegt, weshalb die Jungbürgerfeier auf so wenig Interesse stösst.

Vielmehr müsse man sich überlegen, die Jungen einzubeziehen und sie selber etwas organisieren lassen. «Wir könnten den Jungen ein kleines Budget zur Verfügung stellen, in dessen Rahmen sie autonom ihre eigene Jungbürgerfeier planen könnten, vielleicht wären dann das Interesse und die Teilnehmerzahl grösser.»

Für Marlyse Frey ist klar, dass man bereits für nächstes Jahr eine andere Form finden muss. Ihr schwebt vor, die Jungbürgerfeier zum Beispiel in die 1.-August-Feier zu integrieren, ein Vorschlag, den sie mit der Stadtschreiberin und dem Standortmarketing Kultur und Sport noch näher anschauen will. Erste Gespräche in diese Richtung haben bereits stattgefunden.

Remo Bill, Parteipräsident der SP Grenchen, war als einziger der eingeladenen Parteipräsidenten vor Ort. Auch er zeigt sich enttäuscht über das Desinteresse der jungen Bürger.

Die Teilnahme an der Jungbürgerfeier und die damit verbundene Übernahme der politischen Rechte und Pflichten seien eigentlich ein wichtiger Schritt im Leben der jungen Erwachsenen, aber man müsse wahrscheinlich die Jungen mehr in einen solchen Anlass integrieren, statt ihnen einfach ein Rahmenprogramm zu bieten.

«Politik interessiert ja nicht nur bei den Jungen immer weniger, wie man bei den mageren Stimmbeteiligungen jeweils sehen kann», sagt Bill. «Vielleicht geht es uns einfach zu gut.» Erst im Fall einer Krise würde einem vielleicht schneller bewusst, was für eine wichtige Rolle Politik, Parteien und Gewerkschaften spielen.