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Wegen Komplikationen rund um die Aufführungsrechte und steigenden Coronafallzahlen verkündet die Regisseurin das vorzeitige Aus. Premiere wäre bereits im November gewesen.
Die Autorin und Regisseurin Iris Minder hat alle Vorstellungen von «Momo» abgesagt und die Proben vorzeitig beendet. Schweren Herzens, wie sie sagt, denn bereits im November wäre die Premiere des Stücks auf dem Programm gestanden. In den letzten Wochen fanden bereits die Endproben in Minders eigenem Kleintheater «Gänggi» statt, alles war im Grunde bereit.
In Zusammenarbeit mit Christian Ambühl, Kommandant der Stadtpolizei und Stabschef des Coronasonderstabs hatte Minder ein strenges Schutzkonzept für ihr Theater ausgearbeitet: Statt der üblichen 32 Plätze wären nur 20 Personen eingelassen worden. Das 11-köpfige Ensemble wäre mit Gesichtsvisieren oder Masken, die die Regisseurin im Stück eingebaut hatte, aufgetreten, Minder hätte auch streng die Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln kontrolliert und vor und nach jeder Vorstellung den Raum durchlüftet.
Doch in quasi letzter Minute machte ihr der Verlag, der die Rechte an Endes Werk hat, einen dicken Strich durch die Rechnung. «Mir war klar, dass ich die Aufführungsrechte für das Stück beantragen muss, denn diese sind erst 70 Jahre nach dem Tod eines Autors frei. Und Michael Ende starb erst 1995. Aber ich hätte nie damit gerechnet, dass der Verlag, der die Rechte wahrt, solche Bedingungen stellt.»
Minder hatte eine eigene Fassung des Stoffs geschrieben und Endes Geschichte über das kleine Mädchen Momo, die Zeiträuber und Meister Hora in die heutige Zeit adaptiert. Und sie hatte es versäumt, rechtzeitig beim Rechteinhaber eine sogenannte «Bearbeitungsanfrage» zu stellen. Schlicht, weil sie nicht damit gerechnet habe, so hohe Hürden überwinden zu müssen: Der Verlag verlangte von ihr den Text zur Überprüfung und kündigte schon im Vorfeld umfassende Korrekturen an, die sie hätte vornehmen müssen, um ihre Fassung anschliessend erneut zur Überprüfung einzusenden.
«Das drei Wochen vor der Premiere? Unmöglich. Also habe ich mich dazu entschieden, das ganze Stück abzusagen.» Ausserdem seien zusätzlich finanzielle Forderungen des Verlags dazu gekommen: Minder hätte 10 Prozent der Einnahmen, pro Vorstellung mindestens aber 140 Franken abliefern müssen. «Mit anderen Worten, auch wenn mir persönlich das Geld wirklich nicht wichtig ist: Ich hätte draufgelegt.» Das Team sei natürlich sehr traurig gewesen über den Entscheid, denn schliesslich hätten die 11 Schauspielerinnen und Schauspieler bereits seit Juni geprobt. «Aber wir hatten wenigstens gemeinsam eine gute Zeit.»
Minder hätte aber auch ohne die Probleme mit Endes Verlag jetzt alle Vorstellungen abgesagt und die Proben eingestellt, wie sie sagt: «Die Zahlen der Infektionen sind dermassen explosionsartig angestiegen in den letzten Tagen, ich hätte gar keine andere Wahl gehabt.» In ihrem Theaterteam seien etliche der Schauspielerinnen und Schauspieler im Pensionsalter und gehörten zu den Risikogruppen, etliche auch mit Vorerkrankungen.
«Dazu kommen Jugendliche, die unter Umständen nicht einmal merken würden, wenn sie sich anstecken, weil sie keine Symptome haben. Dieses Risiko konnte ich unmöglich eingehen.» Sie plane nun, für den Frühling ein eigenes Stück zum Thema «Was raubt uns heutzutage Zeit» zu schreiben und dann mit dem Team einzustudieren.
«Es ist ja schon komisch», sagt Minder lachend: «Als ich im Juni den Plan mit allen Proben in die Agenda eintrug, habe ich die Vorstellungsdaten einfach vergessen. Das ist mir bisher noch nie passiert. Ob das etwa eine Vorsehung war?».