Kommentar zu Wissen und Halbwissen in Grenchen.
In einer Serie haben wir in den letzten Wochen den Grenchner Parteipräsidenten auf den Zahn gefühlt. Die Miliz-Politiker präsentierten ihre Sicht von Grenchen, den Problemen der Stadt und wie man diese am besten lösen könnte – wenn überhaupt. Denn oft muss sich Grenchen auch einfach einem Megatrend beugen, dem zu begegnen wenn nicht aussichtslos, dann doch sehr schwer ist. Beispiele sind die Krise des Detailhandels durch das Einkaufen im Internet oder die rückläufige politische Partizipation.
Gerade bei letzterer wäre es allerdings verkehrt, die Flinte verfrüht ins Korn zu werfen. Die Erfahrung zeigt, dass sich die Bevölkerung sehr wohl mobilisieren lässt, wenn ein Thema, das viele betrifft, virulent wird. In Grenchen war das beispielsweise die Belebung des Marktplatzes – ein Ideen Wettbewerb dieser Zeitung. Oder die Glassammlung, eine Petition eines Politikers, die in Grenchen hohe Wogen schlug. Dies insbesondere, da es auch gelang, für die Gemeindeversammlung zu mobilisieren.
Klammerbemerkung: Man mag über die Schwächen des Systems Gemeindeversammlung in einer Stadt mit bald 18'000 Einwohnern denken wie man will. Fakt ist, dass dort vor der Entscheidfindung zumindest einmal öffentlich und kontrovers über den Systemwechsel diskutiert wurde, der in der Politik zuvor ohne grosse Diskussion durchgewunken wurde.
An diesem Beispiel lässt sich überdies illustrieren, woran Grenchen mehr als andere Städte krankt: Die Bevölkerung hat schlicht zu wenig Informationen über die Projekte des Hôtel de Ville. Wer keine lokale Tageszeitung abonniert hatte, (und das sind heute immer mehr Leute) hatte keine Chance, sich über die Pläne unserer Stadtväter schlau zu machen, die Glassammlung abzuschaffen. Man soll seine eigene Rolle nicht überbetonen, aber ausserhalb dieser Spalten wurde kaum irgendwo über das Vorhaben informiert. In jedem Dorf, demnächst auch wieder in Pieterlen zur Schulraumplanung, finden bei wichtigen Vorhaben Informationsanlässe für die Bevölkerung statt. In Grenchen nichts dergleichen. Nicht einmal eine Ankündigung auf der Homepage der Stadt.
In Biel wird für jede Sanierung einer Quartierstrasse eine Medienkonferenz, womöglich mit Ortstermin, einberufen und die Vorhaben werden ausführlich auf der Homepage der Stadt erläutert. So was kennt man hier schlicht nicht. Allein die Projekte, welche im Businessplan der Stadt Grenchen beiläufig erwähnt werden, würden aber anderswo eine PR-Abteilung ein halbes Jahr beschäftigen.
Oder hat das jemand gewusst: In Grenchen hat die GRK vergangenen Mittwoch die Ideen einer Arbeitsgruppe zur Belebung der Innenstadt behandelt und auch Beschlüsse gefasst – darunter denjenigen, vorerst nicht darüber zu informieren (!). Die Arbeitsgruppe ist schon seit einem guten halben Jahr an der Arbeit, aber kaum jemand weiss davon. Offizielle Informationen der Stadt gab es jedenfalls nie dazu. Kein Wunder beklagt sich männiglich, insbesondere die «Opposition», der Stadtpräsident habe keine Vision, wenn niemand weiss, was da ausgebrütet wird - ja, dass überhaupt gebrütet wird. Andernorts hätte man die Einsetzung einer Arbeitsgruppe, welche sich mit den Ideen - den immerhin vom Stapi offiziell entgegengenommenen Ideen - der Bevölkerung befasst, mit riesigem Trara angekündigt.
Aber nicht hier in Grenchen. Warum nicht? Ist es die Angst, als «Ankündigungsminister» dazustehen, wenn der Berg am Ende nur eine Maus gebiert? Klar - nicht allen Projekten ist Erfolg garantiert. Es ist jedoch nichts Ehrenrühriges daran, wenn man erklären muss, warum dieses oder jenes nicht geklappt hat, oder es zu viel kosten würde. Und dass man es halt jetzt so und nicht anders probiert. - Aber erklären sollte man es früher oder später einmal.
Oder will man, dass alles niet- und nagelfest «verhebt», bevor man informiert? Da kann man aber noch lange warten. Die heutige Welt ist eine rollende Planung. Jede Information ist Zwischenstand, ist vorläufig. Definitive Informationen stehen in Todesanzeigen, sonst nirgends.
Das dumpfe Gefühl, sogar im Gemeinderat geht es immer wieder um, die GRK sei eine Dunkelkammer, kommt nicht von ungefähr. Es kommt genau deshalb, weil die Leute Angst davor haben, vor faits accomplis gestellt zu werden. Dass der Mist geführt ist und man nichts mehr dazu sagen kann. Da kann der Nährwert dieses Düngers noch so gut sein und zu Wachstum und Prosperität führen. Wenn man nicht einbezogen, nicht beteiligt, nicht begrüsst, ja nicht einmal informiert wird, wächst die Skepsis unaufhaltsam.
Es geht bei dieser Partizipation nicht um das ewig gleiche Karussell der Interessengruppen (Gewerbe, Polizei, Politikvertreter), die immer wieder beigezogen werden. Es geht um die Allgemeinheit, die Öffentlichkeit, die Bevölkerung von Grenchen, die offensiver aus dem Stadthaus mit Infos bedient werden muss. Die technischen Möglichkeiten dafür gibt es längst.
Jeder kennt ja den Diskurs der Halbinformierten, die sich auf Internetportalen wieder die neuesten Gerüchte aus der Stadt um die Ohren schlagen. Die Leute, die sich dort ereifern, wissen meistens nicht einmal, dass es Gemeinderatsprotokolle gibt. Irgendwo, versteckt auf der Homepage der Stadt. Ab und zu postet zwar ein Gemeinderat etwas und stellt einzelne Behauptungen richtig. Doch das kann es auf die Dauer nicht sein.
Im Hôtel de Ville muss man realisieren, dass in der heutigen Zeit der Informationsüberflutung, ja der Fake News, ein neues Konzept her muss für eine Information der Grenchner Bevölkerung. Man darf sich dabei keine Illusionen machen. Infos aus dem Stadthaus werden auch da nur eine Stimme sein unter vielen. Wie sollen aber die Bürger der Stadt vertrauen, wenn diese meistens stumm bleibt?
andreas.toggweiler@azmedien.ch