An einem Vortrag im Kultur-Historischen Museum in Grenchen war die Rolle der Grossbanken bei der Rettung der Uhrenkonzerne Asuag und SSIH Thema.
Nach dem Wiedererstarken der Schweizer Uhrenindustrie wird in Grenchen immer wieder auf die Bedeutung der Kunststoffuhr Swatch verwiesen und dieser industrielle Befreiungsschlag (zu Recht) gewürdigt.
An einem Vortrag im Kultur-Historischen Museum wurde für einmal ein anderer, ebenso wichtiger Fokus gesetzt: Die Restrukturierung der überschuldeten Uhrenkonzerne SSIH und Asuag und die Rolle, welche die Grossbanken dabei spielten.
Den Organisatoren ist es gelungen, für diesen Aspekt eine Persönlichkeit zu engagieren, welche aus dem Vollen schöpfen konnte: Dr. iur. Peter Gross, ehemaliger Generaldirektor der Schweizerischen Bankgesellschaft SBG und Verwaltungsrat der Asuag, Präsident der SSIH und Vizepräsident der Swatch Group bis 2011. Gross war übrigens auch Präsident des ausserordentlichen Bankrates der Solothurner Kantonalbank und erster Präsident der SoBa.
«Die Entstehung der Swatch Group – ein Erlebnisbericht», lautete seine Affiche am gut besuchten Referat im Vortragsraum des Museums. «Alles begann 1980, als die SSIH bei uns einen Kredit beantragte, um die Löhne zu bezahlen», erinnerte sich Gross. Dass der Konzern mit klingenden Uhrenmarken wie Omega und Tissot im Portefeuille derart in Schieflage geraten konnte, löste bei den Banken Alarmglocken aus. Die Bank verlangte, dass der Konzern durchleuchtet wird. Mit Nicolas G. Hayek wurde ein für die betroffene Branche noch unbeschriebenes Blatt mit der Aufgabe betraut...
Gross schilderte die dramatische Verschuldungssituation sowohl bei SSIH als auch bei der doppelt so grossen Asuag (ETA, GWC mit Longines, Rado etc.) und die Rekapitalisierung durch Banken und Investoren.
Für die Schieflage der Firmen sei nicht eine viel erwähnte Quarzkrise verantwortlich, sondern klassische unternehmerische Fehler wie eine viel zu grosse Produktepalette, unübersichtliche Strukturen, Technologiesprünge, Preiszerfall, die Ölkrise und nicht zuletzt ein «grassierendes Verbandsunwesen». Gross verwies in diesem Zusammenhang auf die Dissertation des Wasserämters Bruno Bohlhalter, der die Auswirkungen des dirigistischen Uhrenstatuts ausführlich dokumentiert hat (wir berichteten).
In Produktionszahlen lasse sich die Uhrenkrise auch mit einem einfachen Vergleich ausdrücken: «1974 wurden in 40 Millionen Ankeruhren produziert, 1984 waren es noch 7 Millionen», erklärte Gross. «Und pro verkaufte Uhr musste ein Verlust von 25 Rappen eingerechnet werden.»
«Die Banken haben es dank immer neuer Kredite so weit kommen lassen», erwähnte Gross nicht ohne Selbstkritik. Nolens volens übernahm er selber das Verwaltungsratspräsidium der SSIH und führte den Kapitalschnitt um 95 Prozent und die anschliessende Rekapitalisierung mit 100 Mio. Fr. neuem Aktienkapital durch. Zur Restrukturierung gehörte aber auch ein Abbau von 750 Stellen auf neu 4300. «In dieser Zeit war ich mehr in Biel als in Zürich auf der Bank», erinnert sich Gross.
«Nicht viel weniger dramatisch war die Situation bei der Asuag», erklärte Gross weiter. Die beiden Firmengruppen machten 70 Prozent der Schweizer Uhrenindustrie aus. Das Rettungsprogramm der Banken kostete diese insgesamt 860 Millionen Franken, was heute einem Gegenwert von 1,4 Milliarden entspräche.
Dabei sei keinesfalls der 1983 unter Hayeks Anraten vollzogene Zusammenschluss von Anfang an das Fernziel gewesen. «Es gab keinen Masterplan, sondern eine Folge von Entscheidungen, die immer wieder neu beurteilt wurden», so Gross. In Bankenkreisen sei (von Einzelnen) auch die Abwicklung der Firmen gefordert worden. «Immerhin gab es eine Offerte aus Indien: 300 Millionen wurden allein für Omega geboten.»
1983 war der Zusammenschluss zur SMH perfekt. 1985 habe Nicolas G. Hayek – auf eine entsprechende Frage – erstmals selber Interesse an einer Übernahme geäussert, die Situation aber anlässlich seines eigenen Kapitals von "nur" 60 Mio. Fr. als nicht sehr aussichtsreich beurteilt. Ein Investorenpool, unter anderem auch mit Stephan Schmidheiny, der Hayek vertraute, habe dies aber möglich gemacht.
Seit 1998 heisst der Konzern mit heute 37 Gesellschaften und 35 600 Angestellten Swatch Group. «Kreativität, Innovation, Rationalisierung, Kommunikation, Entschlusskraft, Durchsetzungsvermögen und natürlich auch die Swatch waren die Erfolgsfaktoren des gelungenen Neuanfangs», fasste Gross zusammen. Heute beträgt das Aktienkapital 10,674 Mrd. Franken.
Die Banken hätten sich übrigens teilweise sehr früh wieder von ihrer Beteiligung getrennt. «Denn bankentechnisch hat diese viele Mittel gebunden, weil sie mit Eigenmitteln unterlegt sein musste.»