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Die Ausgrabungen an der Grenchner Schützengasse haben sich äusserst ergiebig gestaltet. Neben 40 Skeletten wurden in acht Gräber auch Grabbeigaben, wie Gürtelschnallen und Schwerter gefunden.
Eine Woche hatten die Archäologen zunächst veranschlagt, jetzt sind es vier geworden. Das Team der Solothurner Kantonsarchäologie hat auf dem frühmittelalterlichen Gräberfeld im Stadtzentrum eine reiche Ernte eingefahren.
Laut Grabungsleiterin Mirjam Wullschleger wurden auf dem Areal nicht weniger als 58 Gräber aus dem 6. und 7. Jahrhundert gefunden. «Ein Teil der Gräber war zwar leer, weil sie schon früher geöffnet oder auch geplündert wurden; dennoch haben wir insgesamt 40 Skelette gefunden», berichtet Wullschleger.
Drei Schwerter als Beigaben
In acht Gräbern wurden auch Grabbeigaben gefunden, beispielsweise Gürtelschnallen aus Eisen, aber auch drei einschneidige Kleinschwerter, Sax genannt. Natürlich sind diese stark korrodiert.
Damit sie bei der Bergung nicht in Krümel zerfallen, haben sie die Archäologen vor Ort mit Gips eingegossen und als Block herausgehoben. Auch die Gürtelschnallen muss man sich vorstellen. Als Wullschleger eine Aufbewahrungsbox aus Kunststoff öffnet, sieht man vorerst lediglich einen unförmigen Klumpen.
Eine Präparatorin wird sich nun im Labor der Grabfunde annehmen. Kantonsarzt Christian Lanz hat vor Ort bereits auch einen Blick auf die Skelette geworfen. «Dabei ist uns aufgefallen, dass viele der Bestatteten relativ jung waren», erklärt Wullschleger. Angesichts des damaligen Standes medizinischen Wissens erstaune dies allerdings nicht. Die meisten Menschen wurden zu jener Zeit nicht alt.
Bedeutende Siedlung
Was kann man aus dem Gräberfeld auch noch schliessen? - «Dass sich in der Nähe sicher eine bedeutende Siedlung befand», so die Archäologin. Denn aufgrund früherer Funde geht man davon aus, dass das Gräberfeld im Stadtzentrum rund drei mal grösser war. Die anderen Bereiche wurden allerdings schon vor über 100 Jahren bei der Überbauung des Stadtkerns beseitigt.
Die oft auch kritisierten Baulücken im Grenchner Stadtzentrum erweisen sich jetzt für die Archäologen als Segen. Denn an den meisten anderen Orten wurden die Zentren bereits zu einem Zeitpunkt mit unterkellerten Steinhäusern überbaut, als sich noch kaum jemand für antike Gräber interessierte. Von den zugehörigen Siedlungen findet man heute keine Spuren mehr, denn sie waren ganz aus Holz.
Zwei Gräbertypen
Die Archäologen haben bei ihren Grabungen zwei Typen von Gräbern gefunden. «Luxuriösere» mit Trockenmauer-Einfassungen und Grabplatten und einfachere Erdgräber. Während die meisten der ersten Kategorie - weil leicht erkennbar - bereits geplündert sind, waren die Erdgräber unversehrt.
Wurden die Grenchner Gräber aus der Zeit der Völkerwanderung früher als «Burgundergräber» bezeichnet (beipielsweise im Grenchner Heimatbuch), weiss man laut Wullschleger heute, dass die hier bestatteten Menschen Nachfahren der Gallo-Römer waren, also «Einheimische».
So oder so sind die Funde für die Solothurner Kantonsarchäologie bedeutend. Die gefundenen Grabkammern wurden komplett abgebaut, die Steine nummeriert und in Plastikkisten eingelagert. «So können die Gräber jederzeit wieder rekonstruiert werden, fast wie auf dem Ballenberg.»
Das Wetter war favorabel
Die Bedingungen für die Ausgrabung waren laut Wullschleger gut. «Dank des milden Wetters war der Boden nicht gefroren und wir sind rasch vorwärtsgekommen.» Allerdings musste zusätzliches Personal aufgeboten werden, Temporärkräfte, aber auch Mitarbeiter der Kantonsarchäologie, die normalerweise Bürojobs haben. Auch Archäologie-Chef Pierre Harb war immer wieder vor Ort, um zu helfen.
Denn eigentlich handelt es sich um eine Notgrabung. Im Norden des Grundstücks, wo die Archäologen vor drei Wochen arbeiteten, heben jetzt Bagger bereits die Tiefgarage aus.
Aufgrund des knappen Zeitplans habe man auch auf einen «Tag der offenen Grabung» verzichten müssen, erklärt Wullschleger. Zaungäste habe man aber immer wieder gehabt, diese hätten nicht gestört.
Und Grabräuber? - Wullschleger lacht. «Gute Frage. Aber Nein, wir haben darauf geachtet, dass wir jeweils am Abend eine Grabstätte geräumt hatten. Auch wenn dies einige Überstunden bedeutete.»