Bettlach
Im Dorf gibt es immer mehr Senioren – das bringt Probleme mit sich

Immer mehr alte Menschen leben künftig in der Gemeinde Bettlach. Eines der Legislaturziele des Gemeinderates sieht die Schaffung eines Altersleitbildes für die Einwohnergemeinde vor.

Oliver Menge
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Der Anteil der alten Menschen und Hochbetagten nimmt in Bettlach überproportional zu. (Symbolbild)

Der Anteil der alten Menschen und Hochbetagten nimmt in Bettlach überproportional zu. (Symbolbild)

Hanspeter Baertschi

Die neu geschaffene Kommission für Gesellschafts- und Gesundheitsfragen GGF hat diese Arbeiten Anfang Jahr in Angriff genommen. Ende Jahr sollte dieser Prozess abgeschlossen sein.

Im Oktober 2014 lancierte die «Age Stiftung» in Zürich das Programm «socius – wenn Älterwerden Hilfe braucht». Diese Förderstiftung beschäftigt sich mit diversen Themen rund ums Älterwerden und ums Wohnen im Alter und unterstützt konkrete Projekte mit jährlich über 3 Millionen Franken. Für dieses Programm suchte die Stiftung Akteure der Altersarbeit in zehn Deutschschweizer Gemeinden oder Regionen, die den Aufbau und Betrieb von bedürfnisorientierten Unterstützungssystemen für ältere Menschen organisieren möchten. Das Programm soll dazu beitragen, Unterstützungsangebote effektiver aufeinander abzustimmen, den Zugang dazu zu erleichtern und Lücken im Dienstleistungsangebot zu schliessen. Laut Monika Eichelberger, Präsidentin der Kommission GGF, «stiess diese Ausschreibung der Age Stiftung in der neuen Kommission auf grosses Interesse, zumal deren Aktionsplan mit den Projektabsichten in wesentlichen Aspekten einhergeht».

«Die demografische Entwicklung in Bettlach verläuft ungünstig für die Gemeinde. Wir haben hier immer mehr alte Menschen und im Verhältnis zu wenig Jungen, die in Bettlach bleiben. Das stellt die Gemeinde vor grosse Probleme in der Zukunft», sagt Gemeindepräsidentin Barbara Leibundgut. Die Bevölkerungsprognose für Bettlach sehe bis ins Jahr 2030 eine Zunahme von rund 150% der über 80-jährigen Einwohnerinnen und Einwohner voraus. Bei kleinem Wachstum der Gesamtbevölkerung – für Bettlach 20 Personen pro Jahr – werde das Wachstum der Seniorengruppe überproportional gross sein, weil der Bevölkerungsanteil der «Babyboomer» sehr gross sei. Besonders in der Gemeinde Bettlach werde der Anteil der Hochbetagten stark wachsen.

Viele Player im Bereich Alter

Zwar habe man nebst der Einwohnergemeinde und der Kommission für Gesellschafts- und Gesundheitsfragen viele verschiedene Akteure in der Altersarbeit, wie das Alters- und Pflegeheim Baumgarten als «grösster Player», die Wohnbaugenossenschaft Baumgarten, die Spitex, die Kirchgemeinden, Pro Senectute, private Institutionen wie Promensch, das Tageszentrum Lebensrad, der Verein Palliative Care, Kita und Schulen Bettlach. Zudem ist man über diverse Institutionen mit Grenchen und Selzach verbunden. «Die Teilnahme am Programm würde uns sehr dabei helfen, Doppelspurigkeiten zu vermeiden und unsere Angebote dort zu verbessern und zu ergänzen, wo es nötig ist.»

Monika Eichelberger und Gemeindepräsidentin Barbara Leibundgut stellten in der Folge ein Dossier zusammen, das man der Age Stiftung unterbreitete. «Der Weg ist das Ziel: Wir stellen uns die Aufgabe, die verschiedenen vorhandenen Angebote zu vernetzen, zu verknüpfen, Synergien zu nützen und die Angebote der Bevölkerung bekannt zu machen», heisst es im Projektbeschrieb. Und weiter: «Ziel ist es, dass die Einwohner/-innen eine einzige Ansprechstelle haben, bei der eine Art Triage vorgenommen wird und die Ratsuchenden der richtigen Stelle zuweist, ein bedarfsorientiertes, bezahlbares und einfach nutzbares Unterstützungssystem zu entwickeln.»

Zwar verfolgt die Kommission für Gesellschaft- und Gesundheitsfragen GGF dieses Ziel unabhängig von einer Teilnahme am Programm, für das man sich bewirbt, aber «von den Ressourcen her ist es fraglich, ob wir dieses Ziel ohne die Unterstützung des Programms «socius» in der gleichen Zeit erreichen könnten», erklärt Monika Eichelberger.

Anlaufstelle und Drehscheibe

Ziel wäre also eine einzige Anlaufstelle für ältere Menschen oder Betreuungspersonen zu schaffen und gleichzeitig eine Drehscheibe für die beteiligten Akteure. «Es wäre wünschenswert, wenn es nur eine Telefonnummer gäbe, bei der Seniorinnen und Senioren weiterführende Informationen erhalten würden. Bei allgemeinen Dingen wie zum Beispiel in Steuerfragen, bei Anträgen auf Unterstützung, Ergänzungsleistungen oder ähnlich. Aber auch, wenn sie auf Unterstützung angewiesen sind, weil sie beispielsweise gerade eine Operation hinter sich haben. Früher bedeutete das oft, dass nun der definitive Eintritt ins Altersheim bevorsteht.» Das sei heute immer weniger der Fall, bestätigt auch Eichelberger, selber Direktorin eines Zentrums für Langzeitpflege in Biel. Immer öfters seien die Menschen nur für eine gewisse Zeit im Heim und kehrten wieder in ihre eigenen vier Wände zurück, wenn es ihnen wieder etwas besser gehe. Da seien dann andere Formen der Unterstützung, wie zum Beispiel die Spitex, gefragt», so Leibundgut. Ausserdem gebe es in der Region Bettlach und Grenchen sehr viele Angebote, die eher informell aufgegleist seien, ergänzt Eichelberger. «Beispielsweise Besuchsdienst durch Freiwillige oder der Mittagsclub, den die Kirchgemeinden anbieten.»

«Wir wollen unsere bestehenden Angebote auf die Bedürfnisse der älteren Bettlacherinnen und Bettlacher und deren Angehörigen oder Betreuungspersonen zuschneiden, wären wissenschaftlich dabei begleitet und könnten uns mit anderen Gemeinden oder teilnehmenden Institutionen austauschen, also von deren Erfahrungen profitieren», erklärt die Gemeindepräsidentin. Denn es bringe wenig, wenn jeder das Rad selber neu erfinden wolle.

Unterm Strich soll es rentieren

Nicht zuletzt würde die Gemeinde auch finanziell profitieren: Wenn sie ausgewählt wird, bei «socius» mitmachen zu dürfen, erhält sie 140 000 Franken, die sie zweckbestimmt für die Projektarbeit verwenden könnte. «Das bedeutet natürlich auch, dass wir ebenfalls Geld in die Finger nehmen müssen.» Weil man nach dem Brutto-Prinzip und nicht netto abrechnet, also die Förderbeiträge nicht gleich abziehen kann, ist mit wiederkehrenden Kosten von über 20 000 Franken pro Jahr zu rechnen, welche zuerst der Gemeinderat und dann die Gemeindeversammlung bewilligen müssten.

Noch ist es aber nicht so weit: Die erste Hürde, einen Fragebogen, hat Bettlach geschafft und konnte das Dossier einreichen. Nun liegt dieses zur Beurteilung in Zürich, Ende April ist man entweder raus oder eine Runde weiter. Ein positiver Entscheid würde bedeuten, dass man das Projekt präsentieren darf. Unmittelbar danach wird entschieden, ob Bettlach zu den zehn ausgewählten Gemeinden und Institutionen gehört. «Das Risiko besteht natürlich, dass man bei der Stiftung zum Schluss kommt, Bettlach sei ohnehin gut aufgestellt und habe die Unterstützung gar nicht nötig», sagt Monika Eichelberger. Ob das so ist, wird sich Ende Monat weisen.