Red Bull Race Day
Ihr Vater flog die P-38 Lightning – jetzt kommt der «Gabelschwanzteufel» erstmals nach Grenchen

Bei Wendy Heggendorn aus Grenchen weckt die P-38 Lightning Emotionen. Ihr Vater flog den Flugzeugtypen im zweiten Weltkrieg. Nun kommt der «Gabelschwanzteufel» am Red Bull Race Day erstmals an den Jurasüdfuss.

Peter Brotschi
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Die Lockheed P-38 Lightning in den Red-Bull-Farben.
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Lockheed P-38 Lightning
Lockheed P-38 Lightning

Die Lockheed P-38 Lightning in den Red-Bull-Farben.

Helge Kirchberger Photography

Die deutschen Piloten nannten ihn «Gabelschwanzteufel»: Die P-38 Lightning war im Zweiten Weltkrieg ein gefürchtetes Flugzeug. Der zweimotorige Jäger, Jagdbomber und Aufklärer aus den USA kommt mit dem «Red Bull Race Day» erstmals nach Grenchen. Die Grenchnerin Wendy Heggendorn hat eine besondere Beziehung zur P-38. Ihr Vater flog diesen Flugzeugtyp im Zweiten Weltkrieg.

In ihrer Wohnung an der Schützengasse streicht Wendy Heggendorn-Ruff über das Titelbild eines Buches. Es zeigt ihren Vater in Pilotenmontur und eine Lockheed P-38 Lightning. Major Norbert C. Ruff (1919–2007) flog diesen Flugzeugtyp im Zweiten Weltkrieg in Neuguinea. Seine unglaublichen Erlebnisse im Pazifikkrieg gegen Japan hielt er im autobiografischen Werk fest. Norbert Ruff, dessen Grosseltern aus Deutschland in die USA auswanderten, blieb zeitlebens mit der Fliegerei verbunden, obwohl er auch ein leidenschaftlicher Jäger und Fischer war. Regelmässig besuchte er seine Tochter Wendy in Grenchen, die 1976 als Zahnhygienikerin an den Jurasüdfuss kam und der Liebe wegen – sie ist mit Rudolf Heggendorn verheiratet – geblieben ist.

Wendy Heggendorn mit dem Buch ihres Vaters über den Flieger P 38

Wendy Heggendorn mit dem Buch ihres Vaters über den Flieger P 38

Hanspeter Bärtschi

«Den Sound der Motoren werde ich nie vergessen»

Als ihr Vater starb, flog eine P-38 Lightning in den Farben und Signaturen, wie sie an der Maschine von Ruff im Krieg zu finden waren, über den Friedhof im US-Bundesstaat Wisconsin. «Den Sound der Motoren über dem Friedhof werde ich nie vergessen», sagt Wendy Heggendorn und betrachtet das Foto ihres jugendlichen Vaters mit der P-38 auf dem Kriegsflugplatz im Südpazifik.

Am kommenden Wochenende fliegt dieser Flugzeugtyp erstmals über Grenchen. Die P-38 Lightning wurde Ende der 1930er-Jahre von Kelly Johnson bei Lockheed in Burbank, nahe Los Angeles, entwickelt. Die zwei Motoren und das Doppelleitwerk, der Gabelschwanz, geben dem Flugzeug ein charakteristisches, leicht wiederzukennendes Aussehen. Die P-38 wurde im Zweiten Weltkrieg sowohl in Europa, Nordafrika und vor allem im Pazifik gegen Japan eingesetzt, wo die beiden Motoren als Sicherheit dienten auf den langen Flügen über dem Meer. Kelly Johnson entwickelte später auch die F-104 Starfighter, die im Raum Grenchen noch bestens bekannt ist als ehemaliger «Schmuck» beim Flughafenkreisel. P-38 und Starfighter haben also den gleichen «Vater».

Bei den «Flying Bulls» im Hangar 7 am Flughafen Salzburg steht die P-38 Lightning, die jetzt in Grenchen vorgestellt wird. Sie gehörte früher der Pilotenlegende Marvin L. «Lefty» Gardner (1921–2008) in den USA. Gardner flog im Zweiten Weltkrieg 34 Missionen mit den Bombern B-17 und B-24 über Europa sowie später nächtliche Spezialeinsätze nach Norwegen, um Widerstandskämpfer zu versorgen. 1963 erwarb er diese Lightning, die im September 1945 von der amerikanischen Luftwaffe ausgemustert worden war und danach als Rennflugzeug diente. Sie war eine P-38 F-5G, also eine Aufklärerversion, wie sie auch vom Literaten und Piloten Antoine de Saint-Exupéry geflogen wurde (siehe Kasten). Weissgestrichen als «White Lightning» zeigte Lefty Gardner seine Maschine an unzähligen Airshows in den USA.

2001 kam das vorläufige Ende mit einer Notlandung. Ladd Gardner, der Sohn von Lefty, brachte die P-38 in einem Baumwollfeld in Mississippi auf dem Rumpf zu Boden. Anschliessend wurde das Flugzeug aufwendig wieder aufgebaut und präsentiert sich seither in metallischem Glanz. Nach der Restaurierung kam sie in den Besitz der «Flying Bulls». Von Texas wurde sie zuerst nach Florida geflogen, dann per Schiff nach Hamburg und wieder per Flug in 88 Minuten in die neue österreichische Heimat nach Salzburg.

Vor 75 Jahren wurde Antoine de Saint-Exupéry in einer P-38 abgeschossen

Mit der P-38 Lightning ist der Name des weltbekannten Piloten und Schriftstellers Antoine de Saint-Exupéry (1900–1944) verbunden. Der Schöpfer von «Der kleine Prinz» erhielt im 2. Weltkrieg bei den Freien Französischen Streitkräften einige Aufklärungsflüge zugesprochen, die er mit der P-38 Lightning ausführte. Seine letzte Mission führte ihn am 31. Juli 1944 – der 75. Todestag ist also erst ein paar Tage her – vom Flughafen Bastia auf Korsika in den Raum Grenoble-Annecy. Saint-Exupéry kehrte aber nicht zurück, sein Verschwinden blieb jahrzehntelang rätselhaft. Erst 1998 fand ein Fischer bei Marseille das silberne Armband Saint-Exupérys in seinem Netz. Zwei Jahre später entdeckte ein Taucher Teile der P-38 des Fliegers und Schriftstellers auf dem Meeresboden, die anhand einer Motorennummer zweifelsfrei identifiziert werden konnte. Eine lange Suche führte schliesslich zum ehemaligen deutschen Jagdpiloten Horst Rippert (1922–2013), der an diesem Tag bei Marseille eine einzeln fliegende P-38 abgeschossen hatte. Rippert war später Sportreporter beim ZDF und der ältere Bruder von Hans Rolf Rippert, der als Sänger Ivan Rebroff bekannt wurde. Horst Rippert trug sich jahrzehntelang schwer mit dem Gedanken, dass er Antoine de Saint-Exupéry abgeschossen haben könnte, was mit dem Fund des Wracks bei Marseille definitiv zur Gewissheit wurde. Er hätte bestimmt nicht geschossen, wenn er etwas gesehen hätte, sagte er fünf Jahre vor seinem Tod. «Auf diesen Mann nicht.» (pbg)