Motor-Kunstflug
«Ich steige nicht in das Flugzeug, ich ziehe mir das Flugzeug an»

Ende August erreichte der Egerkinger Isidor von Arx an den Schweizer Meisterschaften im Kunstflug in der Kategorie «Unlimited» den zweiten Rang, ein Resultat, das ihn mit grossem Stolz erfülle, stecke doch sehr viel Arbeit dahinter, wie er sagt.

Oliver Menge
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Kunstflugpilot Isidor von Arx (links) und der Eigentümer des Flugzeugs, Christoph Meyer vor der «Extra 330 SC».

Kunstflugpilot Isidor von Arx (links) und der Eigentümer des Flugzeugs, Christoph Meyer vor der «Extra 330 SC».

Oliver Menge

1999 hat von Arx seine Flugausbildung abgeschlossen. Schon zwei Jahre später begann er mit Kunstflug. «Ich habe das als so etwas wie einen Schleuderkurs verstanden. Durch den Kunstflug gewinnt man unheimlich viel an Sicherheit, weil man an die Grenzen geht, eben so, wie beim Schleuderkurs mit dem Auto.»

Leichtgewicht mit starkem Motor

Das Flugzeug des Typs «Extra 330 SC» ist eine Maschine, die speziell für den Kunstflug entwickelt wurde. Es gibt einsitzige und zweisitzige Modelle. Der Einsitzer, den von Arx verwendet, hat ein Leergewicht von 585 kg. Der Rumpf besteht aus einem mit Kunststoff verschalten und mit Stoff bespannten Stahlrohrrahmen, der flexibel ist und bei schnellen Rollen eine Torsion von mehreren Grad zulässt.
Die Flügel – eigentlich handelt es sich um ein durchgehendes Stück – sind aus Carbon gefertigt und besonders belastbar. Sie sind für Belastungen von bis 25 G konzipiert, wobei im Kunstflug normalerweise plus und minus 10 G nicht überschritten werden dürfen. Der 330 PS starke Motor ermöglicht eine Spitzengeschwindigkeit von rund 220 Knoten – rund 410 Stundenkilometer.
Eine volle Betankung reicht für eine Stunde Kunstflug oder drei bis vier Stunden Reiseflug. (om)

Bald schon nahm von Arx regelmässig an Wettbewerben teil, sowohl im Inland an Schweizer Meisterschaften als auch im Ausland an den Deutschen und Englischen Meisterschaften. Seit fünf Jahren fliegt der 47-Jährige eine der Akromaschinen von Christoph Meyer, eine «Extra 330 SC» (siehe Infobox rechts).

Meyer, selber ebenfalls Akroflieger und Ballonfahrer, ist Inhaber von «Meyer Sintermetall» aus Studen und der Firma Take-Off Balloon AG. Seit drei Jahren ist er Präsident des Flugplatzes Kappelen und hat selber in der untersten Kategorie einen Vize-Schweizer-Meister-Titel im Kunstflug erreicht. Inzwischen fliege er auf einem Level zwischen «Intermediate» und «Advanced» , sagt Meyer (siehe Kasten «Die Regeln»).

Die Regeln

Kunstflugwettbewerbe werden in vier Kategorien geflogen: «Sportsmen», «Intermediate», «Advanced» und «Unlimited». Beim Wettbewerb müssen innerhalb der Box – 1000 Meter lang, 1000 Meter breit und rund 900 Meter hoch – präzise Figuren geflogen werden, die von Schiedsrichtern am Boden hinsichtlich Präzision und Symmetrie beurteilt werden. Dazu gehören schnelle Rollen, also beispielsweise eineinviertel oder eineinhalb Umdrehungen nach links und zurück, auf einer Geraden, im Sink- oder Steigflug oder senkrecht nach oben oder unten oder in einem Kreis während eines Loopings. Jede Rolle um 360 Grad oder mehr passiert innerhalb weniger als einer Sekunde. Geflogen werden vier Wertungsflüge, ein Pflichtprogramm, eine Kür und zwei unbekannte Programme, die der Pilot erst am Vortag erhält. Jeder Flug dauert rund 10 Minuten inklusive Start und Landung. (om)

Dass ein Pilot auf einer seiner Maschinen so erfolgreich sei, erfüllt Meyer mit Stolz. «Der Sprung von der zweithöchsten in die höchste Kategorie ist enorm. Und was Isidor macht, das ist wirklich Spitzensport und nur mit einem enormen Aufwand zu erreichen.»

Das Zwanzigfache am Boden

Von Arx trainierte unter anderem auch in Grenchen, wo das Flugzeug stationiert ist. Zwischen 15 und 20 Stunden sei er insgesamt in der Luft gewesen und habe seine Programme absolviert, sagt von Arx. Mindestens das Zwanzigfache geschehe aber am Boden, wo er geistig die Programme immer wieder durchgehe und jede Bewegung mit dem Steuerknüppel und den Fussrudern verinnerliche. «Das Training am Boden macht den weitaus grössten Teil des ganzen Aufwands aus, denn in der Luft habe ich keine Zeit zu überlegen, ‹was kommt jetzt als Nächstes?›.»

Beim Kunstflug verschmelze der Pilot mit seiner Maschine. «Ich steige nicht in das Flugzeug, ich ziehe mir das Flugzeug an.» Je weniger Platz im Cockpit man habe, desto genauer könne man die Figuren fliegen. «Ein erfolgreiches Training zeigt sich auch an den blauen Flecken, die man an den Oberarmen und den Hüften hat, wenn man wieder am Boden ist», meint er schmunzelnd. Dabei wirken grosse Kräfte auf den Piloten: Bis zu 10 G, also das Zehnfache der Erdanziehungskraft, müssen verkraftet werden. «Plus 10 G sind kurzfristig kein Problem, da rauscht das Blut nach unten. Minus 10 G sind schon eher problematisch, weil da das Blut in Richtung Kopf gedrückt wird.» Eine gute körperliche Verfassung und sportliche Fitness sei deshalb von grossem Vorteil.

Weder ignorant noch verwöhnt

Lärm ist ein wichtiges Thema für Isidor von Arx und Christoph Meyer. Dass ihr Sport nicht geräuschlos vonstatten geht, dessen sind sich von Arx und Meyer bewusst.

«Lärmklagen sind auch für uns Kunstflieger nicht angenehm. Obwohl wir uns immer strikte an die Vorschriften halten, die Zeitfenster einhalten, in denen wir fliegen können und auch darauf verzichten, am Sonntag zu fliegen, obwohl wir eigentlich auch dann ein Zeitfenster hätten, rufen immer wieder Leute an und beschweren sich beim Flughafen», sagt von Arx. Leider seien es immer nur die Reklamationen, die man vernehme. «Es gibt wahrscheinlich viele Leute, die nichts gegen unseren Sport haben oder sogar fasziniert sind und uns gerne zuschauen, nur von denen hören wir leider nie etwas.» Von Arx ist auch bereit, jederzeit mit «Belästigten» zu sprechen und sich über seinen Sport zu unterhalten. «So könnte ich das Verständnis vielleicht auch etwas fördern.» Er sei auch keineswegs ein «privilegierter reicher Schnösel», der nicht zu arbeiten brauche, wie es schon des Öfteren in Leserbriefen unterstellt wurde. Als Verkäufer von Softwarelösungen für Spitäler in einem grossen internationalen Konzern habe er von Montag bis Freitag einen Fulltime-Job, wie alle anderen «normalen» Bürger auch.

Aus Rücksicht auf die Bevölkerung habe er auch den grössten Teil seines Trainingsprogramms ausserhalb Grenchens über unbewohntem Gebiet absolviert. Er flog während zweier Wochen nach Frankreich, um dort zu trainieren, ein kostspieliges Unterfangen, wie er sagt.

Auch von der technischen Seite her wird viel investiert, um den Lärm zu minimieren. So wurde die «Extra 330 SC» kürzlich für rund 15 000 Franken mit einem Vierblattpropeller ausgestattet, der den Dreiblattpropeller ersetzt und bei gleicher Leistung weniger laut ist. (om)

Fünf Stunden in sechs Monaten

Von Arx hat nur einen kleinen Teil seines Trainings über Grenchen absolviert: «Von März bis August war ich insgesamt nur etwa 5 Stunden über dem Flugplatz Grenchen. Diese Flüge sind aber sehr wichtig für mich, denn nur hier habe ich die Möglichkeit, meine Positionierung innerhalb der Box genau zu bestimmen. Bei Wettkämpfen ist diese Box am Boden markiert, im Training bin ich auf Orientierungspunkte im Gelände angewiesen.»

Ausserdem sei die Zeit in der Luft auf das Notwendigste beschränkt, wenn er direkt von der Piste in die Box darüber fliegen könne. «Ein Trainingsflug dauert so nur rund 9 Minuten, inklusive Start und Landung.» Wichtig sei auch die Höhe, auf welcher er trainiere. Beim Wettkampf reicht die Box bis auf 100– 150 Meter über Grund. So nah am Boden darf aber nur über Flughäfen geflogen werden. Zu Beginn der Saison habe er seine Flüge auf grosser Höhe ausgeführt, auch dies aus Rücksichtnahme. «Erst in den zwei Wochen vor den Schweizer Meisterschaften habe ich auf Wettkampfhöhe trainiert.»

Das harte Training und der grosse Aufwand haben sich gelohnt. Der zweite Platz in der höchsten Kategorie seien ein tolles Ergebnis, sagt von Arx. Unter anderem auch, weil er seinen Fluglehrer, den sechsfachen Schweizer Meister Bruno Müller, auf den dritten Platz verwiesen hat. In der Kür erreichte von Arx sogar die höchste Punktzahl aller Teilnehmer und wurde insgesamt nur knapp von Pierre Marmy, einem der besten Schweizer Kunstflugpiloten, der seit Jahren vorne mitmischt, geschlagen.«Mein nächstes Ziel ist, als erster Pilot aus dem Kanton Solothurn den Schweizer Meistertitel zu gewinnen.» Aber das sei sehr ambitiös, sagt von Arx. Denn Müller werde nächstes Jahr bestimmt zurückschlagen wollen.