Grenchen
IB Live gibt 2000 Schülern einen praktischen Einblick ins Berufsleben

Die Berufsmesse IB Live soll Schülerinnen und Schülern einen realistischen und aufregenden Einblick in die Berufswelt geben. Die Berufsmesse beginnt am Dienstag in Grenchen. Erwartet werden insgesamt über 2000 Besucher.

Franz Schaible
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An der IB Live sollen Grenchner Schülerinnen und Schüler einen praktischen Einblick ins Berufsleben erhalten. (Symbol)

An der IB Live sollen Grenchner Schülerinnen und Schüler einen praktischen Einblick ins Berufsleben erhalten. (Symbol)

Keystone

«Mit der Berufsmesse IB Live bieten wir nichts Alltägliches, sondern ermöglichen einen realistischen Blick in die Berufswelt.» Reto Kohli, Projektleiter und Präsident der organisierenden Stiftung Industrie- und Handelsverband Grenchen, meint damit einen Blick in die Zukunft an mehrere Adressaten.

Der fünftägige Anlass erlaube Schülerinnen und Schülern, sich vor Ort, eben Live, eine Vorstellung über eine Berufslehre im industriellen Umfeld zu machen. Den Ausbildungsbetrieben biete die Messe «ein Stück weit Zukunft». Sie seien nämlich angewiesen auf gut ausgebildete Fachkräfte, sagte Kohli an der gestrigen Eröffnungsfeier in Grenchen.

Kommentar von SZ-Chefredaktor Theodor Eckert:

Berufswahl ohne Qual

Die Mindestlohndebatte hat nicht zuletzt Lernende aus der Reserve gelockt. Sie dürften ihren Anteil zum wuchtigen Nein beigetragen haben. Wer eine mehrjährige Ausbildung durchläuft und sich damit einen nur unwesentlich höheren Anfangslohn erarbeitet als jemand ohne diesen Zusatzaufwand, fühlt sich schnell einmal ungerecht behandelt. Eine verständliche Sichtweise. Dieses Unbehagen ist seit dem vergangenen Sonntag vom Tisch. Richtigerweise. Wer die Schulbank drückt und lernt, soll dafür besser honoriert werden als jemand, der die bequeme Abkürzung in die Berufswelt wählt.

Die anspruchsvollere Variante zu wählen, bedeutet jedoch auch, sich schon früh mit der Berufswahl beschäftigen zu müssen. Nicht selten zu einem Zeitpunkt, wo Spiel und Spass noch mindestens so wichtig sind. Dem tragen Firmen, Verbände und Organisationen heute Rechnung. Sie öffnen dem Nachwuchs entsprechend behutsam die Tore und liefern gleichzeitig ungeschminkten Anschauungsunterricht. Künftige Lernende sind bei ihrer Entscheidfindung auf ein möglichst realistisches Bild angewiesen. Die Berufsmessen in Grenchen und Solothurn wollen dabei helfen. Sie bewähren sich. Der Zulauf ist erfreulich gross. Schülerinnen und Schüler können sich konzentriert informieren, derweil die Betriebe mit einer Vielzahl potenzieller Nachwuchskräfte in Kontakt kommen. Ein wichtiger Aspekt in einer Zeit, in der sich die guten Schüler tendenziell dem gymnasialen Weg zuwenden wollen. Ein Weg, der jedoch längst nicht immer der Beginn eines Höhenfluges ist. Berufslehren sind starke Säulen unseres erfolgreichen dualen Bildungssystems. Sie können ungeahnte Türen öffnen. Deshalb gilt es richtig einzuspuren.

Und er muss es wissen, leitet er doch die Abteilung Aus- und Weiterbildung bei der ETA-Gruppe und führt die Lehrwerkstätten in Grenchen. Den Eltern könne gezeigt werden, dass eine berufliche Grundausbildung mit vielen Zukunftsperspektiven verbunden sei. «Die Berufslehre ist ein Königsweg in die Berufskarriere mit vielfältigen Möglichkeiten.»

Industrie abhängig von Fachkräften

Direkt aus der Industrie erhielt Kohli prominente Unterstützung. Hanspeter Rentsch, Mitglied der Swatch-Konzernleitung, bezeichnete die Institution IB Live als «ausserordentlich und sehr wertvoll».

Denn die Berufslehre respektive die top-ausgebildeten Fachkräfte seien unabdingbar für die notwendige industrielle Basis in der Schweiz. «Es wäre verheerend, wenn sich die Schweiz nur noch auf den Dienstleistungssektor konzentrieren und sich sozusagen zum Headquarter der wertschöpfenden Industrie entwickeln würde.»

Die Schweiz verfüge zwar traditionell über eine starke industrielle Basis, aber Tendenzen wiesen in eine andere Richtung. Aus Folge der Globalisierung seien vermehrt ganze Industriebereiche ins Ausland, vorab nach Asien, ausgelagert worden. Besonders beunruhigend sei, dass der Trend auch vor der Forschung und Entwicklung nicht Halt mache.

Schweiz hat viele Trümpfe

Der Grund dafür sei immer derselbe: «Die Kosten in Asien sind tiefer als in der Schweiz», sagte Rentsch. Dabei verfüge die Schweiz über genügend Trümpfe, um das Kostenelement auszugleichen.

Sie eröffneten offiziell die IB Live 2014 in Grenchen (v.l.): Projektleiter Reto Kohli, Regierungsrätin Esther Gassler und Swatch-Konzernleitungsmitglied Hanspeter Rentsch. Hans Ulrich Mülchi

Sie eröffneten offiziell die IB Live 2014 in Grenchen (v.l.): Projektleiter Reto Kohli, Regierungsrätin Esther Gassler und Swatch-Konzernleitungsmitglied Hanspeter Rentsch. Hans Ulrich Mülchi

Dazu gehörten eben die Berufsausbildung und die genügende Anzahl an Fachkräften. In der Schweiz könne zu vergleichbaren Kosten produziert werden. Die ETA habe einen Test gemacht mit der Fertigung von Uhrenschalen, in Grenchen und in China. Das Resultat: Dank hoch qualifiziertem Personal und hoch automatisierter Fertigung halten sich die Kosten die Waage.

Für Rentsch ist deshalb das hiesige Lehrlingsmodell ein Glücksfall. Das sei auch im Ausland anerkannt, aber nicht immer hierzulande. «Der Stellenwert des Berufsbildungssystems in der Schweiz muss gestärkt werden», ist Rentsch überzeugt. Dazu brauche es neben vermehrter Werbung auch ein flexibles System, welches sich an neue Begebenheiten anpasse.

Er denkt dabei etwa an die Aufnahme neuer Berufsbilder. Und ganz wichtig: «Die Unternehmen müssen dafür sorgen, dass die Lernenden nach der Lehre ihr Wissen auch einsetzen können.»

Hohe Ausbildungsbereitschaft

Auch Volkswirtschaftsdirektorin Esther Gassler lobte am Anlass das duale Berufsbildungssystem als «Erfolgsfaktor für die Schweiz». Und da leiste die etwas andere Berufsmesse einen wichtigen Beitrag.

«Die Lernenden zeigen der interessierten Schülerschaft vor Ort, um was geht. Die Lernenden sind die besten Botschafter für die Berufslehre.» Als «weitsichtig» nannte sie die hohe Ausbildungsbereitschaft bei den Unternehmen. «Selbst in schwierigen Phasen bleibt der Lehrstellenmarkt jeweils intakt.» Weitsichtig deshalb, weil die Firmen wissen, dass der wirtschaftliche Erfolg nur mit genügend beruflichen Fachkräften zu erreichen sei.