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An der letzten Gemeinderatssitzung hat Heinz Müller seinen Rücktritt aus dem Grenchner Gemeinderat erklärt. Eine prägende Figur im Grenchner Politleben tritt damit ab. Im Interview begründet Müller seinen Schritt.
Heinz Müller, warum beenden Sie gerade jetzt Ihre politische Tätigkeit?
Heinz Müller: Ich habe mich, wenn ich politisch aktiv war, immer zu 100 Prozent engagiert. Dasselbe gilt aber auch für meine Firma. Da ich für diese im Zusammenhang mit Auslandaufträgen immer mehr abwesend bin, konnte ich oft an Gemeinderatssitzungen nicht teilnehmen. Diese Entwicklung hat sich in den letzten Monaten noch verstärkt, so, dass ich das politische Amt nicht mehr mit der gebotenen Sorgfalt ausüben konnte. Ich habe gemerkt, dass beides zusammen nicht mehr geht. Wenn man oft abwesend ist, bekommt man auch gewisse Entwicklungen nicht mehr mit.
Geht es Ihrer Firma schlecht, dass Sie mehr Ressourcen dort einsetzen müssen?
Nein, im Gegenteil. Der wirtschaftliche Rationalisierungsdruck führt dazu, dass Produkte für die Automatisierung von Prozessen immer mehr gefragt sind. In dieser Branche sind wir mit unseren Industriesteuerungen tätig. Wir sind auch zunehmend im Ausland aktiv, so auf Grossbaustellen in Skandinavien, Südamerika, China und am Bosporus. Das erfordert mehr Präsenz vor Ort.
Der Grenchner SVP-Präsident hat gegen die Durchsetzungsinitiative gestimmt. Hat das für Ihren Rücktritt auch eine Rolle gespielt?
Der Parteipräsident (Richard Aschberger, Anm. d. Red.) darf durchaus gegen die Initiative sein. Dass er seine Meinung aber öffentlich gemacht hat, finde ich nicht gut. Anderseits ist mir bewusst, dass die Medien Druck machen, dass jemand sich exponiert, in diesem Fall, als SVP-Politiker, sowieso. Kurz gesagt: Nein, dies hat für mich beim Gemeinderatsrücktritt keine Rolle gespielt.
Auch andere Unternehmer haben Mühe mit der Doppelrolle Unternehmer und Politiker. Ist dieses Dilemma lösbar?
Bis zu einem gewissen Grad schon. Allzu leicht wird das Engagement für die Firma vorgeschoben, um sich nicht politisch engagieren zu müssen. Wer aber etwas verändern will, der muss früher oder später selbst in die Hosen. Sonst ist man unglaubwürdig. Vieles ist eine Frage der Organisation und einer guten Stellvertretung.
Heinz Müller (55) war von 2001 bis 2013 Kantonsrat (3 Legislaturen) für die SVP und von 2001 bis 2016 Grenchner Gemeinderat. Dazu präsidierte er zwischen 2002 und 2012 während 10 Jahren die Kantonalpartei. 2003 kandidierte er zudem als Regierungsrat. Müller ist Inhaber und Geschäftsführer der Firma Elpex, die Steuerungen und Software für industrielle Anlagen projektiert, baut und wartet. Die Firma mit rund 40 Angestellten war bisher in Burgdorf und Grenchen domiziliert, will aber laut Angaben von Heinz Müller demnächst in eigene Räumlichkeiten mit drei Produktionshallen nach Kirchberg umziehen. Heinz Müller bleibt Verwaltungsrat der Städtischen Werke Grenchen (SWG) und im Stiftungsrat des Velodrome Suisse. (at.)
Wie sind Sie eigentlich zur Politik gekommen?
Ich erinnere mich gut daran: In einer Fernsehsendung im Jahr 2000 sah ich, wie ein Asylbewerber sich über die Situation in der Schweiz beschwerte. Da war mir klar, dass es so nicht geht, dass man hier Gegensteuer geben muss. Ich bin in die SVP eingetreten und ein halbes Jahr später war ich Kantonsrat und dann bald auch Gemeinderat. Im Jahr 2002 wurde ich Parteipräsident.
Was haben Sie in 15 Jahren Politisieren erreicht?
Wir haben uns erfolgreich für die Entschlackung des Lohnausweises eingesetzt und damit ein Bürokratiemonster verhindert; wir waren auch bei Referenden erfolgreich, so bei der Motorfahrzeugsteuer oder bei der Revision des Katasterwertes. Und dazu kommen zahlreiche nationale Dossiers und Initiativen der SVP, bei denen wir nach Kräften mitgezogen haben.
Und in Grenchen?
Wir haben zusammen mit den anderen Bürgerlichen den Wechsel im Stadtpräsidium herbeigeführt, den sich so viele ersehnt haben. Jedermann kann es sehen: Seither wird im Gemeinderat wieder konstruktive Arbeit geleistet. Das Hickhack ist definitiv vorbei.
Vermissen Sie den Clinch mit Boris Banga nicht? In den Konflikten konnten Sie sich ja auch selber profilieren . . .
Nein, die vermisse ich gar nicht. Wobei zu sagen ist, dass ich in der GRK meistens gut mit Herrn Banga zusammenarbeiten konnte. Zur Eskalation kam es fast nur, wenn die Öffentlichkeit involviert war.
Sie bleiben weiterhin im Verwaltungsrat der SWG. Jetzt werden Ideen gewälzt, dass diese Tiefbauaufgaben für die Stadt macht. Entreisst da nicht ein öffentlicher Betrieb der Privatwirtschaft Aufträge?
Es geht darum, die Bauverwaltung zu verschlanken und Synergien auszunützen. Für mich ist die Rahmenbedingung klar, dass der Privatwirtschaft keine Aufträge weggenommen werden. Das heisst, die Arbeiten, die bis heute ausgeschrieben werden, sollen auch künftig öffentlich ausgeschrieben werden.
Und dann an Panaiia + Crausaz vergeben, eine Tochterfirma der SWG ...
Wenn sie diese Arbeit am günstigsten ausführen kann, warum nicht? Was diese Firma betrifft, kursieren immer noch viele Missverständnisse. Keine Baufirma war damals interessiert, Panaiia + Crausaz zu übernehmen, während wir in der SWG an der Technologie für den grabenlosen Rohrbau sehr interessiert waren. Damit kann die SWG schlussendlich im Tiefbaubereich selber rationell arbeiten und auch für Dritte Aufträge ausführen. Wenn die SWG gewinnbringend geschäftet, kommt das am Ende der Stadt zugute, die ja finanziell Probleme hat.
Wenn Sie jetzt weiter politisieren würden, was wären Ihre Schwerpunkte?
Sicher einmal die Finanzen der Stadt wieder ins Lot bringen. Sparpotenzial gibt es nicht nur bei der Baudirektion. Unsinn ist hingegen die immer wieder geplante Erhöhung der Kopfsteuer. Besser wäre es, gutverdienende Neuzuzüger nach Grenchen zu bringen, anstatt eine Steuererhöhung anzustreben. Ich würde mich zudem für die Quartiersanierung im Lingeriz einsetzen. Warum kauft nicht die SWG dort Immobilien auf und saniert sie, wenn die Stadt kein Geld dafür hat? Und schliesslich würde ich die Stadtpolizei mit der Kantonspolizei fusionieren. Die Grenchner Politiker brauchen keine eigene Polizeitruppe.
Treten Sie aus allen Parteiämtern zurück?
Die Idee wäre es. Am Donnerstagabend ist Parteiversammlung. Wenn der Vorstand wünscht, dass ich weiterhin gewisse Aufgaben ausführe, lasse ich mit mir reden.