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Mit Elisabeth Gurtners Pensionierung endet am Südbahnhof in Grenchen eine Ära. 45 Jahre lang war sie im SBB-Team tätig.
Sie war der gute Geist am Südbahnhof. Fast 45 Jahre lang hat Elisabeth Gurtner das SBB-Team hier geprägt. Wechseln wollte sie nie. Wozu auch? Schliesslich sind die Veränderungen immer zu ihr gekommen. Jetzt steht mit der Pensionierung die grösste Veränderung überhaupt an. Am Mittwoch. 29. Mai, hat Elisabeth Gurtner den letzten Arbeitstag.
«Ich habe mich am Südbahnhof immer wohlgefühlt. Mit dem Team und den Vorgesetzten hatte ich unbeschreiblich Glück. Ich kann mich an keinen einzigen Streit, geschweige denn an Spannungen erinnern.» Vor einer Tasse Kaffee im Egli-Beck, wenige Schritte neben ihrem Arbeitsplatz, lässt Elisabeth Gurtner ihre berufliche Laufbahn Revue passieren.
Angefangen hat diese im Frühling 1972 mit der Lehre als Bahnbetriebsdisponentin, an verschiedenen Bahnhöfen, besonders im Kanton Luzern. Da war Elisabeth Gurtner 17-jährig. Mit der Lehre hatte sie ihren Traumberuf gefunden. Im November 1974 wurde sie als Beamtin mit «polivalentem Einsatz» an den Bahnhof Grenchen Süd gewählt. Welche Vielfalt dereinst die Digitalisierung zusätzlich in den Beruf bringen würde, wusste da allerdings noch niemand.
Aufgewachsen ist sie auf einem Bauernhof in Steinhof SO mit einer elf Jahre jüngeren Schwester. In der Schule waren es besonders die Zahlen, die sie faszinierten. Weniger die Sprachen. Umso erstaunlicher, dass Elisabeth Gurtner ihr Berufsleben an einem Ort verbracht hat, wo ungefähr 100 Sprachen gesprochen werden, von denen eine Handvoll regelmässig am Schalter in Erscheinung treten.
Für die Verständigung gab es immer eine Lösung, denn: «Ich mag Menschen», sagt Elisabeth Gurtner. Oft habe man sich bei sprachlichen Schwierigkeiten im Team gegenseitig geholfen.
Billette von Hand schreiben. Funken mit den Lokführern. Zur Arbeit morgens um vier oder in der Spätschicht bis zwei Uhr früh, eine strikte Zeiteinteilung auf die Minute genau. Vom Schalter weg ans Gleis eilen, um einen Zug abzufertigen. Weichen stellen für die Loks, die die Kebag- und Howegzüge rangieren. So sahen die ersten Jahre von Elisabeth Gurtners Berufsalltag aus. «Ich habe die Abwechslung sehr geschätzt. Es war wunderbar, regelmässig aus dem Büro heraus an die frische Luft zu kommen.» Die Erinnerung lässt die Bauerntochter strahlen.
Dann kam der grosse Einschnitt, als im Jahr 2000 der Fahrdienst automatisiert wurde. Fortan war der Arbeitsplatz drinnen. Elisabeth Gurtner reduzierte ihr Arbeitspensum auf 80 Prozent, was sie bis heute durchgezogen hat. Das Reisebüro bedeutete eine weitere Umwälzung: Kunden beraten, Erlebnis- und Städtereisen verkaufen. Dann kam die Digitalisierung und damit verbunden die Internetabfragen am Computer. Plötzlich gab es auch draussen wieder zu tun. Unzählige Male hat Elisabeth Gurtner Kunden die Bedienung des Billettautomaten erklärt. Da war sie in ihrem Element, ebenso wie bei der Bahnhofbuchhaltung, die sie während Jahrzehnten geführt hat.
Eine Schicht tauschen, für einen kranken Kollegen einspringen: Das war für sie immer selbstverständlich. «Ich bin sehr flexibel», sagt Elisabeth Gurtner und lacht. Die Organisation der jährlichen Teamausflüge war ihre Domäne. «Wenn wir es gut haben zusammen, wirkt sich das vorteilhaft auf den Umgang mit den Kunden aus», ist sie überzeugt. «Hingegen kann ich mich auch gut abgrenzen. Sobald ich über die Aare gefahren bin, lasse ich die Arbeit hinter mir.» Viele Jahre lang wohnte sie in Leuzigen, derzeit ist sie in Rüti daheim.
Für eine Bähnlerin ist Elisabeth Gurtner eher wenig reisefreudig. Bisher hatte sie keine Sehnsucht, die Welt ausserhalb von Europa zu sehen. Innerhalb des Kontinents, das ist Ehrensache, reisen sie und ihr Mann mit dem Zug. Hin und wieder machen sie eine Städtereise. Doch am liebsten erholt sie sich in Bürchen VS beim Skifahren und Wandern. Im Bucheggberg geht sie zudem im Herbst gern auf Pilzsuche.
In den Ruhestand geht Elisabeth Gurtner bewusst planlos. Fahrpläne und Uhren waren ihre ständigen Begleiter. Jetzt will sie ihre Tage einmal spontan gestalten. Vorfreude und Wehmut spürt sie gleichermassen. Sie weiss jetzt schon: «Ich werde die Kundinnen und Kunden und das Team sehr vermissen. Ihnen habe ich es zu verdanken, dass ich mich jeden Morgen auf die Arbeit gefreut habe. Wir hatten eine wunderbare Zeit zusammen.»