Grenchen
«Guten Tag, ich bringe Ihre Mahlzeit» - Unterwegs mit der Spitex

Ursula Bosshard ist seit 12 Jahren für den Verteildienst der Spitex Grenchen zuständig. Jede Woche fährt die zweifache Mutter Mahlzeitenboxen aus. Ihre Kunden kennt sie mittlerweile gut. Wir waren mit ihr unterwegs.

Andreas Toggweiler
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Ursula Bosshard ist bei jedem Wetter unterwegs.

Ursula Bosshard ist bei jedem Wetter unterwegs.

Andreas Toggweiler

Montagmorgen 8.30 Uhr. Ursula Bosshard (45) aus Bettlach ist schon einige Zeit auf den Beinen, als sie bei der Küche des Alterszentrums am Weinberg vorfährt. Die alleinerziehende Mutter von zwei inzwischen bald erwachsenen Söhnen hat um diese Zeit schon das Grenchner Tagblatt und andere Zeitungen verteilt, ist vertretungsweise Schulbus gefahren und ist jetzt bereit, 43 Boxen für die bevorstehende Doppeltour für den Mahlzeitendienst der Spitex Grenchen einzuladen.

Seit 12 Jahren ist Bosshard montags, dienstags, donnerstags, freitags und manchmal auch an Wochenenden in Grenchen unterwegs, um die bestellten Mahlzeiten auszuliefern. Ihr alter, aber zuverlässiger Toyota-Kombi erreicht demnächst 300 000 km. «Leider muss ich demnächst zur MFK damit. Das bedeutet leider das Aus», bedauert sie. Doch zum Glück habe sie bereits Ersatz gefunden.

Spitex-Dienste Grenchen

Bei den Spitex-Diensten Grenchen arbeiten zurzeit 50 Personen verteilt auf 27 Vollzeitstellen. Im Jahr 2012 wurden für über 400 Kundinnen und Kunden 25 802 Einsatzstunden (2011: 27 371) geleistet. Praktisch stabil geblieben sind die KVG-pflichtigen Pflegedienstleistungen, während die Dienstleistungen bei der Hauswirtschaft und beim Mahlzeitendienst stark rückläufig sind. Wurden 2011 noch fast 20 000 Mahlzeiten ausgeliefert, waren es 2012 knapp 15 000. Spitex-Leiterin Rita Mosimann führt dies in ihrem Jahresbericht auf die zunehmende private Konkurrenz zurück. Die Dienste erzielten 2012 einen Nettoumsatz von 2,833 Mio. Franken (2011: 2,852 Mio.). Der Defizitbeitrag der Stadt sank von 808 000 Franken im 2011 auf 709 000 Franken. (at.)

Kochen und sofort kühlen

Beim Eingang zur Küche steht ein Rollwagen mit den bereitgestellten Mahlzeitenboxen. Patrick Amorosi, stellvertretender Küchenchef des Altersheims, hat mit seinem Team bereits am Vortag die bestellten Menüs zubereitet. Zur Auswahl stehen ein Tages- und ein Wochenmenü sowie etwas Vegetarisches. Unmittelbar nach der Zubereitung werden die Mahlzeiten auf eine Temperatur von 3 Grad heruntergekühlt, was sie für die benötigte Zeit haltbar macht. Heute gibts Ragout mit Polenta, dazu Suppe, Gemüse, Salat und Dessert. «Manche bestellen auch halbe Portionen, wollen keine Suppe oder bekommen ein Diätmenü», erklärt Bosshard. Diese Boxen sind für den jeweiligen Kunden beschriftet.

Die Tour kann losgehen. Nach wenigen 100 Meter Fahrt halten wir an einem Mehrfamilienhaus, wo Bosshard läutet, aber gleichzeitig mit einem Schlüssel die Tür öffnet. Eine Rentnerin öffnet. Sie redet nur schlecht deutsch, aber sie freut sich offenbar, Ursula Bosshard zu sehen.

Margrith und Cäsar Rüfli schätzen den Service.

Margrith und Cäsar Rüfli schätzen den Service.

Andreas Toggweiler

Kochen auf Knopfdruck

Diese legt die Caldoset genannte Box auf den zugehörigen kleinen Induktionsherd. Die Kundin muss nur auf einen Knopf drücken und nach ein paar Minuten zeigt eine grüne Lampe, dass der Aufwärmvorgang zu Ende ist. «Die meisten kommen damit gut zurecht», sagt Bosshard. Doch wenn jemand dement ist, kommt die Spitex später vorbei und gibt das Essen ein. Die meisten Kunden des Mahlzeitendienstes sind Senioren, die nicht mehr selber kochen können oder wollen.

Andere, wie Cäsar und Margrith Rüfli von der Allerheiligenstrasse, benutzen den Mahlzeitendienst zur Entlastung. «Wir lassen ihn zweimal in der Woche kommen und sind sehr zufrieden damit», erklärt Cäsar Rüfli. Die Kunden entscheiden sich im Voraus für einen Belieferungsfahrplan, können aber diesen zwei Tage vorher noch ändern. Eine Mahlzeit kostet rund 16 Franken, wobei Spitex-Mitglieder geringfügige Vergünstigungen erhalten.

Bis 11.45 Uhr ausgeliefert

«Spitex, guten Tag, ich bringe Ihre Mahlzeit», ruft Bosshard, wenn sie in die Wohnung eintritt. Manchmal hat sie Zeit für einen kleinen Schwatz. Aber meistens nicht. Alle Mahlzeiten müssen bis 11.45 bei den Kunden sein. Für die Grenchner Spitex sind insgesamt vier Fahrer für den Verteildienst zuständig.

«Die meisten Begegnungen sind erfreulich», berichtet Bosshard, doch gelegentlich trifft sie auch anderes an: Leute, die sich oder die Wohnung vernachlässigen. «Doch die sind zum Glück die Ausnahme.» Auffallend sei aber, dass viele ältere Leute ihre Wohnung schlecht lüften oder im Winter zu stark heizen, berichtet sie.

Im nächsten Haus ist gerade eine andere Spitex-Mitarbeiterin daran, die Kundin zu baden. Ursula Bosshard kennt ihre Kunden gut und kann sie in ganz unterschiedlichen Lebenslagen antreffen. Diese scheuen sich nicht, ihr im Schlafanzug oder Morgenrock zu begegnen. Man sieht sich ja fast täglich. Bei anderen, die gelegentlich noch ausser Haus gehen, lässt Bosshard die Mahlzeit vor der Tür stehen.

Aus zwei Küchen

Jedes Mal nimmt sie auch die leere Box vom Vortag mit. In ihrem Kombi hat sie ein System entwickelt, mit dem sie nur einmal zurück zur Küche muss, um leere Boxen abzuladen. Die Spitex-Mahlzeiten werden von zwei verschiedenen Quellen bezogen. Neben der «Weinberg»-Küche wird auch noch am Girardplatz, dem neuen Sitz der Spitex Grenchen, gekocht.

Und ja: wenn man täglich bei alten Leuten vorbeigeht, erlebt man Todesfälle. Bei Ursula Bosshard ist das aber erst zweimal vorgekommen. «Man weiss, dass die Möglichkeit besteht, aber es war trotzdem ein Schock», erzählt sie. In diesem Fall muss sie warten, bis jemand von den Angehörigen oder ein Arzt eintrifft.

Bald ist die erste heutige Tour zu Ende. Der Mahlzeitendienst hatte schon mehr zu tun (vgl. Kasten). Heute mischt zunehmend private Konkurrenz im Geschäft mit. Kundin Bertha Meister möchte aber weiter von der Spitex bedient werden. «Die kochen gut und der Service ist tadellos», lobt die Kundin von der Bellevuestrasse.