Kleintheater Grenchen
Grosses Erzähltheater mit Kontrabass und Liedern

Der Musiker und Geschichtenerzähler Philipp Galizia begeisterte sein Publikum im Kleintheater Grenchen mit «Gratis zum Mitnehmen».

André Weyermann
Drucken
Philipp Galizia: Locker und unwiderstehlich.

Philipp Galizia: Locker und unwiderstehlich.

Zur Verfügung gestellt

Man hört ihm einfach gerne zu und muss ihn mögen. Philipp Galizia ist ein begnadeter Geschichtenerzähler und bemerkenswerter Musiker. Wie selbstverständlich steht er da auf der Bühne und doch irgendwie mittendrin im Publikum. Und legt los. Wobei loslegen wohl der falsche Ausdruck ist. Denn der Freiämter nimmt sich Zeit für seine Charaktere, ihre Stärken und ihre Schwächen, wirkt manchmal etwas bedächtig, aber nie beliebig. Und schaltet auch hie und da kurze Pausen ein.

Vom Humor des Alltags

Man soll sich jedoch davon nicht täuschen lassen. Er hat beileibe nicht den Faden verloren, sondern beobachtet spitzbübisch-amüsiert, was seine Erzählkunst in den Köpfen der Zuhörenden wohl auslösen mag. Denn er beschreibt Situationen und Menschen, die jedem irgendwie bekannt sind und entsprechende Assoziationen auslösen.

Einfach köstlich zum Beispiel, wenn er sich über einen pensionierten Lehrer mokiert, der ihm in allen Details das Panorama der Bergwelt zerredet, so-dass er dieses unmöglich noch geniessen kann. Oder die Beschreibung der Bibliothek in einem Chalet in den Freibergen, das ihm ein «Versicherungsheini» für kurze Zeit überlassen hat: Drei abgegriffene Konsalik, ein Mondo-Album und ein Wanderführer.

Aber der Reihe nach: An einer Vernissage gibt sich der Kontrabassist Ralph ebenso gelangweilt und lustlos wie die Besucher, die sich keinen Deut um die Bilder scheren, karikiert den Künstler, dessen Kunst darin besteht, vorzugaukeln, er sei eben Künstler. Immerhin: «Mein Bass passt». Die Vernissage hat allerdings Folgen.

Seine Frau trifft auf die vom Protagonisten umgarnte Praktikantin, derentwegen er sich schon mal die «George-Clooney-Suppe» (Nespresso) über die Hosen schüttet. Das wars dann mit der Ehe. Und kurz darauf ist er nach einem handfesten Streit mit seinem Chef auch den Job los. So findet er sich nun, liegengelassen wie Wegwerfware, «on the road again», bewehrt mit seinem Instrument und einem Schild «Gratis zum Mitnehmen.»

Vom Helden zum Schurken

Nun geht die Reise los: in eine von einem Secondo geführte Brockenstube, auf einen Polizeiposten, auf dem ihm beschieden wird, dass sein Tun «ungeheuer strafbar und brutal illegal sei», auf eine Beerdigung, wo er einen international gefeierten Jazzmusiker mimt, bis hin zu einer gelangweilten Gruppe von High-Society-Bräuten, die sich in einem Walliser Hochtal mittels Trommeln auf sich selber zurückbesinnen wollen.

Allein, das zumeist lustvolle Vagabundieren findet ein jähes Ende: Die Medienwelt ist in der Zwischenzeit auf ihn aufmerksam geworden, macht ihn abwechslungsweise zum Helden oder Schurken; vor allem aber Jagd auf ihn. Schliesslich soll er in einer öden Talk-Show erklären, was er nicht erklären mag.

Plakativ und hintersinnig

Denn eigentlich macht Philipp Galizia nur das, was die Menschheit seit Jahrtausenden tut: Geschichten erzählen. Er kann es einfach besser als viele andere. Während anderthalb Stunden entführt er die Zuhörenden in seine Welt, die bald auch die ihre ist.

Er kommentiert Menschliches und Allzumenschliches mal plakativ, mal hintersinnig, hie und da gewürzt mit treffsicheren, philosophischen Seitenhieben auf die kleinen und grossen Dinge, die uns bewegen.

Er spielt auf seinem Kontrabass mit zärtlicher Poesie und er scheut sich auch nicht vor Auslassungen, die in diesem Moment bedeutungsschwerer sind, als es Worte sein könnten; und dies mit einer erstaunlichen Lockerheit und eben jenem Schalk in den Augen, der so unwiderstehlich sympathisch wirkt.