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Nach drei Tagen Aufenthalt in den 1950er-Jahren ist Grenchen «zurückgebeamt» in der Gegenwart. Der Ausflug hat der Stadt gefallen.
An diesem Grenchner Fest war es so richtig gemütlich. Das Stadtzentrum war stets ordentlich belebt, aber nicht so vollgepackt, dass kein Durchkommen war, dasselbe galt für das Festzelt und die zahlreichen Beizli. Vom Hungergefühl bis zum Risotto oder der Bratwurst auf dem Tisch musste keiner lange warten.
Und ja, wer Lust hatte auf ein Gnagi, das in der Arbeiterfamilie Grenchens in den 50er-Jahren zum Speiseplan gehörte, konnte sich mit der Metzgerei Guex auch kulinarisch auf Zeitreise begeben.
Es war nicht so, dass sich alles um die vergangenen Zeiten drehte, doch immer wieder begegnete man Leuten in Fifties-Kluft: Männer mit Hosenträgern und Dächlikappe, Frauen in luftigen Röcken, Pony-Frisur oder Haarbändern. Dass diese sich in Szene setzen konnten, dafür sorgte Nicole Ryf und ihr Fototeam.
Kurzum supponierten sie zusammen mit und vor der Bijouterie Mägli mit Ventilatoren den legendären New Yorker U-Bahn-Schacht, der das Kleid von Marilyn Monroe noch etwas luftiger machte: Die Aktion erwies sich als Renner und über 200 Frauen oder Paare liessen sich mit wehendem Rock fotografieren.
Die Reminiszenzen aus den Fünfzigern fanden sich überall. Flohmarktgegenstände, Vintage-Töffs beim Stadtdach, Autos auf der Solothurnstrasse. Zwar längst nicht alle aus den Fünfzigern; doch als der Besitzer eines 58-er-Pontiac mit 6,1 Liter Achtzylender-Motor seinen Strassenkreuzer für die Rückfahrt nach Pieterlen startete, erbebte der Strassenzug jedenfalls gehörig. Auch der Polizist in Uniform im Schaufenster der leeren CS thronte über allerlei nostalgischen Erinnerungsstücken aus dem damaligen Alltag. Nicht weniger als 20 Geschäfte haben ihre Schaufenster auf Fifties getrimmt.
Das Sahnehäubchen bot die kleine Gewerbeausstellung auf dem Marktplatz Nord, an der weitere Preziosen aus den Fünfziger Jahren zu sehen waren und natürlich die aktuellen Angebote der Aussteller. Auch die Schausteller machten mit, mit klassischem Karussell und einer süssen «Schifflischaukel» wie zu alten Zeiten. Dass diese nicht für alle gleich süss waren, war an einer speziellen Stadtführung zu hören. Und selbstverständlich ertönte von der Festbühne vornehmlich Rock’n’Roll, Boogie Woogie und Hillbilly-Sound.
Gelohnt hat sich auch die Strategie, mit dem Schmelzi-Flohmarkt oder der SWG-Kinderolympiade weiteres Publikum anzulocken. Die Beteiligten ziehen jedenfalls eine positive Bilanz zum 2. Fifties Grenchner Fest. «Ich habe viel positives Feedback erhalten von Vereinen, Gewerbe und Festbesuchern», sagte OK-Präsident Theo Heiri am Sonntag. Auch Gewerbeverbandspräsident Heinz Westreicher wusste nur zu rühmen.
Die Gewerbeausstellung sei erfolgreich verlaufen, auch dank dem grossen Engagement der Beteiligten. «Ich gehe davon aus, dass wir das 50er-Jahre Fest etablieren können. Die Ausstrahlung nimmt zu und damit das Interesse über die Region hinaus.» Auch die Polizei hatte nicht viel zu tun. Das Wetter war zwar kühl, aber meistens trocken. So konnten denn am Sonntag auch noch die Vespas in die Stadt ausschwärmen und weiter Rock ’n’ Roll getanzt werden bis genug.
Alle Bilder und Videos zum Fest finden Sie hier.
Mein Mann ist der grösste. Er ist mein Hobby, ich schaue immer, dass es ihm gut geht.» Die Schauspielerin Nadja Rothenbühler setzte als Grenchner Hausfrau der 50er Jahre das damalige Lebensgefühl in Szene – mit schwingendem Rock samt Petticoat, Handschuhen und Einkaufskorb mit Hero-Dosen. Die Stadtführung «Schürze, Pumps und Lippenstift» wurde von einer grossen Gruppe besucht. «Wenn man heute die Ratgeber für die gute Ehe- und Hausfrau der 50er Jahre liest, kann man kaum glauben, was da drinsteht», sagte Museumsleiterin Angela Kummer. «Wie es scheint, hatte die ideale Frau da nur zwei Lebensfragen: Was koche ich heute und was ziehe ich heute an?» Kummer führte die Interessierten (viele selber im Fifties-Look,) durch die Innenstadt. Von der Stadtapotheke durch die Bettlachstrasse über den Marktplatz zum Luterbacherhof und schliesslich zum Museum ging die Zeitreise. Informationen zur Stadtentwicklung und zur Wohnungsnot, Besonderheiten der Architektur und Anspielszenen wechselten sich ab. Die Zuschauer hatten viel Gelegenheit zum Schmunzeln. Doch bei den älteren Teilnehmenden weckten die Erinnerungen gemischte Gefühle. Sie wussten, welchen Stress es mit sich brachte, eine «Elfi-Frau» zu sein, von der Fabrik in den Laden zu rennen, um pünktlich am Mittag den Göttergatten und die Kinder zu verköstigen. Und als Maria alias Rothenbühler verschämt die Kafa-Schachtel zurück in ihr Schlangenledertäschli schob, nickten einige wissend. Solche Pülverli – verkauft wurden sie gegen Schmerzen – benutzten viele Akkord-Arbeiterinnen als Dopingmittel, um sich bei der Heimarbeit (nachts) wachzuhalten. (dd)
Im Rahmen des Grenchner Festes wurde das 50-jährige Bestehen der Patenschaft zwischen Grenchen und der Urner Gemeinde Unterschächen gefeiert. Stadtpräsident François Scheidegger erinnerte an die Anfänge der Beziehungen. Nach einer Lawinenkatastrophe 1968 kam zum ersten Mal finanzielle Hilfe seitens von Grenchen mit der damals finanzschwächsten Urner Gemeinde zum Tragen. Es sei aber nicht nur finanziell geholfen worden, sondern Grenchnerinnen und Grenchner hätten immer wieder auch tatkräftig zugepackt: «So kam in den letzten 50 Jahren eine stattliche Anzahl an Stunden «Manpower» zusammen». Jugendliche, Schüler, der Zivilschutz, aber auch zum Beispiel die «Kiwaner» hätten verschiedene Projekte realisiert. Scheidegger betonte ferner die kulturellen und persönlichen Beziehungen, die sich entwickelt hätten. Ambros Arnold, Gemeindepräsident von Unterschächen verglich die Beziehungen mit einem dreibeinigen Stuhl, der bekannterweise nie wackle. Finanzielle Unterstützung, tatkräftige Einsätze vor Ort und freundschaftliche Verbundenheit seien die drei Säulen dieser Paten- und Partnerschaft. Hilfe zur Selbsthilfe das zielführende Motto.Geschenke erhalten bekanntlich die Freundschaft. So überreichte Grenchens «Stapi» eine von Claude Barbey gefertigte Monotypie an die 700-Seelen-Gemeinde. Diese revanchierte sich mit einer Broschüre in welcher die Meilensteine der Patenschaft aufgearbeitet wurden, sowie mit einer bäumigen Holzbank. In einer gemeinsamen Erklärung wurde schliesslich die Fortführung derZusammenarbeit schriftlich festgehalten, die symbolisch für die Solidarität zwischen Stadt und Land in der Schweiz stehe.