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In der Uhrenstadt ist Feuer unter dem Dach. Demonstrieren die Grenchner Mitglieder der Finanzkommission zu wenig Einigkeit?
Letzte Woche hat die Finanzkommission des Kantonsrates den Verteilschlüssel für die Zentrumslastenabgeltung beraten. Nachdem bis heute Solothurn den Löwenanteil der Abgeltungen für sich beanspruchen konnte, hat die Kommission sich für eine Variante entschieden, welche Olten etwas mehr Geld zuteilt. Mit einer Steigerung der Gelder für Grenchen von 5 auf 5,5 Prozent will die Kommission die zweitgrösste Stadt im Kanton nur mit einer symbolischen Verbesserung abspeisen.
In Grenchen ist deshalb das Feuer im Dach. Im Stadthaus zeigt man auf die Grenchner Fiko-Mitglieder, welche sich zu wenig für die Belange Grenchens eingesetzt hätten. Insbesondere Vize-Stadtpräsident Remo Bill (SP) wird von bürgerlicher Seite hinter den Kulissen kritisiert, er habe sich an besagter Fiko-Sitzung nur halbherzig eingesetzt. Dieser will den Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen und geht in die Gegenoffensive. Per Mail an verschiedene Adressaten – darunter die Redaktion dieser Zeitung – wehrt sich Bill und macht unter anderem sein in der Fiko geäussertes Votum publik.
Darin erinnert Bill einerseits an sein Votum vor einem Jahr und unterstreicht die Zentrumslasten, die Grenchen zu tragen habe. Anderseits wies Bill auf einen Vorschlag hin, welchen Solothurns Stadtpräsident Kurt Fluri gemacht habe: Die Städte Solothurn, Grenchen und Olten sollten zunächst das Gespräch untereinander suchen.
Da Bill somit nicht unmittelbar der vorgeschlagenen Lösung der Regierung – jede Stadt soll einen Drittel Zentrumslastenabgeltung erhalten – den Mund redete, sorgte dies für Irritationen. Ziemlich quer kam es beispielsweise beim zweiten Grenchner Fiko-Vertreter, Richard Aschberger (SVP), rüber, wie dieser zwischen den Zeilen durchblicken lässt – obwohl er wegen des Kommissionsgeheimnisses keine Interna preisgeben will. «Es ist jedenfalls zu einer Nachfrage gekommen», erklärt Aschberger.
Der Regierungsrat beantragt, dass die Zentrumslasten-Abgeltung von 1 Mio. Fr. zwischen Solothurn 33,34%, Grenchen 33,33 Prozent und Olten 33,33 Prozent gleichmässig verteilt werden. «Nur dies ist eine gerechte Lösung», ist Grenchens Stadtpräsident François Scheidegger überzeugt. «Alle drei Städte machen zwischen 100 und 120 Millionen Umsatz, alle haben ähnlich viele Einwohner, nämlich zwischen 17'000 und 18'500.»
Nie werde man alle Faktoren für eine wirklich gerechte Verteilung berücksichtigen können. «Die Berechnungen nach bestimmten Faktoren werden so oder so immer Diskussionen auslösen. Das zeigt ja die Reaktion von Solothurn exemplarisch, als die Regierung die geplante Drittelsvariante vorgestellt hat.» Der Entscheid der Fiko, nicht auf diesen Vorschlag einzutreten, stosse wiederum in Grenchen sauer auf.
Auch wenn die Million (geteilt durch drei) bei den Budgets der drei Städte ein kleiner Betrag sei, sei das Festhalten der Fiko am alten «Hokuspokus-Verteilschlüssel» für Grenchen nicht akzeptabel. «Wenn schon ein Verteilschlüssel, dann nach Kopf der Bevölkerung, dies käme dem Drittelsvorschlag der Regierung ziemlich nahe», meint Scheidegger.
Übrigens sei bei der Verteilung der Gelder aus dem Lotteriefonds ein ähnliches Ungleichgewicht zu beobachten, auch wenn dies ein anderes Thema sei. Aus dem Lotteriefonds landeten 2017 in Solothurn 11 Prozent der Gelder, in Olten 14 Prozent und in Grenchen lediglich 2 Prozent. (at.)
Und vielleicht sei sogar der Eindruck aufgekommen, dass sich die beiden Grenchner Vertreter selber nicht einig seien. Das sei natürlich überhaupt nicht so, meint hingegen Remo Bill. «Hinsichtlich der schiefen Zentrumslasten-Abgeltung sind wir uns absolut einig», unterstreicht er. Er betont, dass der Drittelsvorschlag der Regierung wohl nicht zuletzt darauf zurückzuführen sei, dass er und Richard Aschberger Regierungsrätin Brigit Wyss an der ersten Sitzung der Legislatur auf die für Grenchen problematische Situation hingewiesen hätten. «Man sieht ja an der Regierungsvorlage, dass die Problematik erkannt wurde.»
Bill räumt aber etwas zerknirscht ein, dass es ihm nicht einmal gelungen ist, die anderen Vertreter der eigenen Partei in der Fiko zu überzeugen. Auch in den anderen Parteien seien Vertreter aus der Region Solothurn bei sich offenbar nicht zu Abstrichen bereit.
Kritisiert wurde Bill ferner, als er am Wochenende bekannt gab, er könne an der Fraktionssitzung der kantonalen SP von heute Abend nicht teilnehmen – dies, weil in Grenchen gleichzeitig eine Gemeinderatssitzung stattfindet und die beiden Grenchner SP-Kantonsräte beide auch im Gemeinderat sitzen.
«Das geht natürlich gar nicht», kritisiert Richard Aschberger, ebenfalls Kantons- und Gemeinderat. «Da setzt die SP eindeutig die falschen Prioritäten. Für den Gemeinderat kann man Ersatzmitglieder aufbieten, für den Kantonsrat nicht.»
Nachdem auch der Stadtpräsident intervenierte, zeigt sich Vizestadtpräsident Remo Bill einsichtig. Er werde an der SP-Fraktionssitzung teilnehmen, richtete er gestern aus. Es sei unglücklich, dass die Grenchner Gemeinderatssitzungen gelegentlich mit den Sitzungen der SP-Kantonsratsfraktion zusammenfielen. «Ich habe schon beantragt, dass man in solchen Fällen die Gemeinderatssitzung verschiebt, aber das wurde leider abgelehnt.» Angela Kummer muss heute im Gemeinderat einen eigenen Vorstoss zur Musikschule vertreten.
Bleibt die Frage, warum die Erhöhung der seit Jahren tiefen Lastenabgeltung für Grenchen erst jetzt zum heiss diskutierten Thema wird. – «Grenchen weist seit Jahren auf diesen unverhältnismässig tiefen Anteil beim Zentrumslastenausgleich hin», meint dazu Stadtpräsident François Scheidegger. Und dass das Lobbying Früchte trage, sei ja immerhin darin zu sehen, dass dem Kantonsrat ein Vorschlag unterbreitet werde, mit dem die Zentrumslasten gerechter verteilt werden (vgl. Kasten). Dieser wurde allerdings mit 9 gegen 5 Stimmen in der Fiko abgelehnt. In der Schlussabstimmung stimmten dem Vernehmen nach nur die drei SVP-Mitglieder gegen die Vorlage.
Der Stadtpräsident und die Grenchner Kantonsräte wollen jetzt den Hebel direkt bei den Fraktionspräsidien, eventuell auch weiteren Kantonsräten ansetzen und sie mit Fakten bedienen. So wie das seitens Solothurn Kurt Fluri bereits am 13. August gemacht hat. Ist es dazu nicht zu spät? Scheidegger meint nein. Man wolle möglichst zeitnah reagieren, meint der Stapi. Der Kantonsrat wird am 4. September entscheiden.