Die letzte Grenchner Stadtgeschichte von 1949 ist veraltet. Deshalb wird nun ein neues Buch in Angriff genommen – momentan wird nach einer Person für die Projektleitung gesucht.
Sie ist 750 Seiten dick, schwer und hat schon etwas Staub angesetzt: die letzte Grenchner Stadtgeschichte. 1949 veröffentlichte Werner Strub sein «Heimatbuch». Trotz aller Verdienste des «Monumentalwerkes»: «Modernen wissenschaftlichen Ansprüchen wird das Buch nicht mehr gerecht», erklärt Stadtarchivarin Salome Moser Schmidt. «Der Bedarf nach einer neuen, zusammenhängenden Stadtgeschichte ist schon lange da.» Das Wirtschaftswachstum der Nachkriegszeit und die Krise in den 1970er-Jahren sind bisher nicht zusammenhängend aufgearbeitet.
Jetzt wird die Stadtgeschichte neu angegangen. Momentan ist die Stelle für die Projektleitung ausgeschrieben. Die Gemeindeversammlung hat bereits einen Kredit über 530 000 Franken bewilligt.
Ansprechend und verständlich
Das Wort «Stadt-Geschichte» ist für Grenchen nicht ganz zutreffend: Das Buch soll die Stadtgeschichte ab 1851, als Grenchen noch ein Dorf war, bis 2011 darstellen. «Mit 1851 kann die Phase der Industrialisierung in Grenchen von Anfang an thematisiert werden», begründet Moser die Zeitspanne. Das enorme Wachstum von Bevölkerung und Uhrenindustrie sowie ihre Auswirkungen auf Stadtentwicklung und Stadtbild sollen aufgezeigt werden. Damit soll auch ein Stück Grenchner Identitäts- und Geschichtsbewusstsein geschaffen werden. «Grenchen hat keine Altstadt und dadurch kein ausgeprägtes Geschichtsbewusstsein», sagt Moser.
Klar ist aber auch: Es wird sicher keine reine Industriegeschichte. Alltagsleben, Wohnen, das Grenchner Gewerbe oder die Vereine sind weitere mögliche Themen. Ausführlich sollen Zeitzeugen zu Wort kommen. «Im 20. Jahrhundert ist das ein Schatz, den man nutzen muss», sagt Salome Moser. «Durch Leute, die befragt werden, entsteht ein sehr lebendiges Bild der damaligen Zeit.»
Buch soll 2016 vorliegen
Wo die thematischen Schwerpunkte genau liegen, wird die Projektleitung zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden, ebenso wird diese eine klare wissenschaftliche Fragestellung formulieren und die Autoren auswählen.
2016 wird die neue Stadtgeschichte dann in Buchform vorliegen. «Das Buch soll breite Zielgruppen ansprechen, anschaulich und verständlich sein und ein ausführliches Register enthalten», sagt Barbara Pestalozzi Kohler. Die Leiterin des Standortmarketings, Kultur und Sport hat mit der Stadtarchivarin und Alfred Fasnacht, Präsident der Museumsstiftung, das Konzept erarbeitet.
Gewicht sollen auch Bilder und Fotografien erhalten. «Das Bild soll als eigenständige Quelle viel Raum erhalten», sagt Moser. Wenn möglich, sieht das Konzept vor, Bilder und Dokumente aus dem Stadtarchiv im Rahmen der Projektarbeiten zu digitalisieren und auf einer Homepage einem breiteren Publikum einfach zugänglich zu machen.
Die Historiker können für das Buch auf einen - vor allem im 20. Jahrhundert - grossen Quellenbestand im Stadtarchiv zurückgreifen. Firmennachlässe und -archive gibt es im Stadtarchiv allerdings fast keine. «Der frühere Stadtarchivar Hans Kaufmann hat jedoch Dokumentationen zu einzelnen Uhrenfirmen erarbeitet», sagt Moser. Hinzu kommen die Archive bei den Firmen selbst. Einiges an Vorarbeit ist in den Grenchner Jahrbüchern geleistet worden.
Bewährte Historiker gesucht
Neben Salome Moser Schmidt und Barbara Pestalozzi Kohler engagieren sich auch die Stiftung Museum und das Kultur-Historische Museum im Projekt. Das Museum soll künftig bei seinen Ausstellungen auf wissenschaftlich fundiertem Wissen aufbauen können. Nutzen will das Grenchner Projekt auch, dass die Verantwortlichen der Kantonsgeschichte momentan denselben Zeitraum anpacken. «Das könnte viele Synergien für beide Seiten geben», so Moser.
Vorerst muss jetzt eine Projektleitung gefunden werden. Bis zum 18. Februar läuft die Bewerbungsfrist. Gesucht ist eine ausgewiesene Historikerin oder ein Historiker mit Erfahrung in ähnlichen Projekten. Ausgewählt wird die künftige Projektleitung von Barbara Pestalozzi Kohler, Salome Moser Schmidt und weiteren Personen, die vorläufig jedoch noch nicht bekannt sind - ebenso wenig wie die Begleitkommission, die noch konstituiert wird. Naheliegend ist, dass Mitglieder der Stiftung Museum und des Kultur-Historischen Museums dazugehören. Die Projektleitung wird dann ab Frühling oder Sommer mit dem Festlegen des Inhaltes und der Auswahl der Autoren beginnen.