Das «Electrifly-in» auf dem Regionalflughafen zeigte auf, dass in der Luftfahrt innovative und neue Technologien eine Zukunft haben.
Unter dem neuen Label wurde der Anlass bereits zum vierten Mal in Grenchen durchgeführt – dieses Mal unter besten, meteorologischen Voraussetzungen. Das Publikum, grösstenteils bestehend aus Fachleuten, Aviatikspezialisten und -liebhabern, kam in den Genuss eines Mix aus Fachvorträgen zu bestimmten technologischen Entwicklungen im Bereich der elektrifizierten Fliegerei und dem Live-Erlebnis der Elektroflugzeuge, die nach Grenchen geflogen wurden sowie Entwicklungsprojekten, die in einer Ausstellung näher vorgestellt wurden.
Star unter den ausgestellten Flugzeugen war sicherlich die Pipistrel Velis Elektro, ein in den letzten fünf Jahren von der slowenischen Firma Pipistrel Ajdovscina d.o.o. entwickelter Zweisitzer, der von der Schweizer Firma AlpinAirPlanes GmbH in die Schweiz gebracht wurde und hier in Flugschulen eingesetzt werden soll. Die Pipistrel Velis E. ist das erste von der EASA voll zertifizierte Elektroflugzeug. Ein Team um den deutschen Zukunftsforscher, Ingenieur und Pilot Morell Westermann hat in diesem Sommer mit einer Maschine dieses Typs einen Rekordflug vom St. Galler Flugplatz Schänis zur Insel Norderney an der Nordseeküste gemeistert und dabei etliche Weltrekorde aufgestellt. Westermann berichtete auch in einem äusserst unterhaltsamen Vortrag über diesen Flug, den er und sein Pilot in etlichen Etappen absolvierten. Während das Bodenteam mit den Ladegeräten zu den jeweiligen Zwischenstopps auf kleinen Flughäfen fuhr, flogen sie die Etappen in der Pipistrel. Fast überall wurden rauschende Partys gefeiert, ganz im Zeichen der Elektromobilität, die laut Westermann die einzig mögliche Zukunft sein muss. Das Rekordflugzeug war übrigens ebenfalls nach Grenchen gebracht worden und konnte aus nächster Nähe betrachtet werden. Ein amüsantes Detail am Rand: Westermann erzählte, dass trotz enormer Medienpräsenz rund zwei Drittel der Fernsehteams ihre Landung schlicht verpassten, weil niemand sie hatte kommen hören.
Auch die Landung in Norderney war aussergewöhnlich, weil auf einem Flugfeld, auf dem normalerweise fünf Flugbewegungen pro Tag geschehen, über 50 Flugzeuge mit Medienleuten angereist waren, die Feuerwehr anrückte und die bemitleidenswerte Dame im Tower nicht darüber informiert worden war. «Als die Medien unmittelbar nach unserer Landung die Landebahn stürmten, um uns zu interviewen – unser Propeller lief noch – hat sie wohl ganz aufgegeben», erzählte Westermann lachend.
Ein Fly-in wäre keins, wenn nicht auch Flugzeuge in der Luft zu sehen wären. Da der Flugplatz an diesem schönen Tag Hochbetrieb hatte, mit Freizeitfliegern und Fallschirmspringern en masse, waren die Demonstrationen der Elektroflieger am Himmel auf ein kleines Zeitfenster begrenzt. Was jedem auffallen musste: Alle Flugzeuge mit Elektroantrieb sind extrem leise – ein grosser Vorteil , nebst dem der niedrigeren Umweltbelastung. Das Publikum kam in den Genuss etlicher Runden, welche die Elektroflieger über dem Flugplatz drehten, manche so langsam, dass man beinahe das Gefühl hatte, sie würden an Ort und Stelle schweben.
Aber wie geht es in der Entwicklung innovativer Antriebe weiter? Lassen sich die neuen Konzepte irgendwann auch in der kommerziellen Luftfahrt verwenden? Insbesondere jetzt, wo die Wirtschaft und damit auch die Luftfahrtindustrie unter der Krise zu leiden hat? Diese und weitere Fragen wurden am ersten E-Talk erörtert, einer Podiumsdiskussion mit Dominique Gisin, ehemalige Skirennfahrerin, Olympiasiegerin, selber Pilotin und kurz vor ihrem Abschluss in Astrophysik, die als Botschafterin des Electrifly-in fungierte. Nationalrat Thomas Hurter, selber Militär- und Linienpilot bei der Swiss mahnte, gerade in der aktuellen, für die Luftfahrt schwierigen politischen Diskussion, die verschiedenen Ansätze in der zukünftigen Mobilität, sowohl am Boden wie in der Luft nicht gegeneinander auszuspielen. Die Luftfahrt werde momentan in eine Ecke gedrängt, als Klimakiller Nummer Eins bezeichnet. «Was ist jetzt in der Coronakrise geschehen? Die Fluggesellschaften haben die Anschaffung moderner, umweltfreundlicherer Maschinen gestoppt und fliegen mit den alten Maschinen weiter. Mit anderen Worten: der aktuelle Gegenwind, den die Luftfahrt politisch erfährt, klemmt die Innovation ab.»
Theo Rindlisbacher vom Bundesamt für Zivilluftfahrt Bazl zeigte auch auf, dass die Schweiz nicht alleine steht. Innovative Elektroantriebe, die hier entwickelt werden, verursachen bei uns zwar keine Emissionen, denn die «Umweltsünden» bei der Herstellung von Batterien geschehen im Ausland. Das dürfe nicht vergessen werden. Er rechne mit der Weiterentwicklung von hybriden Lösungen und der nachhaltigen Entwicklung von nicht-fossilen Treibstoffen.
Dominique Gisin schliesslich setzte ihre Hoffnung in die Jugend, von der sie hoffte, dass sie sich mehr für Technik interessiere und vielleicht eines Tages das Batterieproblem lösen könne.
Die diesjährige E-Trophy, die Auszeichnung für den längsten Flug nach Grenchen mit Elektroantrieb ging an Klaus Ohlmann. Der aussergewöhnliche Pilot hat selber bereits über 60 Weltrekorde aufgestellt, ist in einem Segelflugzeug über den Mount Everest geflogen, hat in den Anden Streckenweltrekorde aufgestellt und vieles mehr. In seiner Antares flog er 357,6 Kilometer von Frankreich nach Grenchen und gewann somit die Trophy.
Ehrengast an der Preisverleihung war Bertrand Piccard, den man niemandem mehr vorzustellen braucht nach seiner Weltumrundung in der Solar Impulse und der nun als Schirmherr des Electrifly-In Switzerland in Grenchen auftrat.
Hinweis
Weitere Bilder vom Electrifly-in sind online zu sehen.