Uhrenindustrie
German Vogt investierte über 100'000 Stunden ins Swatch-Archiv – Jetzt ist er fertig

Der Grenchner Lokalhistoriker German Vogt sieht seine Mission beendet: Seit 1982 sammelte er systematisch alle Unterlagen zur Geschichte der Swatch-Uhr, jetzt übergab er sein Archiv an eine Vertrauensperson.

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German Vogt inmitten der gesammelten Unterlagen zur Geschichte der Grenchner Uhrenindustrie und der Swatch.

German Vogt inmitten der gesammelten Unterlagen zur Geschichte der Grenchner Uhrenindustrie und der Swatch.

Hansjörg Sahli

Zurzeit feiert sich in Basel die Uhrenindustrie wieder selber, wenn auch mit etwas Katerstimmung. In die Zeit der letzten Uhrenkrise zurück reicht die Arbeit des Grenchner Lokalhistorikers German Vogt. 35 Jahre hat er der Sammlung von Dokumenten zur Entstehung der Swatch gewidmet. Jetzt ist die Arbeit abgeschlossen. Der ehemalige Bezirkslehrer hat sein Swatch-Archiv einer Vertrauensperson übergeben, deren Identität er geheim hält. So will er «die Wahrheit vor möglichen Erpressungsversuchen schützen», wie er sagt.

Als German Vogt 1982 mit der systematischen Sammlung von Unterlagen zur Geschichte der Swatch-Uhr begann, hätte er sich nicht vorstellen können, dass aus diesem Hobby einmal ein Kreuzzug zur Anerkennung der Leistung der Grenchner Vertreter an der Rettung der Schweizer Uhrenindustrie werden würde.

«Als Grenchner Bürger und Einwohner war ich von Beginn weg ‹gottefroh› über die Swatch. Als sie auf den Markt kam, erkannte ich sofort die epochale Wirkung dieser Uhr. Es war mir ein Anliegen, der Nachwelt wahrheitsgetreu zu überliefern, wie es zu dieser Neuerung kam», erklärt der Hobby-Historiker seine Motivation. Aufgrund seiner Verwandtschaft mit den Fortis-Gründern Walter und Gottlieb Vogt liege ihm das Interesse an der Uhrenindustrie im Blut.

Kastanien aus dem Feuer holen

«Von 1982 bis Ende Februar 1992 galten Ernst Thomke und Nicolas G. Hayek als das Sanierungstraumpaar», schreibt German Vogt. Dann trennten sich die Wege des Grenchner und des Bieler Sanierers. Seither hat Vogt sich den Kampf um die Bekanntmachung der Grenchner Herkunft der Plastikuhr auf die Fahne geschrieben. Das Hobby gewann mit dieser zusätzlichen Dimension für ihn eine neue Qualität und Dringlichkeit.

Dennoch dauerte es weitere zehn Jahre, ehe der inzwischen pensionierte Bezirkslehrer den Grossteil seiner Zeit dieser Mission widmen konnte – gesamthaft über 100'000 Stunden, wie er sagt. Das Motto, dem er dabei nachlebte: «Wer die Wahrheit kennet und saget sie nicht, ist fürwahr ein erbärmlicher Wicht.» Mit einem Schmunzeln merkt er an, dass es wohl sein Schicksal sei, für andere die Kastanien aus dem Feuer zu holen.

Hintergrundwissen von Entscheidungsträgern gesammelt

Neben öffentlich zugänglichen Dokumenten wie Zeitungsartikeln und Jahresberichten der ETA und ihrer Vorgängerin Ebauches SA, sammelte Vogt Hintergrundwissen von Entscheidungsträgern. Hinzu kamen fachliche Unterlagen wie zum Beispiel Patentbescheinigungen.

Namhafte Persönlichkeiten der ETA, darunter Anton Bally (Chef), Rolf Bachmann (Direktionssekretär), Ueli Hauert (Schlüsselperson bei der Konstruktion der automatischen Swatch-Strasse) und «Herr Tick-Tack» Martin Bieri (verantwortlich für die Rotor-Produktion in Bettlach), hätten ihm geholfen, sagt Vogt. «Sie hätten mir noch viel mehr erzählen können, wenn sie das gewollt hätten. Sie waren sehr zurückhaltend», ist er sich der Grenzen seiner Informationen bewusst.

Und wie steht es mit Ernst Thomke, dem Mann, für dessen Verdienste German Vogt hauptsächlich gekämpft hat? «Mit ihm hatte ich wenig Kontakt, aber hin und wieder hat er mir wertvolle Tipps gegeben.»

Der unbekannte Hüter

Die Frucht der jahrzehntelangen Arbeit sind 13 Bundesordner, fünf weitere Ordner und diverse Mappen. Besonders stolz ist der 87-jährige Sammler auf die Kollektion aller NZZ-Artikel (in Form von Kopien aus dem Zeitungsarchiv) zum Thema zwischen 1981 und ’85. Dass seine Arbeit bisher nicht viel Echo gefunden hat, stört German Vogt nicht. Dazu ist er zu sehr Querkopf. «Anerkennung gibt es für diese Art von Tätigkeit oft erst nach dem Tod, vorher sind die Leute jalous.» Sprichts und lacht.

Dafür, dass sein Lebenswerk ihn überdauert, hat German Vogt Vorsorge getroffen. Nicht etwa auf dem herkömmlichen Weg mit einem Testament. Er hat sein Swatch-Archiv vor wenigen Tagen einem Freund ausserhalb der Stadt anvertraut. Wem, will er nicht sagen. Diese Person habe freie Hand, wie sie die Sammlung der Nachwelt und der Forschung zugänglich mache, erklärt der Besitzer. Das Stadtarchiv war für German Vogt nie eine Option. Der Grund: «Die Stadt Grenchen ist aus meiner Sicht vonseiten der Swatch Group erpressbar.»