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Das altehrwürdige Grenchner Parktheater «gehört» einer Genossenschaft – bis jetzt. Sowohl die Stadt Grenchen als auch die Genossenschaft selbst wollen das Konstrukt modernisieren. Das Gebäude soll an die Stadt überschrieben werden.
Das Parktheater ist der Kulturtempel Grenchens schlechthin. Ein Theater mit rund 600 Plätzen, diversen Sälen etc. Dazu ein Restaurant mit der wohl schönsten Gartenterrasse Grenchens, einem vielseitig verwendbaren Foyer und einem grossen Parkplatz vor dem Haus, der erst noch gratis ist. Und einer einzigartigen Geschichte (siehe Kasten).
Seit 2015 ist die rodania, Stiftung für Schwerbehinderte, Pächterin des Parktheaters. Für den Betrieb hatte die Stiftung eine Tochterfirma gegründet, die Rodania Gastro AG. Die Genossenschaft Parktheater als Eigentümerin der Liegenschaft organisierte bisher den Theaterbetrieb.
Seit geraumer Zeit machen Gerüchte in der Stadt die Runde, wonach die Genossenschaft Parktheater, aufgelöst werden soll. Man wolle den alten Zopf endlich abschneiden, hiess es von verschiedenen Seiten und von höchster Stelle.
Aber man hielt sich eher bedeckt, Infos flossen spärlich, was wilde Fantasien spriessen liess, bis hin zu haltlosen Vermutungen über Zahlungsunfähigkeit und drohendem Konkurs.
Als Genossenschaftspräsident Jean-Pierre Thomsen sowie Corinne Meier, die Verantwortliche für den Theaterbetrieb, letztes Jahr zudem noch überraschend demissionierten, half das auch nicht gerade, die Situation zu beruhigen. Eine Task-Force unter der Leitung von Reto Gasser, Vizepräsident des Genossenschafts-Verwaltungsrates, wurde geschaffen.
Der Leiter der Task-Force, Reto Gasser, sowie David Baumgartner, Finanzverwalter der Stadt, und Thomas Vogt, Stiftungspräsident der rodania, Stiftung für Schwerbehinderte Grenchen, gaben nun exklusiv Auskunft über den aktuellen Stand der Dinge, die Beweggründe und ihre Ziele.
Die Liegenschaft gehört der Genossenschaft Parktheater, erklärt Genossenschafts-Vizepräsident Reto Gasser. Aber für alle grösseren Ausgaben kommt seit je die Stadt Grenchen auf. Nebst den Beiträgen an den Theaterbetrieb bezahlte sie auch Investitionen und Renovationen.
«Die Genossenschaft verfügte stets nur über die finanziellen Mittel aus Pachtzinsen und Einnahmen aus dem Theaterbetrieb für den Betrieb, kam gerade so raus. Für grössere Investitionen fragte sie stets die Stadt um Nachtragskredite an».
Die Renovation der Bühnenanlage im Jahr 2009 kostete die Stadt beispielsweise 1,84 Mio. Fr., an den Umbau steuerte sie 100'000 Franken bei und im nächsten Budget Grenchens ist ein Posten von 800'000 Franken für die Sanierung der Küche enthalten. Kurz: Die Stadt bezahlt für etwas, das ihr eigentlich nicht gehört.
Dieses Konstrukt sei nicht mehr zeitgemäss, sagt David Baumgartner. «Die Struktur entspricht nicht mehr den heutigen Gegebenheiten und muss dringend modernisiert werden.» Vor 60 Jahren habe dieses Modell funktioniert, aber jetzt stehe man vor ganz anderen Herausforderungen.
Sollte die Genossenschaft zahlungsunfähig werden oder der Pächter des Restaurationsbetriebs in finanzielle Schieflage geraten, müsste die Stadt einspringen. Und käme es zu einem Konkurs, liefe sie sogar Gefahr, ein Gebäude zurücksteigern zu müssen, das ihr de facto schon gehört – jedenfalls vom Standpunkt dessen aus betrachtet, der schon immer dafür bezahlt hat.
Ende Dezember 1955 wurde in Grenchen eine Genossenschaft gegründet, die auf der Grundlage eines Baurechtsvertrags mit der Stadt Grenchen den Bau und die Verwaltung eines Konzert- und Theatersaals auf gemeinnütziger Grundlage bezweckte. Man wollte primär kein Geld verdienen, sondern den Grenchner Vereinen und «Korporationen», wie es in den Statuten heisst, die Säle zu angemessenen Bedingungen zur Verfügung stellen.
Restaurationsbetrieb und dazugehörende Nebenbetriebe sollten verpachtet werden. Wer einen Anteilschein von 100 Franken erwarb, wurde Genossenschafter und Mitbesitzer des Parktheaters. Auch wer mehrere Anteilscheine besitzt, hat nur eine Stimme. Eine für damalige Zeiten weitverbreitete Struktur.
Finanziert wurde der Betrieb mit dem Genossenschaftsvermögen, den Pachteinnahmen und den halbjährlichen oder jährlichen Zuschüssen der Stadt an den Theaterbetrieb und den Unterhalt. Grössere Investitionen bezahlte stets die Stadt. Sie hatte das Recht, von den 5 bis 7 Mitgliedern des Verwaltungsrats der Genossenschaft deren 4 vorzuschlagen.
Als Pächter wirtete über Jahrzehnte Rolf Meier und seine Familie. Auf ihn folgte die Catering Firma Cucina Arte, die nach etwa zwei Jahren das Handtuch warf. Das Restaurant Parktheater blieb über Monate geschlossen. Die Genossenschaft unter dem damaligen VR-Präsidenten Claude Barbey fand den aktuellen Pächter, die rodania, Stiftung für Schwerbehinderte, als neuen Pächter, welche viel Geld investierte und das Restaurant komplett umbaute.
Jean-Pierre Thomsen, der Präsident des Genossenschafts-Verwaltungsrates, demissionierte letztes Jahr im Oktober überraschend. Dies nach nur gerade 5 Monaten als Nachfolger von Claude Barbey. Auf Anfrage erklärt Thomsen, ihm sei das Ganze ziemlich nahe gegangen. «Ich hatte etliche schlaflose Nächte und musste irgendwann einsehen, dass mir meine eigene Gesundheit einfach wichtiger sein muss.»
Etwa zur gleichen Zeit wie Thomsen demissionierten zwei weitere Mitglieder des Verwaltungsrats der Genossenschaft: Corinne Maier, seit 24 Jahren mit dabei und verantwortlich für den Theaterbetrieb, und Roland Derendinger, ehemals von der Finanzverwaltung der Stadt Grenchen in die Genossenschaft abgestellt.
Und dann war da noch die Pensionierung des Bühnenmeisters Robi Kaiser im Sommer, die Übernahme seines Postens durch seinen Sohn, bald darauf dessen unerwartete Kündigung und erneut die mühsame Suche nach einer neuen Person. Die Gespräche zwischen Genossenschaft, Pächter und Stadt wurden heftig, finanzielle Forderungen standen im Raum, zum Teil gerechtfertigt, zum Teil nicht.
Das veranlasste die Verantwortlichen, eine Task-Force Parktheater ins Leben zu rufen. Seitens der Stadt herrschte eine klare Haltung: Sie will das Haus früher oder später übernehmen. In den politischen Gremien, insbesondere der Gemeinderatskommission, herrschte offenbar Einmütigkeit.
Von links bis rechts war man sich einig, dass es dringend eine Lösung braucht und akzeptierte auch, dass dies etwas kosten dürfte. «Die finanziellen Unstimmigkeiten wurden per Ende Jahr bereinigt», bestätigen Reto Gasser von der Genossenschaft und Finanzverwalter David Baumgartner.
Die Restauration war stets das Sorgenkind, ist man sich einig. «Als das Haus in den 50er Jahren gebaut wurde, schwamm die Stadt förmlich im Geld. Es herrschte eine rege Ausgehkultur, jedes Wochenende fanden Veranstaltungen statt, die das Haus bis auf den letzten Platz füllten», sagt Vogt.
Das habe auch dem Wirt geholfen, der viele Essen verkaufen konnte. Später verschlechterte sich die Situation. Die Wirte hatten es immer schwerer. Um einen langjährigen Wirt bemühte sich sogar Daniel Bumann, der Restauranttester vergeblich. Allerdings, so heisst es in der Gesprächsrunde, habe dieser Wirt seinen Job während 20 Jahren sehr gut gemacht, aber die Miete sei hoch gewesen.
Auch die Rodania Gastro AG hat Mühe: «Problematisch ist einerseits die kleine Marge im Gastrobereich – im Schweizer Durchschnitt gerade mal 1 % – und andererseits die besondere Situation des Parktheaters», sagt rodania Stiftungspräsident Thomas Vogt. Im Vertrag mit der Genossenschaft sei klar definiert, dass die Stadt für die 12 Gemeinderatssitzungen und die Gemeindeversammlungen keine Miete zu bezahlen habe.
Auch für die Theatervorstellungen, die durch die Genossenschaft organisiert werden, durfte man keine Miete verlangen. Alle anderen müssen bezahlen. Aber: viele Vereine hätten über Jahre von viel zu tiefen Mieten profitiert und dies sei zu einem Gewohnheitsrecht geworden. «Jeder meint, er könne im Parktheater die Säle gratis benutzen und kriegt auch noch Essen und Getränke vergünstigt.»
Auch er müsse inzwischen zugeben, dass er das Ganze unterschätzt habe, als sich die rodania dazu entschloss, das Parktheater zu übernehmen, sagt Vogt. «Die Aufgabe war enorm: Wir mussten quasi einen toten Patienten zum Leben erwecken, nachdem das Parktheater Monate lang geschlossen war».
Die rodania habe sich finanziell stark engagiert, die Investitionen für den Umbau, von der Stiftungsaufsicht und anderen Aufsichtsorganen, abgesegnet und geprüft, beliefen sich auf mehrere Hunderttausend Franken.
Nach einigen Startschwierigkeiten im Jahr 2015 und einer Durststrecke, während der man mit den Einnahmen nicht einmal die eigenen Personalkosten habe decken können, konzentrierten sich Geschäftsführer Pat Tobler und seine Crew auf die Neuausrichtung des Restaurants und organisierten einige gut besuchte Konzerte.
«Inzwischen schreiben wir eine schwarze Null», sagt Vogt. Das sei noch zu wenig. Die rodania sei zwar per se nicht gewinnorientiert, aber dennoch müssten die Investitionen bis zu einem gewissen Grad amortisiert werden. Positive Cashflows können aber nur erreicht werden, wenn gewisse gemeinwirtschaftliche Leistungen –zum Beispiel Gratisbenutzung der Infrastruktur durch Grenchner Vereine oder politische Parteien – durch die Stadt abgegolten werden».
Das habe im letzten Jahr zu heftigen Diskussionen mit Genossenschaft und Stadt geführt.
Mittlerweile verlaufen laut allen Beteiligten die Gespräche positiv. Die Genossenschaft soll an einer Generalversammlung noch in diesem Frühjahr beschliessen, das Parktheater an die Stadt zu überschreiben. «Das Haus wird eine unserer aktiv bewirtschafteten Liegenschaften.
Damit wird es auch viel einfacher, anstehende Investitionen wie die Küche einfacher und sauber abzuwickeln», sagt Baumgartner. Die Stadt vereinbart mit der Pächterin, der rodania Gastro AG, eine Leistungsvereinbarung, die laut Baumgartner momentan ausgearbeitet werde. Man werde darin auch neue Spielregeln aufstellen für die Vereine.
Die Genossenschaft habe stets sicherstellen können, dass keine Drittforderungen mehr im Raum stünden, wie Rechnungen oder ausstehende Gagen, sagt Gasser. Noch unklar ist die Frage, wie weiter mit dem Theaterbetrieb. Corinne Maier ist im Übergangsprojekt bis Ende Theatersaison im Juni operativ tätig.
Danach werde man zusammen mit der Rodania Gastro AG eine neue Form finden. Ob hier eine städtische Kommission oder ein Ausschuss in Zusammenarbeit mit der Rodania Gastro AG eingesetzt werden soll, ist noch unklar. Das werde Bestandteil der Leistungsvereinbarung, sagt Gasser. Erklärtes Ziel aller Beteiligten sei aber, betont Gasser, dort auch in Zukunft Theater im klassischen Sinn zu zeigen.
So oder so, von allen Beteiligten ist viel Enthusiasmus zu spüren. Vogt bringt es auf den Punkt: «Ich habe oft gezweifelt. Aber so sicher wie jetzt, dass wir auf dem richtigen und erfolgreichen Weg sind, war ich mir noch nie.»
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