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Die zu Ende gehende Legislatur hat Grenchen eine weitere Beruhigung und Versachlichung der Politik gebracht. Das Wahlresultat am
25. April dürfte deshalb von der politischen Grosswetterlage geprägt sein.
Und dies bedeutet heutzutage landläufig: Erstarken der Grünen und linksliberalen Kräfte, besonders in den Agglomerationen und gleichzeitig Erosion bei der wirtschaftsfreundlichen Mitte (FDP). Ein Trend, der in den Städten schon seit geraumer Zeit zu beobachten ist.
Gilt diese Aussage auch für Grenchen? Bisher keineswegs! Hier war es bei den beiden letzten Wahlgängen vor allem die SP, welche Federn lassen musste. Und natürlich steht die Frage im Raum, ob dieser Krebsgang in der Uhrenstadt anhält, analog der Entwicklung der FDP in Solothurn.
Dies zu bejahen oder zu verneinen wäre Kaffeesatz lesen. Allenfalls kann man spekulieren, welche von den etablierten «Regierungsparteien» anlässlich der national vorherrschenden Megatrends am meisten vom Rückgang betroffen ist. Fakt ist: Die Grüne Partei in Grenchen wurde letztes Jahr neu gegründet und steigt mit fünf Kandidierenden ins Rennen. Doch auch eine Partei wie die CVP kann 15 Personen für eine Kandidatur gewinnen und dabei keineswegs unbekannte Gesichter.
Gleichzeitig bleibt Grenchen ein Industrie- und Technologiestandort, wo sehr viele Menschen noch wissen, was Wertschöpfung bedeutet. Und dass das Geld, das der Staat ausgibt für Bildung, ÖV und Coronamassnahmen, auch zuerst von jemand verdient werden muss.
Dennoch hat die Stadt in der vergangenen Legislatur den Kompass neu gestellt. Dies ist auch buchstäblich zu verstehen mit dem gleichnamigen Legislaturprogramm, das bei der Förderung des Wohnstandortes zumindest gleichziehen will mit der Wirtschaftsförderung.
Denn wenn Steuereinnahmen fliessen sollen, ist die Wirtschaft ein zu volatiler Partner. Die Firmensteuern sind seit Jahren rückläufig und dies nicht nur in Grenchen. Eine zu grosse Abhängigkeit des Gemeinwesens von diesen Einnahmen führt ins Elend. Substanziell ist aber nach wie vor das Steuergeld der in der Industrie Beschäftigten – sofern sie auch in Grenchen wohnen – selbst wenn die Löhne der Industriearbeiter nicht mit denjenigen in einer Verwaltungsmetropole vergleichbar sind.
Und damit das Grenchner Steuersubstrat auf absehbare Zeit schwach bleiben wird. Doch das ist eine andere Geschichte. Seit Jahren kämpft die Stadt für einige Arbeitsplätze der Verwaltung. Bisher vergeblich. Und das BWO bricht jetzt seine Zelte in Grenchen auch noch ab.
Der Verdienst der Grenchner Politik der letzten vier Jahre war, dass die Entwicklung hin zur Wohnstandortförderung über alle Parteigrenzen weg verinnerlicht wurde. Das im Herbst 2018 verabschiedete «Kompass»-Dokument gilt seither als Richtschnur der Grenchner Exekutive. Und bisher hat man sich von den wesentlichen Punkten des Papiers leiten lassen.
Bemerkenswert ist auch, wie es dazu kam. Der Gemeinderat raufte sich zu samstäglichen «Seminaren» mit externer Moderation zusammen, in welchen der kleinste gemeinsame Nenner, die Grundzüge des «Kompass» erarbeitet wurden. Sodass man an den öffentlichen Ratssitzungen, an denen die Entscheide fallen, die gröbsten Differenzen bereits ausdiskutiert und beigelegt hatte.
Die sprichwörtlichen, bisweilen auch gehässigen Schlagabtausche im Gemeinderat scheinen endgültig der Vergangenheit anzugehören. Die Qualität der Verhandlungen wie auch der Entscheide hat seither gewonnen. Und sogar das vielgeschmähte «Geheimkabinett» GRK lässt sich inzwischen jeweils kurz ins Nähkästchen gucken, indem neuerdings auch die Entscheiddispositive des Gremiums wieder mit den Gemeinderatsunterlagen publiziert werden.
Das Mittel der Klausursitzung zur vorgängigen Ausmarchung wichtiger Dossiers hat sich auch beim lange Zeit festgefahrenen Südbahnhof-Projekt bewährt. Einen veritablen Stresstest wird es aber zurzeit beim Schnüren von strukturellen Sparmassnahmen durchmachen müssen.
Damit sind wir wieder im heute angelangt und beim Kaffeesatzlesen. Man muss kein Prophet sein, um zu realisieren, dass die Pandemie, welche sich auf internationaler und mitunter auch nationaler Ebene zu einer Massenpsychose ausgewachsen hat, in Grenchen tiefe Spuren hinterlassen wird. Die Rechnung wird irgendwann irgendwer zu bezahlen haben, so viel ist sicher.
Okay, Grenchen hat schon allerhand Krisen überlebt, und das nicht zu knapp. Nicht alles wird davon abhängen, welche Weichen der Souverän in einer Woche stellt. Grenchnerinnen und Grenchner sind sich bewusst, dass das Heil nicht (nur) von der Politik kommen kann. Dies erklärt auch etwas die traditionell mickrige Wahlbeteiligung.
Es entschuldigt sie aber auch nicht. Gerade in schwierigen Zeiten müssen Leute ans Ruder, die kühlen Kopf bewahren können, die Augenmass zeigen beim Umsetzen von irgendwelchen Massnahmen und die letztlich das Wohl der Bevölkerung im Auge behalten. Dafür sorgen kann man nur mit einem Stimmzettel.