Unter dem Namen «Businessplan Grenchen» behandelt der Gemeinderat heute eine Art Legislaturplan für die Wirtschaft der Stadt Grenchen.
Im Umfeld des Nationalbank-Entscheides zur Freigabe der Währung von letzter Woche bekommt das Papier für die Stadt plötzlich unerwartete Brisanz.
«Der Beschluss, den Franken aufzuwerten hat uns tatsächlich auf dem falschen Fuss erwischt», meint Industrieunternehmer Walter Sahli. «Schon der Sprung von Fr. 1.60 auf Fr. 1.20 war für viele Firmen eine Rosskur. Dieser nächste Schritt wird vielen den Teppich unter den Füssen wegziehen.» Denn längst nicht allen gelinge es, die Lage durch günstigere Einkäufe, zum Beispiel von Rohmaterial im Ausland, aufzufangen. Und manchmal hilft nicht einmal das. «Wir haben schon festgestellt, dass deutsche Lieferanten von Stahl für den Verkauf in die Schweiz höhere Preise verlangen, als für den Verkauf in Deutschland», meint der Verwaltungsrat der Firma Etampa, die eine starke Stellung als Automobil-Zulieferer innehat.
Sahli ist ebenfalls Mitglied des Wirtschaftsrates, der unter anderem den Businessplan der Stadt mitverantwortet. Das Papier zeigt die für die Wirtschaft wichtigen Rahmenbedingungen der Stadt auf und formuliert den Handlungsbedarf. So heisst es in der Businessplan-Vorlage unmissverständlich: «Bis heute ist der Exportsektor der Hauptmotor der regionalen Wirtschaft. Die Entwicklung der Binnenwirtschaft und der städtischen Lebensbedingungen wird stark durch den Technologiestandort beeinflusst.» 56 Prozent aller Arbeitsplätze in Grenchen sind dem industriellen Sektor zuzuordnen, ein Mehrfaches des nächst kleineren Bereichs Soziale Dienstleistungen (17 Prozent).
Im Lichte der neusten Entwicklungen stellt sich somit die Frage, ob die Stadt etwas unternehmen kann, um die speziell betroffenen Export- und Zulieferindustrien zu unterstützen. So könnte beispielsweise die Forderung formuliert werden, Exportunternehmen zu unterstützen, beispielsweise mit gezielten Steuerrabatten. An der Politik, beziehungsweise am Wirtschaftsrat würde es liegen, solche Vorschläge zu machen.
Jürg Kaufmann, Präsident des Wirtschaftsrates, hält diese Forderung für verfrüht. «Wir werden sicher an einer der nächsten Sitzungen darüber diskutieren, wie auf die Situation zu reagieren ist», so Kaufmann. Zuerst gelte es, einige Wochen das Einpendeln des Wechselkurses abzuwarten. «Die Unternehmen haben ihre Budgets für 2015 gemacht. Erst die Entwicklung wird zeigen, wie gross der Handlungsbedarf ist.»
Kaufmann, Geschäftsleitungsmitglied bei der Baloise Bank SoBa, schliesst nicht aus, dass Steuererleichterungen aufs Tapet kommen, sieht diese aber als langfristige Massnahme. «Sie könnten frühestens für 2016 wirksam werden und müssten von der Gemeindeversammlung beschlossen werden», gibt er zu bedenken.
Auch Stadtpräsident François Scheidegger anerkennt die schwierige Situation, in der sich die Exportindustrie, speziell die Automobilzulieferer, befindet. Dennoch empfiehlt auch er, zuerst einmal abzuwarten. Viele Firmen würden ihre steuerlichen Modalitäten ohnehin direkt mit dem Kanton festlegen, beispielsweise über sogenannte «Steuerrulings».
Bei den Firmen gilt sodann, dass solange sie überhaupt Steuern zahlen, die Geschäfte in der Regel gut laufen. Auch können Verluste vorgetragen werden. Ein Steuerrabatt für juristische Personen ist deshalb für den Stapi (noch) nicht das Mittel der Wahl. «Sollte sich hingegen die Erkenntnis durchsetzen, dass damit tatsächlich ein gewünschter Effekt erzielt wird, würde ich mich einem solchen Vorschlag nicht verschliessen.»
Der heute zu genehmigende Businessplan hat einen Zeithorizont bis 2018. Nebst Massnahmen für den «Technologiestandort» sind auch solche zur Förderung des Einkaufs- und Gewerbestandorts sowie des Wohnstandorts formuliert. Trotz seiner längerfristigen Ausrichtung soll der Businessplan künftig vom Gemeinderat jährlich (jeweils im Januar) behandelt und verabschiedet werden.