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Das Kleintheater-Publikum erlebte mit Henry Camus einen vielseitigen Künstler, dem nichts heilig ist. Mit viel Witz und Ironie zog er insbesondere über die Ernsthaftigkeit der verschiedensten Religionen und die Schweizer Volksmusik her.
Dieser sympathische Kerl hat so einiges drauf: Obwohl Amerikaner, parliert er problemlos in (mindestens) vier Sprachen, Mimik und Gestik sitzen, am elektronischen Klavier ist er eine Wucht und auch als Jongleur macht ihm kaum einer etwas vor.
Vor allem aber kann er Geschichten erzählen. Manchmal scheint er sich dabei zwar etwas zu verlieren, aber einlullen sollte man sich als Zuschauer davon nicht lassen.
Gemeine sprachliche Nadelstiche
Denn trotz seines Charmes setzt er immer wieder echt gemeine sprachliche Nadelstiche. So ist bei ihm Gott ein beliebiger Gott, dem es egal ist, wie wir auf der Erde «festen». Unsere Hudeligugeli-Musik findet er hingegen göttlich, «denn es braucht einen grossen Glauben, diese schön zu finden». Entdeckt hat er diese Musik übrigens in einem New Yorker Fondue-Stübli. In der Schweiz angekommen, schliesst er sich – nicht zuletzt zwecks Assimilation – einer solchen Formation an.
Aber ohalätz: Aus unseren lieblichen («rein und bedeutungsvoll in ihrer Einfachheit») Klassikern wie «Zoge am Boge», «Es Buurebüebli» oder «Dört äne am Bärgli» macht Henry Camus am Klavier fetzigen Boogie-Woogie, lasziven Latino oder virtuosen Jazz. Das ist seinen Mitmusikanten denn doch zu viel des Guten. Insbesondere Klarinettist «Guschti» (verheiratet mit einer jungen Dominikanerin) beschwert sich über «zu viele Noten».
Davon nur mässig beeindruckt macht sich unser Protagonist auf die Suche nach dem verschwundenen Original des Rigi-Liedes und wird fündig. Das staunende Publikum erfährt, dass dieses einst viel lebendiger gespielt wurde. Im Laufe der Zeit habe aber die «entropische Verarmung» unserer Volksmusik zugesetzt. In der Moderne sei dies vor allem bei DJ Bobo auszumachen.
Dieser Hang zur Vereinfachung sei übrigens auch bei gewissen Exponenten der Politik festzustellen.
Garant für gewitzten Abend
Henry Camus kann aber noch viel mehr. Er hält als Atheist eine Multikulti-Band mit all ihren religiösen Schattierungen zusammen, entdeckt die Swissness (eine entfernte Verwandte des Loch Ness) oder macht die Volksmusik in der ganzen Welt bekannt.
Kann man es ihm deshalb verdenken, wenn er sich schliesslich zum Hohepriester einer Humor-Religion aufschwingt? Wohl kaum. Selbst wenn seine Betrachtungen durchaus auch blasphemische Züge aufweisen, so ist er doch Garant für einen witzigen und gewitzten Abend.