Grenchen
Für Angestellte der Stadt Grenchen - eine Woche Vaterschaftsurlaub?

Die SP-Gemeinderätin Clivia Wullimann fordert in einer Motion eine Gesetzesänderung und mindestens eine Woche Vaterschaftsurlaub. Der Stadtpräsident will sich vorerst nicht zum Thema äussern.

Oliver Menge
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Bei der Stadt angestellte Männer sollen laut Wullimann künftig mindestens eine Woche Vaterschaftsurlaub erhalten.

Bei der Stadt angestellte Männer sollen laut Wullimann künftig mindestens eine Woche Vaterschaftsurlaub erhalten.

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Die Stadt Grenchen gewährt nach bisherigem Personalreglement einen Vaterschaftsurlaub von zwei Tagen. Die SP-Gemeinderätin Clivia Wullimann reichte nun eine Motion ein, in der sie fordert, dass die Stadt diesbezüglich über die Bücher geht. Bereits vor sechs Jahren hätten sich in einer repräsentativen Umfrage der Westschweizer Zeitschrift «L’Hebdo» 79% der Befragten für einen bezahlten Urlaub von Vätern ausgesprochen und der Bund gewähre seit dem 1. Juli 2014 seinen Angestellten einen Vaterschaftsurlaub von zwei Wochen. Wullimann schreibt: «Die Stadt Grenchen will zu Recht ein moderner Arbeitgeber sein. Damit die Stadt diesem Anliegen gerecht wird, ist es auch vonnöten, das Gesetz anzupassen und den zukünftigen Vätern einen Vaterschaftsurlaub von mindestens einer Woche zu gewähren.» Wullimann ist der Meinung, dass sich die Kosten in Grenzen hielten.

Ebendiese Kosten sind ein nicht zu unterschätzendes Argument, wie eine Umfrage bei Parteipräsidenten und Gemeinderäten zeigt. Marco Crivelli beispielsweise, Präsident der CVP Grenchen, findet es grundsätzlich eine gute Idee, die Bundespraxis für Grenchen zu übernehmen. Allerdings müsse man zuerst abklären, ob das überhaupt finanzierbar wäre. «Es gibt viele Dinge, die sind ‹nice to have›. Zuerst müsste man aufgrund der letzten Jahre untersuchen, was das für die Stadt überhaupt heisst. Erst dann kann man entscheiden.» Der Finanzplan sei bekannt und die Budgets der kommenden Jahre wahrscheinlich auch nicht besonders rosig. «Finanzielle Begehrlichkeiten gibt es immer. Ob der Ausbau des Vaterschaftsurlaubs erste Priorität haben sollte, ist fraglich, aber überprüfenswert ist das allemal.»

Argumente dafür und dagegen

Remo Bill, Präsident der SP Grenchen, ist klar für die Motion seiner Parteigenossin. «In anderen Anstellungsverhältnissen ist dies längst üblich.» Die Stadt Grenchen als fortschrittlicher Arbeitgeber würde mit einer solchen Regelung auch für gute Fachkräfte noch attraktiver. Zu den Kosten meint Bill: «Die Kostendiskussion gibt es immer, auch bei Frühpensionierungen. Es ist eine Hypothese zu behaupten, dass eine neue Regelung viel kosten würde.» Er ist der Meinung, dass die bereits bestehende Durchmischung von jungen und älteren Arbeitnehmern die Kosten im Rahmen halten würden.

Ganz klar gegen einen Ausbau des Vaterschaftsurlaubs ist Alex Kohli, Präsident der FDP Grenchen: «Ich halte nichts davon, dass Grenchen ein ‹Sonderzügli› fährt.» Eine solche Regelung sei ungerecht allen anderen gegenüber, die arbeiten müssten. «Sonderlösungen in der Verwaltung bei Kanton und Stadt vergiften nur das Klima.»

SVP-Grenchen-Präsident Richard Aschberger ist klar gegen eine Ausweitung des bestehenden Modells: «Die SVP Grenchen ist dagegen, die Privatwirtschaft kann sich solche Übungen auch nicht leisten. Dazu kommt, dass die Kosten noch gar nicht abgeklärt wurden, das ist ein weiterer Grund, wieso wir diese Motion ablehnen. Es gibt genügend Möglichkeiten, die Auszeit zu organisieren, das habe ich selber gerade bei einem Freund erlebt mit Ferienverschieben, Überzeitabbau und so weiter. Die Geburt des Kindes ist schliesslich kein Zufallsvorgang mehr.»

Eltern sollen selber entscheiden

Nicole Hirt, grünliberale Gemeinderätin und Kantonsrätin, findet die Idee grundsätzlich gut. Aber: «Die städtischen Angestellten profitieren schon jetzt von sehr guten Sozialleistungen. Einerseits ist ein verlängerter Vaterschaftsurlaub natürlich zu begrüssen, was aber andererseits unweigerlich die Frage nach der Finanzierbarkeit aufwirft», so Hirt. Sie würde eine andere Lösung bevorzugen, nämlich die, dass die zwei Tage Vaterschaftsurlaub zum Mutterschaftsurlaub addiert würden und die Eltern dann selber entscheiden, wie sie diesen «Elternurlaub» aufteilen wollen. «Es stünde so eine gewisse Anzahl Wochen zur Verfügung, die sich Mutter und Vater aufteilen können.» Dies setze natürlich voraus, dass beide Elternteile bei der Stadt arbeiten. «Falls eine derartige Regelung in Zukunft einmal schweizweit ein Thema werden könnte, hätten auch die unerlaubten, aber trotzdem immer wieder den Frauen gestellten Fragen nach der Familienplanung ein Ende.» Grundsätzlich: «Aus biologischer Sicht liegt es nahe, dass die Mutter nach der Niederkunft Urlaub erhält, ist doch das Stillen aus entwicklungspsychologischer Sicht sehr wertvoll. Da sich aber die Zeiten geändert haben, Mütter häufig früher abstillen oder gar nicht stillen, nicht stillen können, stellt sich die Frage, ob der Mutterschaftsurlaub seine Bezeichnung noch verdient.» Hirt wird die Motion von Clivia Wullimann ablehnen.

Stadtpräsident François Scheidegger will sich grundsätzlich nicht zum Thema äussern, bevor die Motion erheblich erklärt und im Gemeinderat diskutiert wurde. Letztlich sei das ein politischer Entscheid. Aber man werde die Personalordnung ohnehin überarbeiten und gewisse Punkte anpassen, eventuell gehöre auch der Vaterschaftsurlaub dazu. Und: «Auf der einen Seite heisst es immer ‹sparen›, auf der anderen Seite tauchen immer wieder neue Begehrlichkeiten auf.»