Die renommierte Begabungsförderungsspezialistin Margrit Stamm bläst am Vernetzungstreffen in Grenchen zur Umkehr aus dem «überdidaktisierten» Kinderalltag.
Im Rahmen des vierten Vernetzungstreffens, organisiert durch die Schulverwaltung Grenchen, sprach Prof. Dr. Margrit Stamm, Psychologin und Erziehungswissenschafterin, zum Thema «Frühförderung als Kinderspiel?». Der Anlass war mit 85 Personen gut besucht.
In den letzten zehn Jahren hat das freie, ungeplante Kinderspiel an Wichtigkeit eingebüsst. Frühförderung ist gezieltes Tun, so die Devise von Spezialisten. Am Vernetzungstreffen warnte die renommierte Frühförder-Spezialistin vor diesem «folgenschweren Irrtum». Stamm hat sich als Frühförder-Expertin einen Namen gemacht. Nun bläst sie zur Umkehr aus dem überdidaktisierten Kinderalltag. In ihrem Referat plädierte Stamm für das Recht der Kinder auf das freie Spiel. «Das freie Spiel ist keine Zeitverschwendung», sagt sie. Und: «Das selbstinitiierte Spiel ist das wichtigste Fördermoment in der Vorschulzeit.»
Bessere intellektuelle Fähigkeiten und emotional ausgeglichen
Das freie Spiel sei das erste Werkzeug, mit dem Kinder ihre Interessen, ihre Ängste, Enttäuschungen und Sorgen verarbeiten könnten. Die Zeit für das freie Spiel sei in den letzten 15 Jahren um ein Drittel zurückgegangen. Am augenfälligsten ist dabei, wie oft das Spiel mit Lernen kontrastiert oder lediglich als Vorstadium für das eigentliche Arbeiten bezeichnet wird. Das führt Stamm unter anderem darauf zurück, dass sich die gesellschaftspolitische Debatte vor allem um Frühförderung und frühe Einschulung dreht. Kita und Kindergarten würden zunehmend als Orte zum Lernen und nicht zum Spielen angesehen.
Dabei sind es die «spielgeförderten» Kinder, welche bessere intellektuelle Fähigkeiten entwickeln und als Jugendliche emotional ausgeglichener sind. Im Gegensatz dazu tendieren «spielentbehrte» Kinder eher zu Verhaltensproblemen, ADHS und Adipositas. Ist Frühförderung besser doch Kinderspiel?
Plattform für den Austausch
Ziel der Vernetzungstreffen in Grenchen ist, wie der Name sagt, die Vernetzung der in der Frühen Förderung tätigen Akteure. Die Schulverwaltung organisierte nun bereits das vierte Mal in Folge diese Plattform. Der Anlass wird finanziell von der Jacobs Foundation unterstützt.
Das Vernetzungstreffen ist Teil des von der Jacobs Foundation seit Mitte 2012 neu lancierten Programms «Primokiz – Frühe Förderung lokal vernetzt». Als eine der 25 Schweizer Städte wird Grenchen durch die Jacobs Foundation unterstützt, um das bestehende oder geplante Angebot der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung in einem Konzept zusammenzufassen und dieses mit grösstmöglicher Wirkung umzusetzen. (hsg)