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Die Behauptung, dass die Uhrenstadt in zwei Lager gespalten ist, bezeichnet der neu gewählte Grenchner Stadtpräsident François Scheidegger als «frei erfunden». Gräben will er dennoch zuschütten. Als Stellvertreter wünscht er sich jemanden aus der SP.
François Scheidegger, für die Bürgerlichen sind Sie eine Art Messias, für viele Linke der Buhmann. Wie gehen Sie damit um?
Scheidegger: Das möchte ich bestreiten. Es war ja bezeichnend, dass gestern auch Leute der SP an meiner Wahlfeier vorbeigekommen sind. Anderseits verstehe ich jene SP-Wähler, die verunsichert sind, weil sie mich noch nicht kennen. Jeder Wechsel bringt das mit sich. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass ich mit allen Zusammenarbeiten kann. Ich selber möchte es jedenfalls so.
Die knappe Wahl zeigt aber doch, dass Grenchen in zwei fast gleich grosse Lager gespalten ist, die sich gegenseitig misstrauen. Noch am Sonntagabend wurde die Befürchtung formuliert, jetzt komme die Kultur und der Sozialbereich unter die Räder ...
Das ist frei erfunden. Gerade der Bereich Kultur liegt mir sehr am Herzen. Die Befürchtung kann ich nicht nachvollziehen.
Das Spektrum der fünf bürgerlichen Parteien, die Sie unterstützt haben, ist breit. Können Sie allen Erwartungen dieser Parteien gerecht werden?
Welche Ansprüche? Auch wenn es im Wahlkampf immer wieder unterstellt wurde: es geht nicht darum, dass ich irgendwelche Parteiansprüche erfüllen muss. Es geht rein um eine Person, die konsensfähig ist und, die Leute fair behandelt. Ich habe nicht fünf Hüte sonder den einen, den von François Scheidegger.
Aber eine SVP wird doch verlangen, dass Sie die Sozialkosten herunterfahren oder eine Moschee bekämpfen?
Ich verspüre bisher nichts Derartiges. Ich werde mit allen bürgerlichen Parteien zusammenarbeiten, aber auch mit der SP. Dass ich das kann, habe ich bereits als Stadtschreiber bewiesen. Dort habe ich bisweilen mit der SP ein besseres Verhältnis gehabt als mit meiner eigenen Partei.
Dann können Sie die Messias-Erwartungen gewisser Kreise nicht erfüllen?
Wenn es nur um die Person geht, warum nicht? Es gibt sogar Leute, die haben gesagt, sie beten dafür, dass ich es schaffe und für meine Arbeit. Das rührt mich sehr. Ihnen und vielen anderen war es wirklich ein ganz starkes Anliegen, dass es zu einem Wechsel kommt. Ich stehe definitiv für diesen anderen Stil. Und ich sage immer wieder: Der Stadtpräsident ist zwar ein wichtiger Posten, der am Karren ziehen muss, der dafür schaut, dass die Verwaltung funktioniert, dass Beschlüsse umgesetzt werden usw. Und er muss die Stadt nach aussen vertreten und eine Vision haben. Er ist aber kein alleiniger Heilsbringer und darf deshalb nicht überschätzt werden. Letztlich entscheiden der Gemeinderat und das Volk.
Was machen Sie, um die bisweilen vermisste Nähe zur Bevölkerung herzustellen?
Ich werde die Sprechstunden des Stadtpräsidenten sicher weiterführen, aber auch die wichtigen Anlässe in der Stadt besuchen und das Gespräch mit den Einwohnerinnen und Einwohnern suchen. Dies ist auch bei den Vereinen möglich, die ich besuchen werde. Man wird mich überall antreffen in der Stadt. Ich möchte auch eine offene Tür haben und meine damit Transparenz. Ich möchte für alle Stadtpräsident sein. Nicht zuletzt will ich auch zu den Medien ein transparentes Verhältnis pflegen.
Wenn Sie aber Konzilianz suchen, warum stellen Sie ein paar Stunden nach Ihrer Wahl einen Artikel eines für seine Polemik bekannten Internetportals auf Ihre Facebook-Seite? Eines Portals notabene, das massgeblich an der Eskalation des Wahlkampfes beteiligt war?
Das werde ich überprüfen und allenfalls löschen. Ich habe meine Facebook-Seite nie selber betreut. Ich bin nicht der Facebook-Typ. Grundsätzlich bin ich aber schon der Meinung, dass jeder seine Meinung äussern darf. Für Transparenz eben.
Vereinzelte Bürgerliche haben Blut gerochen und wollen jetzt der SP auch noch das Vizepräsidium wegnehmen. Sogar der FDP-Präsident sagt, es sei noch nichts entschieden. Soll jetzt die stärkste Partei Grenchens noch ganz gedemütigt werden?
Mein persönlicher Wunsch ist, dass der Vize-Stadtpräsident aus der SP kommt. Das habe ich immer so gesagt. Das ist legitim und dient der Sache. Bei gewissen Geschäften und Auftritten kann es sogar dienlich sein, wenn sie von meinem SP-Stellvertreter wahrgenommen werden. Nicht zuletzt dient es einer Einbindung der SP in die Verantwortung. Ich gehe davon aus, dass die Bürgerlichen Rücksicht nehmen werden auf diesen Wunsch von mir, insbesondere nachdem die SP offenbar Urs Wirth vorschlagen dürfte. Mit ihm könnte ich sicher sehr gut zusammenarbeiten.
Was sind eigentlich Ihre Visionen für die Weiterentwicklung der Stadt?
Bei Visionen kommt es immer auf den Zeithorizont an. Sagen wir mal für die nächsten 20 Jahre wäre meine Vision eine prosperierende Stadt, die attraktiv und lebendig ist, die gute Einkaufsmöglichkeiten hat und, in der wichtige Dienstleistungen zu Fuss erreichbar sind. Eine Stadt auch mit vielen guten Arbeitsplätzen, auch im Dienstleistungssektor. Und nicht zuletzt mit einem attraktiven Steuerfuss. Grenchen kann auch noch wachsen und damit zusätzliches Steuersubstrat generieren.
Was gefällt Ihnen so an Grenchen?
Die Offenheit der Leute hat mir immer gefallen und hat mich schon zu meiner Zeit als Stadtschreiber beeindruckt. Ich wurde als Auswärtiger ohne Vorurteile gut aufgenommen. Und dann gefällt mir natürlich die gute Lage mit der attraktiven Wohnqualität, der Naherholung am Berg und in der Witi. Zudem hat Grenchen irgendwie den dörflichen Charakter behalten können.
Und was finden Sie selber an Grenchen mühsam?
Die ewigen Diskussion, die ausbrechen, wenn wir wieder einmal in irgendeiner Postille ein schlechtes Rating bekommen. Die Leute, die hier leben, sollten doch sehen, dass es nicht stimmt. Wenn wir ständig über unser Image diskutieren, schaden wir uns nur selber. Am besten wäre, gar nicht darauf einzugehen.