Startseite
Solothurn
Grenchen
Die Flugschule am Flughafen Grenchen darf wieder aktiv ausbilden. Erlaubt sind sowohl der Präsenzunterricht im Theoriesaal mit maximal fünf Teilnehmern als auch die Praxis in der Luft. Die Flugzeuge der European Flight Academy des Lufthansa-Konzerns bleiben weiterhin gegroundet.
Dieses Bild gab es zwei Monate lang nicht: Die Schulflugzeuge der Flugschule Grenchen stehen in der Morgenfrühe vor den Hangars. Die gelb-weissen Maschinen mit blauen Zierstreifen waren seit Mitte März zwar in der Luft, aber nur mit einem sehr reduzierten Flugbetrieb und mit ausgebildeten Piloten. Wie bei allen Ausbildungsstätten von der Universität bis zum Kindergarten und Autofahrschulen fand auch bei der Flugschule Grenchen kein praktischer Unterricht statt.
«Der Stillstand hat uns mitten in einem Kurs für Radiotelefonie erwischt», erinnert sich Willi Dysli, Leiter Flugausbildung bei der Flugschule Grenchen. «Wir haben dann sofort vom Präsenz- zum Fernunterricht gewechselt und das Portal Zoom für die Weiterführung des Kurses angewendet.» Im Anschluss sei ein ganzer Theoriekurs online durchgeführt worden. Gemäss Dysli hat man dafür ein kleines Studio eingerichtet sowie die Unterlagen und Präsentationen an die neue Art des Unterrichts angepasst. Für die Flugschule sei der Aufwand gross gewesen, aber für die Schüler kleiner, da sie nicht nach Grenchen reisen mussten.
Die European Flight Academy des Lufthansa-Konzerns, bei der unter anderem auch die Piloten für die Fluggesellschaft Swiss ausgebildet werden, hat einen ihrer wichtigsten Sitze in Grenchen. Mitte März mussten aufgrund des allgemeinen Coronastillstands auch die Schulflugzeuge der Academy am Boden bleiben. Wie Mediensprecher Dirk Sturny auf Anfrage mitteilte, bleibt die Ausbildung der Linienpilotinnen und -piloten an allen Standorten bis Ende August ausgesetzt. Man gehe davon aus, dass der Schulbetrieb im September wieder aufgenommen werden könne.
Davon ausgenommen ist die Klasse der Pilotenanwärter der Schweizer Luftwaffe, die bei der European Flight Academy den zivilen Teil ihrer Ausbildung absolviert und bereits früher in die Cockpits steigt. Die Klasse der Militärpiloten ist im Moment im Theorieunterricht und wird wie geplant die nächste Flugphase am 10. August in Grenchen beginnen. (pbg)
Nach dem bundesrätlich verordneten Stillstand blieben die Flugzeuge ein paar Tage am Boden. Es wurde ein Hygienekonzept ausgearbeitet, damit die Piloten zu Trainingszwecken zuerst wenigstens alleine fliegen konnten. In einer zweiten Phase durften Passagiere mitgenommen werden, die im gleichen Haushalt leben. Seit dem 11. Mai können wieder alle Personen mitfliegen.
Aber einfach einsteigen und starten geht in diesen Zeiten nicht. Die Piloten und Passagiere müssen vor dem Flug ein Formular ausfüllen, mit dem sie sich verpflichten, am Tracking teilzunehmen, sollten sie Symptome von Covid-19 feststellen. Ebenfalls ist das Cockpit vor und nach dem Flug zu desinfizieren. «Das alles klappt gut», bestätigt Willi Dysli, «die Piloten sind sich den Umgang mit Vorschriften und Formularen durchaus gewöhnt.»
Aber bei der Pilotenausbildung ging zwei Monate lang gar nichts mehr. Die Flugschule Grenchen musste beim Kanton Kurzarbeit anmelden, was «unkompliziert verlaufen» sei. Da die Einnahmen wegbrachen und die Kosten weiterliefen, erhielt die Flugschule Grenchen einen Überbrückungskredit. Damit konnte die finanzielle Liquidität erhalten werden, um die weiter anfallenden Ausgaben von BAZL-Gebühren, Versicherungen, Miete für Hangars und Büros sowie den Flugzeugunterhalt zu decken. Man ist sich bei der Flugschule aber bewusst, dass der Überbrückungskredit nur eine Erleichterung auf Zeit ist, da er zurückbezahlt werden muss.
Seit dem 11. Mai dürfen nun Flugschüler und Fluglehrer wieder zusammen unterwegs sein. Aber auch für diese Zusammenarbeit im engen Cockpit gelten strikte Hygieneregeln. Das direkte Sprechen gegeneinander wird vermieden, in der Luft wird über Kopfhörer und Mikrofon kommuniziert. In den Kursen wird darauf geachtet, dass es möglichst wenige Wechsel zwischen den Fluglehrern gibt. Beim Segelflug wurde im Schulungsdoppelsitzer zwischen dem vorderen und hinteren Cockpit eine Plexiglas-Scheibe eingebaut, um die Luftzirkulation zu vermindern. Schüler, die im Motorflug bei Instruktionsflügen auf den hinteren Sitzen mitfliegen, müssen eine Hygienemaske tragen.
Bald nimmt die Flugschule Grenchen auch wieder die Programme «Young Eagles» und «Air Cadets» zur Nachwuchsförderung auf. Damit ist es in den letzten drei Jahren gelungen, rund 30 junge Piloten unter 18 Jahre für die Luftfahrt zu gewinnen. Gemäss Willi Dysli soll auch dieses Jahr wieder rund einem Dutzend 13-jährigen Jugendlichen den fast kostenlosen Einstieg in den Segelflug ermöglicht werden, was nur dank grosszügiger Spende vieler Sponsoren möglich ist.
Die vergangenen Wochen waren zwar finanziell schwer zu tragen, boten der Flugschule Grenchen aber auch eine Chance. Nach der erzwungenen Einführung des Fernunterrichts sieht man nun darin ein grosses Potenzial für die Vermittlung der Theoriefächer.