Weil Skyguide wegen eines personellen Engpasses die Flugsicherung nicht mehr gewährleisten kann, ist ab Montag der Flugbetrieb eingeschränkt. Weder Instrumenten- noch Sichtflüge sind zu gewissen Zeiten erlaubt, sagt das Bundesamt für Zivilluftfahrt.
Seit vier Monaten läuft auf dem Regionalflughafen Grenchen ein Pilotprojekt, in dem es in bestimmten Randzeiten keinen Air Traffic Control (ATC) mehr gibt, also die Flugverkehrskontrolle durch Fluglotsen im Tower wegfällt. Stattdessen wurde eine sogenannte Radio Mandatory Zone (RMZ) eingerichtet. Wenn ein Pilot Grenchen anfliegt, muss er an einer vorbestimmten Meldestelle, beispielsweise über Aarwangen, über eine vorbestimmte Funkfrequenz die anderen Piloten im Luftraum über seine Position und Absichten informieren. Die Separierung, das Zuteilen einer Zone im Luftraum und die Einweisung durch Fluglotsen fällt in diesen Randzeiten – vor 8 Uhr morgens und nach 18 Uhr abends weg.
Instrumentenanflüge (IFR) auf einen Flugplatz waren in der Schweiz bislang nur mit Flugsicherung (ATC) erlaubt. In Grenchen wurde der einjährige Pilotversuch, Instrumentenanflüge auch ohne Flugsicherung durchzuführen, wie das im benachbarten Ausland und den USA längst gängige Praxis ist, im April dieses Jahres gestartet. Das Pilotprojekt wurde durch das Bundesamt für Zivilluftfahrt, Bazl, bewilligt und in Zusammenarbeit mit Skyguide entwickelt und durchgeführt.
Vor einiger Zeit erhielten die Piloten nun ein Schreiben, in dem über eine Ausweitung in zwei Stufen informiert wurde. «Mangels Ressourcen bei der Flugsicherung ist geplant, die Zeiten für Grenchen ohne ATC (also ohne Flugverkehrskontrolle, Anm. der Red.) in zwei Stufen zu verlängern.» Bereits seit Anfang August war der Tower Samstag- und Sonntagmorgen zwischen 8 Uhr und 10 Uhr nicht besetzt.
Ab kommenden Montag, 28. August, ist die Flugverkehrskontrolle täglich, also auch am Wochenende, nur noch von 9 Uhr bis 12.15 Uhr und von 13.45 Uhr bis 17 Uhr im Einsatz. Der Pilotversuch, der nun schon seit vier Monaten erfolgreich läuft, sollte entsprechend ausgeweitet werden. Nichts Kompliziertes, sollte man meinen. Aber es hiess eben auch in dem Schreiben: «Dies gilt unter Vorbehalt einer Zusage der im Projekt beteiligten Regulationsbehörden». Damit ist das Bazl gemeint. Und dieses hat nun seine Zustimmung zur Ausweitung aus juristischen Gründen vorerst verweigert.
Am Freitagabend verschickte der Flughafen folgende Mitteilung an seine Kunden:
«Die Regionalflugplatz Jura-Grenchen AG ist leider gezwungen, Ihnen die folgende Änderung der Betriebszeiten mitzuteilen. Skyguide ist ab Montag 28. August nicht in der Lage, die Flugsicherungsleistungen im vereinbarten Umfang abzudecken.
Zur Gewährleistung des VFR- und IFR-Betriebs benötigt die RFP AG eine Bewilligung des BAZL zur Anpassung der kürzlich angekündigten Betriebsartenzeiten CTR / RMZ. Diese Bewilligung liegt zur Zeit noch nicht vor. Die geplante Anpassung kann am Montag 28.08. nicht implementiert werden.
Die militärischen und zivilen Flugsicherungsdienste der Schweiz wurden 2001 in einer einzigen Instanz vereint, die den gesamten schweizerischen Luftraum kontrolliert, die Skyguide. 2009 trat die Teilrevision des Bundesgesetzes über die Luftfahrt in Kraft, in welchem unter anderem die Gebühren für die Flugsicherung nach dem Prinzip der Kostendeckung neu geregelt wurden und die Quersubventionierungen zuliess. Die grossen internationalen Flughäfen Genf und Zürich finanzierten so einen Teil der Regionalflughäfen, die ihnen noch heute den wenig lukrativen «aviatischen Überlauf» abnehmen, beispielsweise fast die ganze Ausbildung künftiger Linienpiloten. Dieser Ausgleich wurde 2013 wieder gestoppt. Grund war eine neue Regelung der EASA, der europäischen Agentur für Flugsicherheit, der auch die Schweiz angehört. Flughäfen in Osteuropa hatten für den Überflug über ihre Kontrollzone von den Operators, den Fluggesellschaften, horrende Gebühren verlangt und so ihre Infrastruktur am Boden finanziert. Dem setzte die EASA ein Ende. Die Schweiz, die die europäischen Regelungen eins zu eins übernimmt, verschärfte diese Regelung sogar und verpasste es, die Ausnahmeregelung der EU für kleine Regionalflugplätze (zu denen alle Schweizer Regionalflughäfen gehören würden) zu übernehmen. Ein neues Konzept der Finanzierung der Flugsicherung hob die bestehende Quersubventionierung zwischen Landesflughäfen und anderen Flugplätzen auf und teilte diese nach flugsicherungstechnischen Grundsätzen in Kategorien ein. Die Kosten prognostizierte Skyguide damals auf 28 Millionen Franken. Stattdessen wurden 35 Millionen daraus. Dadurch fehlen den Regionalflughäfen seit 2013 rund 7 Millionen jährlich.
Regionalflughäfen sind benachteiligt
Während beispielsweise – vereinfacht ausgedrückt – in Zürich ein Operator wie Swiss für jeden Flug vom Flughafen eine Rechnung für die Lande- und Startgebühr erhält, und eine weitere direkt von Skyguide für die Flugsicherung, werden die Kosten für Flugsicherung den Regionalflughäfen pauschal aufgebrummt. «Dies widerspricht dem Verursacherprinzip, denn Bezüger der Flugsicherung ist der Operator und nicht der Flugplatz», so Conrad Stampfli, Verwaltungsrat des Flughafens Grenchen.
Die Kosten werden nach einem Schlüssel abhängig von den erhobenen Flugbewegungen verteilt. 25% aller Flugbewegungen – ohne die auf Landesflughäfen – fallen auf den Flugplätzen Kat II, also denjenigen mit Flugsicherung an. 75% auf den übrigen Flugplätzen und Flugfeldern. Die Kosten werden aber zu 100% Prozent auf die Flugplätze Kat. II überwälzt. Zu dieser Kategorie gehört auch Grenchen. Grenchen bezahlt aufgrund seiner Flugbewegungen 29% der generellen Flugsicherung aller Regionalflughäfen und Flugfelder, obwohl gerade einmal 7% der Flugbewegungen hier stattfinden. Das sind jährlich 2,9 Mio. Fr. von insgesamt 10,7 Mio. Fr. Dazu kommt, dass jeder Liter Treibstoff in Grenchen oder auf den anderen Regionalflughäfen mit einem Zollzuschlag von 73 Rappen belastet ist, im Gegensatz zu den internationalen Airports, die zollbefreit sind. (om)
Doch was für Ressourcen fehlen? Die Flugverkehrskontrolle wird in der Schweiz durch Skyguide sichergestellt, die eine Monopolstellung innehat – auch in Grenchen seit 2007. Für diese Dienstleistung stellt sie dem Flughafen Rechnung. In Grenchen war Skyguide im Hinblick auf die künftige Entwicklung bereits daran, den Betrieb längerfristig anzupassen.
Geplant war eine Reduktion der sieben Mitarbeitenden von Skyguide um zwei Stellen auf fünf Fluglotsen. Der Flughafen würde eine effizientere Dienstleistung von Skyguide beziehen. Durch interne Versetzung und den Wechsel gleich von zwei Fluglotsen des Towers Grenchen in die Privatwirtschaft kommt es nun zu einem personellen Engpass. Mögliche Ersatzleute müssen gemäss Vorschrift zuerst sechs Monate lang im Tower Grenchen arbeiten, bevor sie die Zertifizierung für Grenchen erhalten. Alles erfordert Zeit. Zeit, die man nicht hat.
Damit entsteht dem Flughafen Grenchen aber ein erheblicher organisatorischer Aufwand. Denn es ist keineswegs so, dass in den Zeiten ohne Flugsicherung keiner da ist, der aufpasst. Flughafendirektor Ernest Oggier hatte seit Beginn des Pilotprojektes sogenannte Flughafen-Assistenten im Einsatz. Sechs Piloten mit Lizenz, welche die Fliegersprache verstehen und sprechen und den Betrieb auf dem Flughafen überwachen. Sie hören immer am Funk mit und verfolgen das Geschehen am Himmel.
Dazu überwachen sie auch den Betrieb am Boden, können in einer Notsituation Alarm auslösen und so weiter. Dazu erstellen sie die Wetterdaten auf dem ATIS (Automatic Terminal Information Service), eine ständig aktualisierte Information, die von allen Piloten auf einem separaten Funkkanal abgerufen werden muss. Durch die Ausweitung der Zeiten ohne Fluglotsen im Tower musste der Flughafen acht zusätzliche Personen ausbilden, um rechtzeitig per Anfang nächster Woche das neue Regime umsetzen zu können. Doch daraus wird nun vorerst nichts.
Denn, wie gesagt hat das Bazl seine Zustimmung aus juristischen Gründen vorerst verweigert. Als Regulationsbehörde müsse sich das Bundesamt an die im Gesuch zum Pilotversuch beschriebenen Bedingungen halten, erklärt Oggier noch gestern. Da der Flughafen jetzt ein neues Gesuch gestellt habe, müsste zwingend wiederum eine weltweite Publikation erfolgen, ein Verfahren, das rund drei Monate bräuchte. Das Grenchner Kernteam – bestehend aus VR-Präsident Erich Blösch, VR Conrad Stampfli und Flughafendirektor Ernest Oggier – reiste am Freitag für entsprechende Verhandlungen nach Zürich, um doch noch zu einer vernünftigen Lösung zu kommen, allerdings vergebens.
Man wollte sich darauf einigen, dass nur die Zeiten im ursprünglichen Gesuch geändert werden, dann würde eine generelle Meldung über NOTAM (Notice to Airmen) genügen. Das Bazl erteilt in den oben genannten Zeiten aber keine Bewilligung, weder für An- oder Abflüge im Sichtflug VFR noch Instrumentenflug IFR. Der Flughafen Grenchen, der eigentlich von 6 Uhr morgens bis etwa 21 Uhr abends geöffnet sein müsste, wird nun morgens und abends je eine Stunde und über Mittag eineinhalb Stunden komplett geschlossen - ohne dass dies im Einflussbereich des Flughafens wäre, wie Stampfli sagt. «Einzige Abhilfe, um solche Situationen künftig zu verhindern, wäre, die An- und Abflugsicherung in die Kompetenz der Flugplätze zurückzugeben. Eine Liberalisierung, die längst überfällig ist und von den betroffenen Flugplätzen politisch gefordert wird».