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Rund 20'000 Stück der Drohnen wurden alleine im letzten Jahr verkauft – und damit entsteht eine immer grössere Gefahr für die bemannte Luftfahrt, sagt der Chef des Flughafens Grenchen Ernest Oggier.
Noch vor Jahresfrist eher selten und nur ab und zu am Himmel zu sehen, gab es auf Ende letzten Jahres einen regelrechten Boom für Drohnen: Etliche Anbieter wie GoPro, der Hersteller von Action-Kameras, Parrot mit eher kleineren Modellen und DJI, den man als Branchenleader im Hobbysegment bezeichnen kann, warfen neue und noch leistungsfähigere Modelle auf den Markt. Man muss also damit rechnen, dass im Frühling und Sommer schon wesentlich mehr Drohnen zu sehen sein werden als bisher. Das freut längst nicht alle, und einer schaut dieser Entwicklung besonders skeptisch entgegen: Ernest Oggier, Direktor des Regionalflughafens Grenchen – doch dazu später.
Es gibt schon heute eine gültige Gesetzgebung, die sich mit dem Thema auseinandersetzt, sie ist in der Verordnung des Uvek über Luftfahrzeuge besonderer Kategorien aufgeführt und betrifft Luftfahrzeuge zwischen 500 Gramm und 30 Kilogramm. Drohnen oder Modellflugzeuge unter 500 Gramm Gesamtgewicht werden als Spielzeug eingestuft und wurden bisher von Einschränkungen ausgenommen. In Artikel 17 der Verordnung steht: Wer ein Modellflugzeug bis 30 Kilogramm betreibt, muss stets direkten Augenkontakt zum Luftfahrzeug halten.
Der Betrieb von Modellflugzeugen mit einem Gewicht zwischen 500 Gramm und 30 Kilogramm ist in einem Abstand von weniger als 5 Kilometern von den Pisten eines zivilen oder militärischen Flugplatzes untersagt. Er ist auch in Kontrollzonen (CTR) untersagt – Anflug- und Wegflugzone ausserhalb des 5-Kilometer-Radius –, sofern eine Höhe von 150 Metern über Grund überstiegen wird. Das Bazl (Bundesamt für Zivilluftfahrt) kann eine Ausnahmebewilligung im ersten Fall erteilen, also das Fliegen ohne Sichtkontakt, der Flughafendirektor im zweiten Punkt, was den Radius der Flugverbotszone betrifft.
Das gesamte Gemeindegebiet von Grenchen inklusive Grenchenberge, Wandfluh, Selzach – im Süden der Bucheggberg bis Bibern sind also absolute No-Go-Zone für Drohnen oder Modellflugzeuge – mit Ausnahme der Plätze der Modellfluggruppen, wie Grenchen direkt nördlich des Flughafens, wo bis 150 Meter Höhe geflogen werden darf. Die Kontrollzone reicht im Osten bis nach Solothurn knapp vor Langendorf und Biberist und Safnern im Westen (siehe Karte). Pieterlen beispielsweise liegt knapp ausserhalb.
Kurz vor Weihnachten publizierte das Bazl ausserdem eine schweizweite Karte mit Flugverbotszonen für Drohnen oder andere Modellflugzeuge, die auf dem Internet zu finden ist. Dort sind die 5-Kilometer-Radien für alle Flugplätze eingezeichnet.
Wenn es nach Flughafendirektor Oggier ginge, sollte man den Radius auf 20 Kilometer erweitern. Auf den Einwand, das mache ja nie und nimmer einen Sinn, nicht mal die Vögel hielten sich an diese Karte, meint er trocken: «Ein Vogel wiegt aber auch nicht 500 Gramm, es kommt ja nicht immer ein Storch daher. Denn selbst einen solch grossen Vogel ‹verdaut› ein Triebwerk wesentlich besser als ein über 500 Gramm schweres Teil aus Hartkunststoff und Metall.»
Dazu komme, dass sich die Gesetzgebung an der Modellfliegerei von vor 20 Jahren orientiert habe. Die heutigen Drohnen seien aber wesentlich leistungsfähiger: «Theoretisch kann eine solche Drohne 10 Kilometer oder mehr fliegen. Natürlich kehrt sie zurück, wenn alles so funktioniert, wie es sollte. Aber wenn sie eben nicht so funktioniert, fliegt sie, bis die Akkus leer sind. Unkontrolliert.»
Wenn ein solches Gerät von 1,5 bis 3 kg Gewicht auf ein Flugzeug treffe, dann werde es zum Geschoss, welches ein Cockpit durchschlagen könne und im schlimmsten Fall den Piloten töte. «Dann kommt der Flieger unweigerlich runter.» Werde ein Triebwerk getroffen, sei die Chance eines Totalausfalls sehr gross. «Ein Vogel geht in der Regel zermanscht durch. Aber Metall auf Metall, das gibt mit Garantie einen Triebwerkabsteller. Und dann fliegen die Flugzeuge ganz einfach nicht mehr weit.»
Oggier sieht aber nicht nur die negativen Aspekte: «Es gibt sehr sinnvolle Anwendungen für Drohnen, seien es unglaublich gute Luftaufnahmen, Schädlingsbekämpfung aus der Luft, wie zum Beispiel das Ausbringen von Schlupfwespen.» Vermessungen von Baugruben dauerten von Hand Wochen, mit einer Drohne mit einem Durchflug und 3-D-Kamera nur wenige Stunden.
Oder in der Landwirtschaft die Rehkitzbeobachtung, bevor der Mähdrescher losfahre. «Sinnvoll wären auch in Bergregionen Suchaktionen mit Drohnen, weil man so bei schlechter Sicht beispielsweise das Risiko für Helipiloten minimiert, wenn man zuerst einmal mit der Drohne rekognoszieren kann, was über dem Nebel zu sehen ist.»
Vor rund zwei Jahren wurde der Schweizerische Verband ziviler Drohnen SVZD gegründet. Man wollte Lösungen für die Zukunft finden, denn in der Schweiz sei es leider üblich, alles Neue erst einmal zu verbieten oder nicht zuzulassen. Aber es gab Krach innerhalb des Verbands, eine Spaltung, und der Verband, bei dem auch der Flughafen Grenchen institutionelles Mitglied ist, dümpelt seither vor sich hin. «Wir hatten sogar ein gemeinsames Projekt: Wir hatten vor, den Flughafen an einem Wochenende zeitweise zu sperren und Drohnenpiloten einzuladen. Mit der Idee, Drohnen zu testen, integriert in den manntragenden Luftverkehr», sagt Oggier. Leider wurde daraus bis jetzt nichts.
Das Bazl sei daran, einen Zulassungskatalog zu entwickeln, beispielsweise für das Fliegen mit einer Brille ‹out of sight›, also ohne direkten Sichtkontakt. Auch die Zulassung von Drohnen sei Thema: Es gebe ein 60-seitiges Dokument namens «Gallo» mit einem Fragekatalog bezüglich technischer Ausstattung der Drohne, ob doppelte Stromversorgung, doppelte GPS-Empfänger und andere redundante Systeme vorhanden sind, eine Brandbekämpfungsanlage eingebaut ist etc.
Für Personen, die sich nicht selber mit Bau und Entwicklung von Drohnen befassen, sei dieses Dokument untauglich und eine Stufe zu hoch, so Oggier. Die Idee beim Bazl gehe dahin, dass ein Drohnenpilot, der sich zertifizieren lassen will, beinahe die Hälfte eines Privatpilotenbrevets absolvieren muss, die Theorie der Zivilen Luftfahrt abschliesst und eine Funklizenz erwirbt. Aber, die wenigsten Drohnenpiloten erfüllten die geforderten Bazl-Anforderungen. Und wohl auch die wenigsten der verkauften Drohnen verfügen über redundante Systeme und würden folglich kaum zugelassen.
Auf Bundesebene ist man offenbar daran, eine schweizweit gültige Regelung zur Zulassung von Drohnen oder eventuell einer Pflicht zur Anbringung von Chips und Transpondern auszuarbeiten, wie diversen Medienberichten zu entnehmen war. Die Chips würden die Drohnen eindeutig einem Besitzer zuordnen, die Transponder ermöglichen die Erfassung der Drohne durch das Radar der Luftüberwachung Skyguide. Laut Oggier sehe es ganz danach aus, dass das Bazl die Kontrolle über Flüge etc. an Skyguide übertragen möchte. Skyguide Bern beispielsweise hat jedoch das Fliegen von Drohnen über der Stadt Bern komplett untersagt, weil das Risiko mit den Überflügen von Passagiermaschinen mit 50 oder mehr Passagieren an Bord einfach zu gross sei.
Grenchen sei aber nicht Bern, sagt der Flughafenchef. Es gebe andere, vernünftigere Lösungen: Heute gehe es nur über eine sinnvolle Risikoabschätzung. Wolle also im Raum Grenchen jemand mit seiner Drohne fliegen, biete der Flughafen Hand: «Wir setzen uns an einen Tisch und machen ein Safety Assessment. Der Pilot sagt mir, was für eine Drohne er hat, wie sie programmiert ist, was sie kann, wie sie fliegt, wie gut und wie lange schon er selber fliegt. Er zeigt mir seine Datensammlung, was genau sein Auftrag ist, wie zum Beispiel Aussenaufnahmen von Firmen oder einem Baugelände.» Danach gehe man gemeinsam zum Vorfliegen der Drohne über: Hat sie ein Coming-home-Programm, also kommt sie von selber zurück, wenn die Steuerung versagt? Der Pilot demonstriert all seine Fähigkeiten. «Damit haben wir rund 80% des Risikos für den Extremfall abgedeckt. Was jetzt noch kommt, ist der Totalausfall der Elektronik, aber die Motoren laufen weiter. Dann würde die Drohne eben unkontrolliert irgendwo hinfliegen», so Oggier. Aber auch hier gebe es eine Lösung: «Den ersten Einsatz begleite ich und koordiniere das mit den Controllern im Tower über Funk.» Sollte die Drohne während dieses Einsatzes etwas machen, das ungewollt sei und man verliere die Kontrolle, könne er den Luftraum über Grenchen kurzzeitig sperren lassen. «Das gibt mir 99,8% Sicherheit, dass kein letaler Unfall passiert.» Ein Ersteinsatz würde 500 Franken kosten. Für weitere Einsätze würde der Airport einen Unkostenbeitrag von 200 Franken berechnen. «Als Betreiber des Flughafens bin ich verpflichtet, meine Luftfahrzeuge schützen.» Und wer sich nicht an die Gesetzgebung halte, der mache früher oder später Bekanntschaft mit der Kantonspolizei.
Aber auch sonst gebe es Möglichkeiten für risikoarme Drohneneinsätze: Für stationäre Aufnahmen in geringer Höhe gebe es einfache Mittel, wie zum Beispiel das Befestigen von Fischerschnur am Fluggerät, sodass es nicht «abhauen» könne. «Die Mitglieder vom TV Grenchen haben beim letztjährigen Turnfest erfolgreich so Aufnahmen aus 30 Meter Höhe realisiert.»
«Die Spielregeln sind klar», sagt Oggier. «Innerhalb der 5 km Flughafenzone geht es nur über Kommunikation mit dem Airport.» (om)