Sunnepark
«Feueralarm! Alle müssen raus! Sofort!» – Wenn der Ernstfall geprobt wird

Im Rahmen ihres WKs führte die Spital Stabskompanie 66 im Grenchner Sunnepark eine Evakuationsübung durch. Angenommen wurde ein plötzlicher Feueralarm, auf den das Militärpersonal angemessen und richtig reagieren musste.

Oliver Menge
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Evakuierung Sunnepark
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Bewohnerinnen und Bewohner werden evakuiert und zur Treppe gebracht.
Bewohnerinnen und Bewohner werden evakuiert und zur Treppe gebracht.
Wer kann, steigt selber die Treppe hinunter
Eine Klasse auf dem gleichen Stockwerk wird evakuiert
Eine Klasse auf dem gleichen Stockwerk wird evakuiert.
Einsatzbesprechung
Bewohnerinnen und Bewohner werden evakuiert und zur Treppe gebracht
Bewohnerinnen und Bewohner werden evakuiert und zur Treppe gebracht.
Dieser Mitarbeiterin geht es nicht besonders gut - was sich aber am Schluss als simuliert herausstellt.
Die beiden Soldaten versuchen sie vergeblich auf die Beine zu bringen.
Peter Bachmann, 87, wird per Matratzenrutsche hinuntergebracht und dort erstversorgt.
Er hatte Spass, sagt er im Anschluss
Dieser Mann wurde von den Soldaten runtergetragen.
Soldaten bei der Brandbekämpfung
Mit der Hand wird geprüft, ob die Türe warm ist.
Der Brandherd wurde gefunden und gelöscht.
Alfio Finochiaro, Battalionskommandant.
Sammelplatz
Nach Kaffee und Kuchen kehren die Bewohner wieder zurück.

Evakuierung Sunnepark

Oliver Menge

Es ist kurz nach neun, Mittwochmorgen. Auf dem Stock F im Sunnepark verläuft alles in ruhigen Bahnen. Die Bewohnerinnen und Bewohner haben ihr Frühstück bereits genossen und sind wieder auf ihren Zimmern oder im Aufenthaltsraum. Einige bereiten sich vor, von Verwandten oder Bekannten abgeholt zu werden.

Das Pflegepersonal hilft ihnen dabei. Aussergewöhnlich nur, dass nebst den Pflegerinnen und Fachfrauen auch junge Männer mit anpacken, in gelben T-Shirts und Kämpferhosen. Es sind Soldaten des Spitalbattaillons 66, genauer der Stabskompanie des Battaillons, die hier für ein paar Tage im Einsatz sind.

Arbeiten für zivile Institutionen

Spitalsoldaten des Spitalbatallions 66 sind momentan an diversen Orten in der Region im Einsatz. Einen Teil der zweiten Woche ihres WK’s absolvieren 20 Soldaten der Stabskompanie im Sunnepark Grenchen, leisten Pflegedienst und Einsätze im technischen Bereich, wie Hygiene, Reinigung, Feuerwehrdienst und anderes.

In Egerkingen, Oensingen und Biberist sind Soldaten der zweiten Kompanie im Einsatz, die in erster Linie aus Pflegern besteht. «Wir unterstützen die zivilen Kräfte. Unser Leitspruch ist helfen, pflegen, schützen, retten», erklärt Oberstleutnant Alfio Finochiaro, der Battalionskommandant.

«Wenn die zivilen Mittel nicht mehr reichen oder ausgeschöpft sind, haben wir als Reserve des Bundes die Möglichkeit und die Mittel für Evakuierungen, Brandschutz und Brandbekämpfung sowie die Errichtung von Zentren, wo Verletzte gepflegt werden». Fast alle der unterirdischen Militärspitäler wurden aufgehoben oder haben einen neuen Zweck – in einem solchen wurde in Grenchen das Durchgangsheim für Asylbewerber eingerichtet.

Es gebe nur noch ein voll funktionsfähiges Militärspital in Einsiedeln. «Ansonsten sind wir da für die personelle Unterstützung bestehender Institutionen, oder entlasten diese durch die Schaffung neuer Pflegezentren in Hallen oder Mehrzweckgebäuden, damit in einem Katastrophenfall mehr Betten in regulären Spitälern zur Verfügung
stehen.» (om)

Oberstleutnant Alfio Finochiaro, Battaillonskommandant und stellvertretender Chef Truppenbelange Sanität bei der Logistikbasis der Armee, steht ebenfalls auf der Abteilung und wartet gespannt. Denn heute ist eine Evakuierungsübung angesetzt. Und nur wenige Personen sind eingeweiht.

«Äs brönnt!»

Ein durchdringender Ton durchschneidet die Stille im Heim, man versteht sein eigenes Wort kaum: Feueralarm! Brandschutztüren schliessen sich automatisch. Die Pflegerinnen und Soldaten kommen unheimlich schnell in die Gänge. Die 15 Heimbewohner dieser Abteilung, ausnahmslos auf Gehhilfen oder Rollstühle angewiesen, werden aus ihren Zimmern geholt und zum Treppenhaus gebracht.

Auf der anderen Seite des Stockwerks holen einige der Pflegefachfrauen, die jede Tür öffnen, um zu kontrollieren, ob nicht jemand vergessen wurde, Schülerinnen einer Klasse aus ihrem Schulzimmer. Sie haben den Alarm, der nur in Teilen des Gebäudes ausgelöst wurde, nicht gehört. «Das ist sicher nur eine Übung», meint eine der jungen Damen mit Blick auf den Reporter, der die davoneilende Gruppe ablichtet. Rasch verlassen sie das Gebäude übers Treppenhaus, denn die Lifte sind ausser Betrieb.

Eine Mitarbeiterin ist mitten im Gang von Stock F zusammengebrochen, einer der Soldaten und Kommandant Finochiaro konnten sie grade noch rechtzeitig auffangen, bevor sie unsanft auf den Boden schlug, und haben sie abgelegt. Sie ruft um Hilfe und ist völlig aus dem Häuschen, ein Nervenzusammenbruch.

Was ihr tatsächlich fehlt, kann nicht eruiert werden, denn auch die Beteuerungen, dass es nichts Ernstes sei, dass hier nur eine Übung stattfinde, helfen nicht. Sie ringt um Atem, hat kalten Schweiss auf der Stirn. Mehrere Pflegerinnen kümmern sich um sie, versuchen, sie wieder auf die Beine zu stellen.

Erst, als ihr eine Kollegin Minuten später eine sehr reale Spritze geben will, gibt sich Hauswirtschaftsmitarbeiterin Muvedete Celikovic, an der offenbar eine grandiose Bühnendarstellerin verloren ging, verschmitzt als eingeweihte «Simulantin» zu erkennen.

Die Lifte laufen nicht bei Brand

Dann beginnt der knifflige Teil: Die Bewohnerinnen und Bewohner müssen ebenfalls aus dem Gebäude ins Freie geschafft werden. Die meisten können mithilfe der Soldaten und des Personals die Stufen der zwei Stockwerke selber bewältigen.

Peter Bachmann, 87-jährig, wäre dazu auch in der Lage, aber jetzt «spielt» er jemanden, der nicht mehr laufen kann, mit Brandverletzungen an den Beinen. Der ältere Herr wird auf eine Matratze gelegt, zum Treppenhaus geschleift und vorsichtig die Treppe runtergerutscht.

Es braucht die vereinten Kräfte zweier Soldaten und sechs Pflegefachfrauen, um das gefahrlos zu bewerkstelligen. Denn schliesslich handelt es sich «nur» um eine Übung, bei der man ein echtes Verletzungsrisiko ausschliessen will.

In der Zwischenzeit sind mit Atemschutz und Feuerwehr-Schutzanzügen ausgerüstete Soldaten eingetroffen und durchsuchen das leere Stockwerk. Im hintersten Zimmer finden sie schliesslich den «Brandherd» und können das supponierte Feuer löschen.

Die Technik-Spezialisten der Stabskompanie helfen mit, einen weiteren älteren Herrn auf einer Matratze nach draussen zu bringen, wo er von einem Detachement von Sanitätssoldaten empfangen und erstversorgt wird. Draussen auf dem Vorplatz vor dem Sunnepark haben die Soldaten einige Tische und Stühle aufgestellt und servieren den «unverletzten» evakuierten Heimbewohnern Kaffee und Kuchen, quasi als Dankeschön für die gute Zusammenarbeit.

Knapp 40 Minuten später ist die Übung erfolgreich beendet: Alle Bewohnerinnen und Bewohner konnten evakuiert werden. Niemand wurde vergessen und das Personal stellte unter Beweis, dass es auch unter schwierigen Umständen ruhig bleibt und zu Höchstleistungen fähig ist.

«Wir wussten zwar schon, dass irgendwann einmal eine Übung stattfindet, aber wir wussten nicht wann und wo», sagt eine der Pflegerinnen später in der Pause. «Das hat uns ganz schön geschlaucht, aber es war auch sehr hilfreich, so eine Situation nicht bloss in der Theorie durchzuspielen, sondern einigermassen real zu erleben und zu bewältigen», sagt Livia Kamer, Fachfrau Gesundheit.

Positives Echo

Auch für die Bewohnerinnen und Bewohner sei das eine hilfreiche Sache gewesen, meint eine andere Pflegerin. Die rund 15 Seniorinnen und Senioren hätten vollstes Vertrauen in die Pflegefachfrauen und die Soldaten gehabt und sich bei ihnen eingehängt.

«Das war auch ein schönes Erlebnis». Und Hauptmann Arnaud Bidlingmeyer, der Kommandant der Stabskompanie, ist sehr zufrieden mit seinen Mannen: «Sie haben sehr engagiert und konzentriert gearbeitet.

Das freut mich und man sieht, dass solche Einsätze, bei denen sie reell mit Menschen arbeiten können, für eine gute Motivation sorgen.»