1. Mai in Grenchen
Festredner nutzen Tag der Arbeit für Wahlkampf

In Grenchen gingen die Redner des 1. Mai auf den Wahlkampf ums Stadtpräsidium ein. Sie ergriffen dabei eindeutig Position. Zwischenfälle gab es in der Uhrenstadt keine.

Christoph Neuenschwander
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1. Mai Umzug in Grenchen
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1. Mai Umzug in Grenchen

Christoph Neuenschwander

Mit wehenden roten Fahnen zogen die fast 100 Maidemonstranten durch Grenchen - bei bestem Wetter, gut gelaunt und friedlich. Ein 1. Mai, wie er im Bilderbuch steht, eigentlich. Vorbei an den neugierigen Augen fotografierender Grenchner führten Sozialdemokraten und Gewerkschaft den Umzug zur alten Turnhalle, wo in Ansprachen traditionsbewusst nach Lohngleichheit und einer fairen Gesellschaft verlangt wurde.

Und dennoch war der Tag der Arbeit in Grenchen etwas anders als sonst. Zu den oben genannten Kernthemen des 1. Mais gesellte sich nämlich in allen Reden ein weiteres, nicht minder brisantes Thema: die Wiederwahl von Stadtpräsident Boris Banga. Schliesslich geht es bei den Wahlen vom 9. Juni um nichts Geringeres als die Frage, ob die Stadt auch weiterhin ein linkes Oberhaupt hat oder nicht.

«Bürgerliche ohne Inhalte»

«Unser Mann heisst Boris Banga», hielt etwa Claudio Marrari, Leiter der Unia Grenchen-Lengnau, fest. «Ein Mann, der sich seit Jahrzehnten für diese Stadt, für die Anliegen der Büezer, für sichere Arbeitsplätze und gute Wohnverhältnisse einsetzt.» Den Fokus der 1.-Mai-Feier auf den SP-Stapi zu legen, kann wohl als Antwort auf den bürgerlichen Wahlkampf gedeutet werden: Dieser nehme nicht Bangas Politik, sondern seine Person ins Visier, sagte Marrari. «Die Bürgerlichen sprechen davon, dass es Zeit für einen Wechsel sei, aber sie bringen absolut keine Inhalte.»

Angela Kummer, Museumsleiterin und neue SP-Gemeinderätin, forderte in ihrer Rede die Anwesenden dazu auf, Farbe zu bekennen. Im kommenden Wahlkampf sei es besonders wichtig, den Stadtpräsidenten zu unterstützen. «Viele Menschen interessieren sich nicht für Politik, gehen nicht wählen, weil sie glauben, dass ihre Stimme nichts bewirkt.» Dabei gelte es, die Errungenschaften des Sozialstaats zu verteidigen und existierende Ungerechtigkeiten zu bekämpfen.

Ein Stapi mit vielen Verdiensten

Auch Boris Banga selbst bewies in der alten Turnhalle Kampfgeist und machte deutlich, weshalb man ihn wählen solle. «Ich betreibe immer Sachpolitik. Aber über die soll oder darf anscheinend nicht geredet werden, deshalb mache ich es hier», sagte der Stadtpräsident, bevor er auf eine Reihe von Errungenschaften einging. Er habe zu guten Schulen beigetragen, zu mehr Lehrstellen, zur Attraktivität Grenchens als Industrie und Gewerbestandort, zu mehr Sicherheit, zu einem boomenden Wohnungsbau und zu mehr Chancengleichheit.

«Vor Euch steht ein zufriedener Stapi», versicherte er. Mit der bevorstehenden Eröffnung des Velodromes und derzeitigen wirtschaftlichen Entwicklungen habe er Grund dazu. Aber er wolle «Begonnenes zu Ende führen» und weiterhin die Entwicklung der Stadt gestalten. Seine Gegner hingegen hätten keine Resultate vorzuweisen. Mit ihnen kaufe man die Katze im Sack.

Ein gesellschaftlicher Klimawandel

Wer vom 1. Mai noch nicht genug hatte, pilgerte gegen 17 in die Aula in Lengnau, wo die Unia-Sektion einen zweiten Anlass organisierte. SP-Nationalrätin Nadine Masshardt ging hier auf den gesellschaftlichen «Klimawandel» ein, der in der Schweiz spürbar sei. «Die Unzufriedenheit wächst», sagte sie. «Das Unverständnis gegenüber massiven Lohnunterschieden, aber auch gegenüber der wachsenden Zersiedelung steigt.» Das habe die Abstimmung vom 3. März bewiesen. «Der 1. Mai ist ein Tag, an dem wir die Entwicklungen unserer Zeit kritisch betrachten und uns fragen, was anders sein müsste.»

Darüber war man sich, bei aller Stadtpolitik, auch in Grenchen einig. «Wir müssen uns fragen, in welcher Gesellschaft wir leben und in welcher Gesellschaft wir leben wollen», so Claudio Marrari. «Fest steht, dass wir über die Mittel verfügen, um in der besten Gesellschaft zu leben.»