Grenchen
Feierabend-Talk «Ganz unger üs» mit zwei aussergewöhnlichen Gästen

Die beiden Gastgeber Dagobert Cahannes und Kurt "Moos" Gilomen des Feierabend-Talk «Ganz unger üs» empfingen den Musikpromoter Rolf Schlup und das Grenchner Polit- und Fasnachtsurgestein Urs Wirth, Leiter der Heilpädagogischen Sonderschule Grenchen.

Oliver Menge
Drucken
"Ganz unger üs" mit Kurt Gilomen, Rolf Schlup, Urs Wirth und Dagobert Cahannes

"Ganz unger üs" mit Kurt Gilomen, Rolf Schlup, Urs Wirth und Dagobert Cahannes

Grenchner Tagblatt

Die beiden Gäste im Feierabendtalk hätten unterschiedlicher nicht sein können: Zum einen der Musikpromoter Rolf Schlup, der seit Jahrzehnten im Hintergrund der Schweizer Musikindustrie die Fäden zieht, zum anderen Urs Wirth, Grenchner Urgestein, den man keinem Grenchner mehr vorstellen muss: Schulleiter der Heilpädagogischen Schule, ehemaliger Grenchner Gemeinderat, Kantonsrat und langjähriger Vizestadtpräsident und begeisterter Fasnächtler, der sogar im «Feindesland», in Solothurn, mit seinen träfen Sprüchen Eindruck zu machen wusste. Doch davon später.

Das Musikbusiness von der Pike auf erlernt

Gastgeber Kurt Gilomen stellte seinen Gast Rolf Schlup als jemanden vor, der in erster Linie hinter den Kulissen arbeitet. Obwohl: Schlup stand auch selber auf der Bühne. Nach dem Einstieg in die Volksmusik gemeinsam mit dem Vater lernte er mit 16 Bass spielen und spielte Ende der 70er-Jahre in der Steve Whitney Band, eine erfolgreiche Formation, die etliche Konzerte im Vorprogramm grosser Namen wie Krokus, Deep Purple, Rumpelstilz und anderen bekannten Rockbands gab.

Schon früher begann er, hinter den Kulissen zu arbeiten: Nach der kaufmännischen Lehre arbeitete er zunächst als Lagerist beim Plattenlabel «Phonogram», später bei der Plattenfirma «Universal Polydor», die unter anderem «Abba» unter Vertrag hatten und stieg so ins Promoterbusiness ein. Schlup betreute als erste Band Rumpelstilz mit Polo Hofer, produzierte deren erfolgreichste Scheibe «Vogelfuetter» zu einer Zeit, als alle sogenannten Experten meinten, das gehe gar nicht.

Später kam der Aufbau der Rockgruppe «Gotthard» dazu und die Promotion anderer Grössen, wie Krokus, Sina und vielen mehr. «Das ist, als ob man Kinder grosszieht», meinte Schlup. Einen der grössten Erfolge feierte Schlup, der zu dem Zeitpunkt bei Bertelsmann arbeitete, mit Toni Vescoli als Sprecher von unzähligen Pingu-Kassetten. Kurz: Er verhalf Schweizer Bands zum Erfolg und zum Teil auch zum internationalen Durchbruch.

Seit rund 15 Jahren arbeitet Schlup als selbstständiger Musikpromoter und ist nach wie vor verantwortlich für die «Entdeckung» künftiger Stars in der Musikszene. Beispielsweise entdeckte er die Bieler Popband «Pegasus», die heute als erfolgreichste Popband der Schweiz gilt. Bis vor Kurzem war er mit Phippu Fankhauser unterwegs, er arbeitete mit Sina und Florian Ast.

Schlup ist kein Freund von Casting-Shows und den daraus entstehenden Eintagsfliegen, die oft an massloser Selbstüberschätzung litten, wie er sagt. «Bands müssen an sich arbeiten, einfach so schnell schnell, das funktioniert eben nicht.» Seit einigen Jahren ist er auch eng mit Kurt Gilomen befreundet und habe laut diesem dafür gesorgt, dass das «Grenchner Lied», welches Gilomen mit seiner Band «Light Food» als Antwort auf den umstrittenen Dokfilm von SRF eingespielt hat, auch in Zürich und Luzern gehört werde.

Heilpädagogik mehr als Berufung denn als Beruf

Urs Wirth ist Leiter der Heilpädagogischen Sonderschule in Grenchen. Einer Schule, in der es darum geht, die Kinder dort abzuholen, wo sie stünden und sie ihren individuellen Möglichkeiten gemäss aufzubauen. «Individualität ist das A und O bei uns», erklärte der Heilpädagoge, der seinen Beruf aus tiefster Überzeugung ergriffen hat. Zwischen 36 und 40 Kinder werden in sechs kleinen Klassen ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechend individuell unterrichtet und gefördert. «Wir tun alles zum Wohle des Kindes», erklärte Wirth. Im 8. Schuljahr werde dann die Berufsberatung der IV beigezogen und gemeinsam mit den Eltern beraten, wie es nach der obligatorischen Schulzeit weitergehen soll. «In den 40 Jahren, in denen ich an dieser Schule arbeite, hatten wir noch nie ein Kind ohne Anschlusslösung», sagt Wirth nicht ohne Stolz.

Wirth war auch lange als Vertreter der SP im Gemeinderat. «Ich war stets der Stadt verpflichtet, den Wählerinnen und Wählern und nicht der Partei», betont Wirth. Von Gastgeber Dagobert Cahannes angesprochen auf das schwierige Verhältnis mit Solothurn, das insbesondere an der Fasnacht so richtig zutage tritt, erzählte der passionierte Fasnächtler und begnadete Reimeschmied von einem Erlebnis, das er einst an der Fasnacht hatte. Die Solothurner, die sich regelmässig über Grenchen lustig machen, hatten die Grenchner Fasnächtler zu einer «Retourkutsche» eingeladen. Wirth als Mitglied der Hilari Schnibako trug eine Büttenrede vor, die er im Rahmen des Talks noch einmal wiederholte. Nur so viel: Die Solothurner kriegten mächtig ihr Fett weg, und es sei nach der Rede gefühlte 10 Minuten mucksmäuschenstill gewesen im Steinernen Saal.

Die beiden Gastgeber Cahannes und Gilomen konnten feststellen, dass trotz der komplett unterschiedlichen Tätigkeitsfelder beide Gäste doch einiges verband: Die Wertschätzung der Arbeit und die Fairness, mit der man miteinander umgeht, um nur zwei der Gemeinsamkeiten zu nennen. Das zahlreiche Publikum quittierte den Talk mit lang anhaltendem Applaus.