Urs Bläsi
Fahren statt Wandern: Mit dem Einachser-Traktor auf dem Jakobsweg

Als ehemaliger Pilot kennt er die Welt aus der Vogelperspektive. Nun tourte Urs Bläsi mit seiner Ehefrau auf einem Traktor durch halt Europa. Sie reisten während 52 Tagen auf dem Jakobsweg von Grenchen nach Santiago de Compostela.

Peter Brotschi
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An der Rebgasse wurden Urs und Elisabeth Bläsi von den Mitbewohnern herzlich empfangen.

An der Rebgasse wurden Urs und Elisabeth Bläsi von den Mitbewohnern herzlich empfangen.

Peter Brotschi

Zusammen mit seiner Ehefrau Elisabeth legte er den Jakobsweg von Grenchen nach Santiago de Compostela mit einem Bucher-Traktor zurück. Und der wurde zum Star der Reise.

Grosser Bahnhof an der Rebgasse in Grenchen: Urs und Elisabeth Bläsi wurden von Mitbewohnern aus ihrem Quartier herzlich empfangen. 52 Tage waren die beiden unterwegs gewesen, von Grenchen bis nach Santiago de Compostela in Spanien und zurück. 4500 km auf dem Jakobsweg, für einmal nicht zu Fuss, sondern mit einem Bucher-Einachstraktor.

Die Pilgerfahrt wurde etwas getrübt durch das schlechte Wetter, denn nur gerade an 13 Tagen regnete es nicht. Das stationäre Tief, das diesen Frühling die Schweiz plagte, beeinflusste auch Frankreich und Nordspanien. «Aber wir sind gesund nach Hause gekommen und, obwohl wir 48 Nächte in Hotels und Gites gegessen und geschlafen haben, hat uns keine Magenverstimmung geplagt», sagt Urs Bläsi nach der Heimkehr.

Das Fernweh obsiegte

Als ehemaliger Pilot hat Urs Bläsi mit seinem Motorsegler ganz Europa bereist. Mit dem Erreichen des 70. Altersjahres hörte er trotz sehr guter geistiger und körperlicher Fitness konsequent mit dem Fliegen auf und verkaufte den Motorsegler. Das liegt nun vier Jahre zurück. «Ich habe geglaubt, dass meine Frau und ich die Schweiz nicht mehr verlassen werden», hält Bläsi fest. Doch das Fernweh hat beide wieder gepackt. Ein Traum ihres Lebens war noch der Jakobsweg. Also der Weg hin zum Grab des Apostels Jakobus der Ältere, das sich der Legende nach in Santiago de Compostela in Galizien befindet. Bläsi: «Alle die Geschichten, die sich um den Jakobsweg ranken, wollten wir einmal selber erleben.»

Doch als fast Mitsiebziger ist es körperlich kaum mehr machbar, während langer Zeit jeden Tag derart viele Kilometer zu Fuss zurückzulegen. Das müsse man, so Bläsi, sich selber ganz realistisch eingestehen.So einfach mit dem Auto wollte das Ehepaar den Jakobsweg auch nicht abfahren.

Der Kompromiss fand sich in einem Bucher-Traktor. Dem revidierten Oldtimer mit Jahrgang 1955 verpasste Urs Bläsi einen Anhänger, auf dem für die lange Reise sämtliche Utensilien mitgeführt und auf dem zur Not geschlafen werden konnte. Obwohl sie nicht zu Fuss, per Velo oder auf dem Pferd unterwegs waren, liessen sie sich in Le Puy en Velay einen Pilgerausweis ausstellen. Dieser gilt auch als Zutritt zu den Pilgerherbergen.

Am 20. Mai, vor der Gite du Velay (Herberge in Frankreich).

Am 20. Mai, vor der Gite du Velay (Herberge in Frankreich).

Die Route führte die beiden Grenchner über Genf und Vienne an den Fuss der Pyrenäen, wo in St. Jean-Pied de Port der Aufstieg zum Ibaneta-Pass begann, um dann in Pamplona mit dem viel beschriebenen spanischen Teil des «camino» zu beginnen. Nach dem Besuch der weltberühmten Kathedrale von Santiago de Compostela führte die Reise nach Finisterre am Atlantik. Über Bilbao, San Sebastian, Pau, Carcassonne, Montpellier und Valence kehrten die beiden in die Schweiz zurück. Die letzte Etappe fuhren sie von Lausanne über Payerne nach Grenchen.

Schweizermaschine nicht geheuer

Der Star der Reise war der Einachstraktor (siehe Kasten). Bläsi: «Der Bucher wurde x-tausendmal fotografiert und bewundert.» Selbst die Tageszeitung von Galizien in La Coruña brachte in ihrer Sonntagsausgabe einen Artikel mit Bild. Aber ganz ohne Panne ging es nicht: Schon am dritten Tag nach der Abreise versagte der Motor in der Nähe von Vienne seinen Dienst.

Die «Zürich»-Versicherungsgesellschaft half während der ganzen Panne über die Distanz prompt und machte in Vienne drei Garagen für Landwirtschaftsmaschinen ausfindig. Aber die Chefs wollten mit der fast 60 Jahre alten «Schweizer Maschine» nichts zu tun haben, weil nur mit europakompatiblem Gerät gearbeitet werde ... - So informierte Urs Bläsi seinen Freund und «Bucher-Experten» Hans Zaugg aus Zollbrück im Emmental, der die 400 km nach Vienne unter die Räder nahm.

Der Bucher-Traktor

Der Bucher-Einachstraktor ist in der Schweiz ein legendäres und einst verbreitetes Gefährt. Zwischen 1950 und 1963 wurden über 5000 Stück gebaut. Wegen ihrer Vielseitigkeit und Geländetauglichkeit waren die kleinen Traktoren, die unter anderem auch als Mähmaschinen eingesetzt werden können, sehr beliebt. Sie waren auch massgeblich daran beteiligt, dass in der Schweiz nach dem Zweiten Weltkrieg das Pferd als Arbeitskraft aus der Landwirtschaft zu verschwinden begann. Der Bucher-Einachstraktor eignete sich durch seine geringen Betriebskosten besonders für kleine Landwirtschaftsbetriebe. (pbg)

Bereits zwei Stunden später war der Ventilsitz am Motor gereinigt und neu eingeschliffen, sodass der Route nach Santiago nichts mehr im Wege stand. Die restlichen 4100 km lief der Motor problemlos.

Herzlicher Empfang in Grenchen

Über GPS und Internet konnten die Daheimgebliebenen aus Familie und Freundeskreis die Reise mitverfolgen. Als sich das Gefährt wieder der Schweizer Grenze näherte, organisierten die Mitbewohner der Liegenschaften Rebgasse 73 und 75 ein Willkommensfest. Appolonia und Sepp Bütler sowie Dorli und Rolf Enggist sorgten dafür, dass Urs und Elisabeth Bläsi nicht heimlich heimkehren konnten. Selbst die Grenchner Flagge war bei der Garagen-Einfahrt befestigt. Freudestrahlend wurden die beiden willkommen geheissen – und konnten gleich erste Eindrücke der langen Reise erzählen.