Startseite
Solothurn
Grenchen
Die Grenchner Uhrwerkherstellerin der Swatch Group «ETA» feiert 2018 einen hohen Geburtstag. Man will dabei aber ganz unter sich bleiben.
Die Grenchner Uhrwerkherstellerin ETA, das industrielle Herz des weltweit grössten Uhrenkonzerns Swatch Group, feiert heuer ihr 225-Jahre- Jubiläum. Ein Blick hinter die Fassaden des grössten Arbeitgebers in der Stadt Grenchen gestaltet sich aber schwierig. Firmenchef Pierre-André Bühler stand für ein Interview nicht zur Verfügung.
Dies überrascht an sich nicht, gibt sich die Firma doch generell den Medien gegenüber sehr zugeknöpft. Für Anfragen wird in der Regel an die Bieler Swatch-Zentrale verwiesen. Aus Anlass des Jubiläums beantwortete die Public-Relations-Abteilung immerhin einige Fragen dieser Zeitung – wenn auch nicht immer ganz erschöpfend.
So fragt man sich in Grenchen zuerst einmal, wie es möglich ist, das 225-Jahre-Jubiläum zu feiern, wo doch die Uhrenindustrie das Bauerndorf im Leberberg erst 1856 erreichte. Die Antwort liegt in den Wurzeln von Teilen der ETA, die unter anderem bis zum 1793 gegründeten Uhrmacheratelier in Fontainemelon zurückreichen, welches später in der berühmten Ebauches SA aufging (siehe unten).
Die ETA in ihrer der heutigen Form entstand erst 1984 durch die Fusionen der Asuag und SSIH zur SMH. Doch natürlich ist die Firma auch in Grenchen viel älter. Hier ist sie mit dem klingenden Namen Eterna verbunden. 1932 wurde unter dem damaligen Geschäftsführer Theodor Schild das Unternehmen in zwei separate Aktiengesellschaften aufgeteilt: ETA SA für die Rohwerke-Fabrikation (für Eigenbedarf, aber auch für Dritte) und Eterna SA für Fertiguhren-Herstellung. Während nach der Uhrenkrise der 1970er-Jahre sich die ETA als eigenständige Innovatorin und Entwicklerin des Plastikuhr-Blockbusters Swatch prächtig erholte, war die stolze Eterna danach nur noch der Schatten ihrer selbst. Kürzlich ging sie sogar kurzzeitig in Konkurs. Die chinesischen Besitzer sprachen gegenüber der «NZZ» von einem «Irrtum».
Produktionsstätten hat die ETA. Alle sind in der Schweiz. Allein acht Werke sind in Grenchen und eines in Bettlach.
Die ETA hingegen war so erfolgreich, dass ihr Leuchtturmprodukt Swatch dem Konzern 1998 den Namen gab. Heute ist die ETA mit Hauptsitz in Grenchen und weiteren Produktionswerken im Tessin, Wallis und im Jura die «Motorenfabrik» für die Swatch-Group-Marken schlechthin. Technische Neuentwicklungen werden zuerst inhouse vermarktet, nach einiger Zeit aber auch Drittherstellern zur Verfügung gestellt, zumindest im Quarzuhrenbereich.
ETA-Uhrwerke zählen mithin zu den besten der Welt und das Unternehmen hat vor allem industrielle Potenz entwickelt, sodass in gewissen Segmenten die Schweizer Uhrenindustrie von ihren Produkten abhängig geworden ist. Es kam während des letzten Uhrenbooms sogar so weit, dass die Wettbewerbskommission einschreiten musste, so erdrückend war der industrielle Vorsprung der ETA auf dem Markt für mechanische Uhrwerke. Denn natürlich wollte man zuerst einmal die eigenen Marken beliefern.
Angestellte (Schätzung), davon 2000 in Grenchen und Bettlach, fertigen etwa 100 verschiedene mechanische Uhrwerke (Standardkaliber) und 150 Quarzmodelle.
In Grenchen hat die ETA in den letzten Jahren Dutzende Millionen investiert. 2013 war man auf die damals neu eröffnete Zifferblattfabrik an der Flughafenstrasse so stolz, dass erstmals die Medien in eine ETA-Fabrik eingelassen wurden. Eine ähnlich moderne Fabrik wurde im jurassischen Boncourt eröffnet. Dort werden Uhren sogar erstmals gänzlich von Robotern zusammengebaut.
Zurück zum Jubiläum. Hier gibt man sich wiederum gewohnt zugeknöpft und lässt lediglich durchblicken, dass man im Oktober einen Jubiläumstag für die Belegschaft an den verschiedenen Standorten plane. Ein Datum wird nicht genannt.
Ebenso wenig will die ETA anlässlich ihres Jubiläums ihre Firmenarchive öffnen. Bekanntlich besitzt sie eine grössere interne Sammlung an Dokumenten und Gegenständen aus der reichhaltigen Firmengeschichte, in Grenchen bei Insidern unter dem Begriff ETA-Museum bekannt. «Unsere Projekte zur historischen Aufwertung sind für unsere Mitarbeitenden bestimmt», heisst es dazu. Auf die Frage, ob man im Jubiläumsjahr vielleicht ein paar Leihgaben ans städtische Museum machen könnte, zeigt man sich immerhin offen. Man entscheide von Fall zu Fall.
Ob von dort überhaupt eine Anfrage kam, ist insofern fraglich, als in Grenchen kaum jemand von dem Jubiläum weiss. Hier wurde vor allem die Uhrenkrise mit einer grossen Ausstellung ausführlich gewürdigt. Aber dass die Swatch Group kürzlich das beste Halbjahresergebnis ihrer Firmengeschichte hingelegt hat, scheint niemanden zu inspirieren.
Angesprochen auf diesen Umstand, macht aber auch die ETA auf Understatement: «Dank der ausgezeichneten Ergebnisse der Marken von Swatch Group wurden unsere Kapazitäten sehr stark beansprucht, sowohl in der Produktion wie in der Entwicklung.» Punkt. Dass es in der Uhrenindustrie wieder brummt, kann man derweil an den Schichten sehen, das heisst beispielsweise, wie hell das Werk 1 nachts den Marktplatz beleuchtet. Ferner werden Lehrlinge per Inserat gesucht und sogar zu einem Informationsanlass eingeladen. Die Lehrlingswerkstatt am Oelirain gehört zu den am besten ausgestatteten weit und breit.
Auch über das Verhältnis der ETA zur Stadt ist wenig bekannt. Konzernweit ist Grenchen wieder vermehrt auf dem Radar, seit die Swatch Group ihre Aktionärsversammlung im Tissot Velodrome durchführt. Ob dies aber so bleibt, ist offen, insbesondere da zurzeit mondäne Firmengebäude in Biel errichtet werden. Ein spannungsvolles Thema im Verkehr mit der Stadt Grenchen sind sodann die knappen Parkplätze für die ETA-Mitarbeiter bzw. der Landverschleiss mitunter an bester Lage durch diesen Parkraum. Die ETA hat zudem beträchtliche Landreserven in der Industriezone und zeigt sich auch da wenig flexibel gegenüber der Stadt. Sie bot bisher keine Hand für Abtauschgeschäfte.
Die Hassliebe scheint auch etwas auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Der Stadtpräsident beispielsweise treibt seit geraumer Zeit ein Projekt für eine zweisprachige Schule in Grenchen voran. Darin soll aber englisch gesprochen werden und nicht etwa französisch, die faktische Haussprache der ETA. Deren Fabriken in Grenchen sind nämlich alle wie folgt angeschrieben: ETA SA – Manufacture Horlogère Suisse. Da bleibt, wenn auch stirnrunzelnd, nur eines zu sagen: Happy Birthday ...
Im Oktober 1793 schlossen sich die Uhrmacher Julien und François Humbert-Droz mit Isaac und Daniel Benguerel zusammen. Gemeinsam eröffneten sie ein Uhrmacheratelier in Fontainemelon und handelten mit Uhrwerksrohlingen (Ebauches), die aus der gemeinsamen Fabrikation stammten. Indem sich die vier Uhrmachermeister im Val-de-Ruz niederliessen, konnten sie von einem grossen Einzugsgebiet für die Rekrutierung von Arbeitskräften profitieren. Auch waren sie nicht weit von La Chaux-de-Fonds entfernt, wo sie ihre Erzeugnisse verkaufen konnten. Während der ersten Jahre arbeitete das Personal hauptsächlich zu Hause. 1816 bauten die Geschwister Humbert-Droz eine erste Fabrik, um ihre Arbeiter an einem einzigen Ort zusammenzubringen.
Mit dem Inkrafttreten der neuen Bundesverfassung im Jahre 1848 wurden die kantonalen Barrieren abgebaut und der Handel innerhalb der Schweiz gefördert. Das damalige Bauerndorf Grenchen nutzte diese Gelegenheit, um die Uhrmacherei in die Region zu holen. Urs Schild und Dr. Joseph Girard eröffneten 1856 in der Gemeinde eine Uhrmacherwerkstatt.
Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts wurden im Jurabogen mehrere Ebauches-Fabriken gegründet. Sie verfügten bereits über stark mechanisierte Produktionsmittel. 1896 wurde in Grenchen zum Beispiel die Firma Adolf Schild gegründet und 1898 die Firma Adolf Michel.
Es waren diese beiden Firmen, die zusammen mit der Fabrique d’Horlogerie de Fontainemelon 1926 die Holding Ebauches SA gründeten. Die geschäftlichen Aktivitäten begannen am 1. Januar 1927. Der Hauptsitz und die technische Leitung befanden sich in Neuenburg. In Grenchen wurden die Zentralbüros der Buchhaltung eingerichtet.
In den folgenden Jahren wurden mehrere Ebauches-Fabriken aufgekauft und in die Holding integriert. Ihre Standorte verteilten sich über den gesamten Jurabogen (Les Bioux, Fleurier, Peseux, La Chaux-de-Fonds, Tavannes, Tramelan, Moutier, Bettlach und Grenchen). Heute ist die ETA in der ganzen Schweiz an insgesamt zehn Produktionsstandorten präsent.
Im Laufe der Zeit entwickelten sich in den Ebauches-Fabriken drei industriellen Säulen: Die Tochterfirmen der Ebauches SA spezialisierten sich in der Herstellung von mechanischen Uhrwerken. Ab den 1960er kamen elektronische oder elektromechanische Uhrwerke dazu. 1969 zog die Holding Ebauches SA die Produktion der elektronischen Komponenten an einem einzigen Ort zusammen und gründete die Gesellschaft Ebauches Electroniques Marin. Ebauches SA vermarktete 1972 ihr erstes Quarzuhrwerk mit drei Zeigern, eine vollständige Eigenentwicklung. Die Swatch-Uhrenköpfe werden seit 1983 von der Ebauches-Fabrik ETA hergestellt.
Nach der Auflösung von Ebauches SA am 31. Dezember 1984 wurden die Tochterfirmen von der neuen Einheit «ETA, Fabriques d’ébauches» übernommen. Der Hauptsitz wurde nach Grenchen verschoben. Durch Fusionen innerhalb der Gruppen Asuag und SSIH wurde die Firma ETA zu einer Produktionseinheit der SMH (Société suisse de Microélectronique et d’Horlogerie), die von Nicolas G. Hayek geleitet wurde. 1998 wurde sie in The Swatch Group SA umbenannt.
«Seither entwickeln wir unermüdlich neue Produkte», erklärt Marketingchef Dominique Boizard. Stolz ist man beispielsweise auf das Swatch-Modell SISTEM51, bis heute weltweit das einzige mechanische Uhrwerk mit Automatikaufzug, das zu hundert Prozent automatisch gefertigt wird. Für die enorme Wertschöpfung, welche die Swatch Group mit ihren Produkten generieren kann, ist die Entwicklung von industriellen Fertigungsmethoden das A und O.