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Immer wieder flammt in Grenchen (und nicht nur hier) die Diskussion darüber auf, wer denn nun bei der Rettung der Schweizer Uhrenindustrie durch die Swatch die wichtigere Rolle gespielt habe: SMH-Gründer Nicolas G.-Hayek oder Swatch-Entwickler Ernst Thomke.
Seit Thomke 1991 das Unternehmen nach einem Machtkampf verliess, wird das Thema in Grenchen immer wieder aufgekocht. Beat Gilomen, langjähriger Kadermitarbeiter der Swatch Group, will sich nicht auf eine Seite schlagen. «Herr Hayek und Herr Thomke waren beide massgeblich an der Wiedergeburt der Stärke der schweizerischen Uhrenindustrie beteiligt. Aber es waren auch noch viele mehr. Noch nie hat ein General allein eine Schlacht gewonnen», meint er.
Hayek habe das Potenzial in der SMH gesehen und die Mittel zusammengebracht zur Finanzierung der Umbruchzeit. «Er hat einen Deal mit den Banken ausgehandelt, welcher ihm danach noch ermöglichte, die Restrukturierungen durchführen zu können.» Hayek habe die Stossrichtung vorgegeben und eine Einheit unter den Marken und den Ebauches-Firmen herbeigeführt. «Er dachte sehr strategisch.» Auch sei er zurückhaltend gewesen bei den Geldmitteln, welche er aus der SMH und auch später aus der Swatch Group für sich persönlich als Salär herausgezogen habe. «Das gab ihm auch den Respekt der Arbeiter.»
«Herr Thomke hat die Ideen – seine und auch andere – in die Tat umgesetzt. Er hat dies in einer Geschwindigkeit getan, wie kaum ein Zweiter es hätte tun können», sagt Gilomen zu Ernst Thomke, der am kommenden Sonntag 80-jährig wird. «Und das war überlebenswichtig. Die Geschwindigkeit habe aber auch Härte verlangt, die Entscheide mit den nötigen Opfern durchzusetzen. «Er und seine Familie mussten einiges einstecken in dieser Zeit, mit gewaltigen Anfeindungen, die Mut und Ausdauer erforderten. Für mich ist Herr Thomke ein Genie.» Er habe technische Zusammenhänge blitzartig erfasst und immer sofort die kritischen Fragen gestellt. «Er wusste genau, was er verlangen durfte und musste, damit es zu Höchstleistungen kam. Er räumte Widerstände rigoros aus, was unnötige Reibungsverluste eliminierte. Er liebte Leute, die ihm mit Überzeugung und guten Argumenten die Stirn boten und mochte Pessimisten und Miesmacher ganz und gar nicht. Für ihn war die Entwicklung von Neuheiten sehr wichtig und entsprechend waren unsere Diskussionen jeweils sehr lebhaft – um es mal so auszudrücken», meint der ehemalige ETA-Entwicklungschef. «In der Entwicklung war er immer für grosse Herausforderungen zu begeistern.»
Nicht alles, was Thomke tat oder bewilligte, sei automatisch erfolgreich geworden, «aber er ermöglichte so viel in so kurzer Zeit, dass eben unter dem Strich viel Erfolgreiches blieb. Als er die Restrukturierungen bei den Marken durchführte, waren seine ersten Schritte immer, sich in die Märkte zu begeben, mit den Verkäufern und Kunden zu unterhalten. Bedürfnisse und Hindernisse erkennen. Aber auch intern beleuchtete er alle Abteilungen, und er war häufig vor Ort und sprach mit jedermann. Dann ging es Schlag auf Schlag, denn er wusste, wohin er gehen wollte: zu den Kunden, zu den Umsätzen, zum Erstarken der Marke. Niemand und nichts konnte ihn aufhalten!»
Er habe Thomke erlebt, wie er damals die Werkefabrik «Durowe» in Deutschland redimensioniert hat. «Es war für mich ein eindrückliches Erlebnis, wie er vor die ganze Belegschaft und die Gewerkschaften getreten ist. Thomke machte in wenigen Worten klar, dass ein Redimensionieren die letzte Hoffnung war und ein Widerstand diese letzte Hoffnung zerstören würde. Gewerkschaft gegen Patronat gab es für ihn nicht. Entweder wir schaffen es gemeinsam oder die Firma ist weg.» Der Betrieb habe damals doch noch etliche Jahre weitergeführt werden können.
Für Beat Gilomen ist klar: Mit Hayek und Thomke waren bzw. sind «ausgeprägte Alpha-Tiere am Werk». «Gottlob, denn die brauchte es damals dringend.» Das beinhalte aber auch, dass manchmal Meinungen aneinanderprallten. Details über den Konflikt, welcher schliesslich 1991 zum Bruch führte, wisse er kaum. «Und falls ich sie wüsste, würde ich sie für mich behalten.» Denn am Ende zähle das Resultat, und dieses sei für die ETA, die Swatch Group, ja die ganze Schweizer Uhrenindustrie erfreulich.